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Rechtsanwalt lässt mit Krankmeldung Totschlags-Prozess in Heilbronn platzen

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Das Heilbronner Landgericht prüft jetzt die Bestellung eines Sicherungsverteidigers für das neue Verfahren. Die Schwurgerichtskammer will eine Entlassung aus der U-Haft verhindern.

Der 30-jährige Heilbronner muss sich vor dem Landgericht wegen des Vorwurfs des Totschlags verantworten. Der Prozess ist wegen einer Fristversäumnis ausgesetzt und wird womöglich im Herbst noch einmal ganz neu verhandelt.
Foto: Archiv
Der 30-jährige Heilbronner muss sich vor dem Landgericht wegen des Vorwurfs des Totschlags verantworten. Der Prozess ist wegen einer Fristversäumnis ausgesetzt und wird womöglich im Herbst noch einmal ganz neu verhandelt. Foto: Archiv  Foto: Veigel

Weil vor dem Landgericht Heilbronn im Verfahren gegen einen 30-jährigen Heilbronner eine Unterbrechungsfrist nicht einhalten werden konnte, musste die Schwurgerichtskammer vor gut einer Woche den Prozess komplett absetzen. Der Anwalt des Beschuldigten ist zum letzten Termin nicht erschienen. Der Prozess muss jetzt neu aufgerollt werden. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten Totschlag vor.

Unterbrechung nicht länger als drei Wochen

Laut Strafprozessordnung darf eine Verhandlung nicht länger als drei Wochen unterbrochen werden. Das Gericht hatte den fraglichen Prozesstag auf den letztmöglichen Termin gelegt. "Wegen Verhinderung verschiedener Verfahrensbeteiligter war eine straffere Terminfolge nicht möglich", so Lutz Hils, Sprecher des Landgerichts.


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Weil er mit einer Tequilaflasche auf den Kopf seiner Freundin geschlagen haben soll, wirft die Staatsanwaltschaft dem Beschuldigten Totschlag vor.
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Totschlagsprozess vor dem Heilbronner Landgericht: Angeklagter bestreitet Schlag mit Flasche auf den Kopf seiner Freundin


Weil sich der Anwalt aber just an diesem Tag krank meldete und keinen Vertreter schickte, ist der Prozess geplatzt. "Diese Unterbrechung ist eine Katastrophe", sagt Tobias Göbel, der die Familie des Opfers als Nebenkläger vertritt. "Das ist ein hochemotionaler Prozess, der die Familie enorm belastet."

Hauptbelastungszeugin stark verängstigt

Zudem wirkte die Hauptbelastungszeugin bei ihrer Aussage am zweiten Verhandlungstag stark verängstigt. Sie fürchte sich vor dem Angeklagten und dessen Brüdern. Prozessbeobachter halten es für denkbar, dass sie eine erneute Vernehmung nicht durchstehen könnte. Auch das Gericht sieht im Neubeginn der Hauptverhandlung vor allem für die Zeugen eine große Belastung, da diese ihre Aussagen wiederholen müssen, so Hils. "Auch können wiederholte Vernehmungen die Zeugen verwirren, was ihren Wert als Beweismittel negativ beeinflussen kann."

Angesetzt war dieser vierte Verhandlungstag am 24. Juni auf 9 Uhr. Nach der Krankmeldung des Anwalts des Beschuldigten hat die Kammer nach eigenen Angaben alles versucht, um mit dem Anwalt in Kontakt zu treten. Vergeblich. Um 15 Uhr fiel schließlich die Entscheidung, den Prozess auszusetzen.

Verteidiger hat sich bislang nicht erklärt

"Der Verteidiger hat trotz drohender Aussetzungsentscheidung ein Attest zur Akte gereicht, ohne weiteren Kontakt zur Kammer herzustellen oder zu ermöglichen und ohne sich um einen Vertreter zu kümmern", so der Sprecher des Landgerichts. "Zu seinem Verhalten hat er sich bislang nicht erklärt." Versuche unserer Redaktion, mit dem Rechtsanwalt Kontakt aufzunehmen, blieben erfolglos.

Es komme immer wieder vor, dass Anwälte sich krank melden. Sie sorgten dann aber für einen Vertreter, sagt der Vorsitzende Richter Roland Kleinschroth. Mehr wolle er zur Sache nicht sagen. Kleinschroth wechselt im August zum Oberlandesgericht in Stuttgart und könnte eventuell im neu angesetzten Verfahren als Zeuge aussagen müssen.

Verteidiger sind Organe der Rechtspflege

Über mögliche Motive wollen die Prozessbeteiligten nicht spekulieren. Klar sei aber, "dass sich erkrankte Verteidiger vertreten lassen, wenn ansonsten eine Aussetzung der Hauptverhandlung in einem Großkammerverfahren im Raume stehen würde", so Hils. "Verteidiger sind ja Organe der Rechtspflege und daher gehalten, daran mitzuwirken, dass das Verfahren betrieben werden kann."

Heikel ist auch eine zweite Frist. Laut Strafprozessordnung darf eine Untersuchungshaft nicht länger als sechs Monate dauern. Die Zeit während der Verhandlung ist davon ausgenommen. Der türkische Staatsbürger befindet sich seit 7. November in Untersuchungshaft. Ob er das Gefängnis jetzt verlassen darf, entscheidet das Oberlandesgericht.

Dringender Tatverdacht ist Haftgrund

Das Heilbronner Gericht versucht, eine Entlassung zu verhindern. "Die Voraussetzungen der Untersuchungshaft sind ein dringender Tatverdacht und ein Haftgrund. Sie liegen aus Sicht der Schwurgerichtskammer weiterhin vor", so Hils. Eine Unverhältnismäßigkeit der Untersuchungshaft bestehe nicht, zumal der Tatvorwurf ja ein Kapitaldelikt betreffe.

Nach Einschätzung des Gerichts wird die Verhandlung nicht vor Mitte September von neuem beginnen. Die Kammer prüft jetzt die Bestellung eines Sicherungsverteidigers, der einspringen kann, wenn der Anwalt des Angeklagten sich entschuldigt und keinen Vertreter benennt. "Die Bestellung eines weiteren Verteidigers ist grundsätzlich möglich", so Hils. Sollte der Angeklagte den Prozess verlieren, muss er diese zusätzlichen Kosten tragen.

Bei einem Pokerabend in der Wohnung des Vaters des Opfers soll laut Anklage der Heilbronner Staatsanwaltschaft ein 30-jähriger Heilbronner im November zunächst den Sohn seiner Lebensgefährtin geschlagen und in der Folge der Lebensgefährtin selbst eine Tequillaflasche auf den Kopf gehauen haben. Die Frau starb in derselben Nacht an den Folgen der Verletzung. Der Beschuldigte bestreitet die Tat. Laut Prozessverlauf gibt es keine Augenzeugen. Das Opfer soll aber vor ihrem Tod einer Freundin, die sich in der Wohnung aufgehalten hat, den Tathergang geschildert haben.

 

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