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Reife Leistung: 400 Jahre Heilbronner Theodor-Heuss-Gymnasium

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Das heutige Theodor-Heuss-Gymnasium blickt auf eine bewegte Schulgeschichte zurück. Am 23. Oktober 1620 wurde es gegründet, erlebte Höhen und Tiefen. Und: Es hatte prominente Absolventen.

1880 zog das Gymnasium aus der inneren Karlstraße an die äußere Karlstraße/Ecke Gymnasiumstraße.
1880 zog das Gymnasium aus der inneren Karlstraße an die äußere Karlstraße/Ecke Gymnasiumstraße.  Foto: Stadtarchiv Heilbronn

Namen sagen manchmal mehr als 1000 Aufsätze. Sektpionier Georg Christian Kessler (1787-1842) hat hier die Schulbank gedrückt, aber auch der Revolutionär und Literat Ludwig Pfau (1821-1894), Generalbundesanwalt Kurt Rebmann (1924-2005), Glaskünstler Raphael Seitz (1957-2015), der 1951 geborene Sportjournalist Martin Hägele und nicht zuletzt der große Humanist, Publizist und Politiker Theodor Heuss (1884-1963).

Gäbe es an der Heilbronner Karlstraße eine Art Ehrenhalle der berühmtesten Schulabsolventen, käme sie einem Who-is-who der Lokalhistorie gleich. Die Lorbeeren gebühren dem Theodor-Heuss-Gymnasium, das dessen prominentester Schüler 1950 als erster deutscher Bundespräsident auf seinen Namen taufen durfte. Von 1827 bis 1938 hieß es Karlsgymnasium, und vor 400 Jahren, am 23. Oktober 1620, wurden es von einer fünfklassigen Lateinschule in ein sechsklassiges Gymnasium aufgestockt, dem ersten der Stadt.

Jubiläumsfeiern wegen Corona vertagt

Eigentlich hätte das Jubiläum vielfältig und groß gefeiert werden sollen, doch die Corona-Pandemie zwang das von Direktor Frank Martin Beck angeführte THG-Team, die vielen Aktionen auf 2021 zu verschieben.

Einst in der Altstadt angesiedelt

Die humanistisch geprägte Renommieranstalt ist schon seit fast 200 Jahren an der Karlstraße angesiedelt, zunächst im Altstadt-Abschnitt, seit 1880 am heutigen Standort an der Ecke Gymnasiumstraße. Der gründerzeitliche Prachtbau wurde am 4. Dezember 1944 wie die ganze Altstadt zerstört. Nach 1945 ging der "Oberschul"-Betrieb zunächst in diversen Gebäuden weiter. Ab 1950 gastierte das THG im 1887 gebauten Robert-Mayer-Gymnasium. 1958 bekam es sein heutiges Gebäude.

Die Architektur des damals erst 32-jährigen Planers Peter Salzbrenner steht heute unter Denkmalschutz. Mehr als eine Fußnote der Schulhistorie: Zwei Jahre später, ausgerechnet in den teils revolutionären 1960er Jahren, führte ein Ex-NSDAP-Funktionär die Anstalt, dessen Vergangenheit erst vor zwei Jahren zum öffentlichen Thema wurde, Karl Epting. Aber das ist eine andere Geschichte.

Erfolgsstory mit Höhen und Tiefen

Zurück zu den Wurzeln: Mit Gründung des zunächst an der Schulgasse angesiedelten akademischen Gymnasiums anno 1620 wurde für dessen Absolventen mit dem neuen, klassischen Curriculum der direkte Übergang an Universitäten frei. Der Beginn einer Erfolgsstory mit Höhen und Tiefen. Bald bremsten der Dreißigjährige Krieg (1618-1648), Hunger und Pest die gute Entwicklung, im 18. Jahrhundert wirkte das hohe Schulgeld abschreckend.

 


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Badener waren 1863 noch Ausländer

Nach den Wirren der napoleonischen Besetzung wurde das Gymnasium 1806 württembergisch, so wie die ganze Reichsstadt. Ausgerechnet zur 200-Jahr-Feier 1820 drohte der Abstieg zum Lyzeum ohne Oberstufe, was die Uni-Disqualifikation bedeutet hätte. Doch der Stadtrat sowie stolze, potente Bürger brachten einen Neubau an der inneren Karlstraße auf den Weg, für den 1827 Kronprinz Karl Pate stand. Ein angegliedertes Pensionat bot Betten und Betreuung für "Ausländer", noch 1863 waren das Badener, Bayern oder etwa Preußen.

Boom im 19. Jahrhundert

Im Zuge der Industrialisierung wuchs das "schwäbische Liverpool" von 12.400 (1848) auf 38.000 (1900) Einwohner. Damit schnellte auch die Schülerzahl nach oben, die Klassen platzten aus allen Nähten. Das Karlsgymnasium bekam 1880 seinen palastartigen Neubau, der von dem Leitspruch "Musis - Patriae - Deo" geziert war: für Künste, Vaterland, Gott.

Gisela Lohbeck, die das THG 1996 bis 2008 leitete, meinte einmal, die hiesige "Krämerseelenmentalität habe das humanistische Gymnasium immer vor allzu großer ideologischer Einseitigkeit bewahrt". "Mutig und offen", so Lohbeck, habe sich etwa Schulleiter Paul Würthle 1933 den "immer bedrohlicheren politischen Entwicklungen entgegenstellt". Die Folge: Amtsenthebung. 1938 vereinigten die Nazis das Karlsgymnasium zwangsweise mit der Dammrealschule zur Karls-Oberschule.

Erster Bundespräsident als Pate fürs neue THG

Im Zweiten Weltkrieges gab es bald nur noch Notunterricht, schließlich wurde das Schulgebäude zum Lazarett. 1944 versank das schöne Gebäude, inklusive kostbarer Bibliothek, in Schutt und Asche. Bald wurde der Ruf nach einem eigenen humanistischen Gymnasium laut. So gliederte man 1950 den altsprachlichen Zug der "Vereinigten Heilbronner Oberschulen" aus. Theodor Heuss stand für das Gymnasium Pate, 1958 weihte er den Neubau ein.


Mit 510 Schülern klein und fein

Heute versteht sich das THG mit altsprachlichem, neusprachlichem und naturwissenschaftlichem Profil als "moderne, lebendige Schule". Direktor Frank Martin Beck nennt das Gymnasium mit 510 Schülern "klein und fein": Das Angebot reiche von der erlebnispädagogischen Woche für Fünftklässler über mediengestützte Unterrichtsprojekte, Exkursionen, Begabtenförderung und Sozialpraktika bis zur Theater-AG, zu Sommer- und Weihnachtskonzerten, die ausgerechnet im Jubiläumsjahr ausfallen müssen.

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