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Psychischer Beistand wird immer wichtiger

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Sie kommen, wenn es richtig schlimm wird: Ein Team von 18 Ehrenamtlichen bietet beim DRK psychosoziale Notfallversorgung. Betroffene, aber auch Einsatzkräfte bekommen von ihnen Hilfe.

Karina Pauli (rechts) und Melanie Klinke-Moser in der Einsatzkleidung vor ihrem Fahrzeug. Sie helfen Menschen, die Schlimmes erlebt haben.
Foto: Ralf Seidel
Karina Pauli (rechts) und Melanie Klinke-Moser in der Einsatzkleidung vor ihrem Fahrzeug. Sie helfen Menschen, die Schlimmes erlebt haben. Foto: Ralf Seidel  Foto: Seidel, Ralf

Sie kommen, wenn es richtig schlimm wird. Zur Ahrtal-Katastrophe, zu tödlichen Unfällen und Gewalttaten, zum Hausbrand in Neuenstadt, bei dem ein vierjähriges Geschwisterpaar starb. Da haben die Ehrenamtlichen der psychosozialen Notfallversorgung des DRK in der Nachbarschaft Decken verteilt, denn in der ganzen Straße war der Strom abgestellt. Haben getröstet, geredet und nochmal einen Gesprächstermin für die Anwohner angeboten.

"Es ist wichtig, den Menschen zu vermitteln, dass das schlimme Bild des ausgebrannten Hauses im Kopf, die Ängste, die Schlafprobleme in den ersten Wochen, normale, posttraumatische Belastungsreaktionen sind", sagt Einsatzkoordinatorin Karina Pauli.

 


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Gemeinsam mit ihrem Team unterstützt sie Betroffene, aber auch Kollegen dabei, furchtbare Erlebnisse zu verarbeiten. "Wenn man plötzlich einen Angehörigen verliert, realisiert man das vielleicht rational, aber lange noch nicht emotional", erklärt DRK-Kreisgeschäftsführer Ludwig Landzettel. Karina Pauli und ihr Team machen dann Angebote, helfen.

Auch Einsatzkräfte holen sich Hilfe nach schlimmen Erlebnissen

"Wir merken, dass das Thema deutlich Fahrt aufnimmt", stellt Landzettel fest. "Auch für unsere Einsatzkräfte ist es kein No-Go mehr, sich Hilfe nach schweren Erlebnissen zu suchen, und nicht mehr alles in sich hineinzufressen und so noch lange mit der Problematik zu kämpfen zu haben. Wir spüren, dass der Beistand den Leuten guttut."

51 Einsätze hatten die Ehrenamtlichen, die sich diesem schweren und wichtigen Thema widmen, im vergangenen Jahr. Rund zwei Drittel entfielen auf direkt Betroffene, ein Drittel auf Einsatzkräfte. Eine Erfolgsbilanz, findet der DRK-Chef. Auch den Rotkreuzlern, die im Ahrtal halfen, wo sie täglich mit neuen Katastrophensituationen konfrontiert waren, wo Menschen Angehörige und ihre Existenz verloren hatten, stand das Gespräch offen. 

Sich in das Leid anderer hineinversetzen

Karina Pauli und ihre Kollegin Melanie Klinke-Moser haben selbst in der Vergangenheit die Erfahrung gemacht, dass sie in der Trauer einen Ansprechpartner gebraucht hätten. Und dass da niemand war.

Auch bei dem Hausbrand in Neuenstadt, bei dem zwei Kinder ums Leben kamen, war das psychosoziale Notfallteam da und half Nachbarn. Foto: Archiv/Hofmann
Auch bei dem Hausbrand in Neuenstadt, bei dem zwei Kinder ums Leben kamen, war das psychosoziale Notfallteam da und half Nachbarn. Foto: Archiv/Hofmann  Foto: Hoffmann, Adrian

Melanie Klinke-Moser hat ihre Eltern bei einem Flugzeugabsturz verloren. 1996 war die Birgenair-Maschine, in der sie saßen, nach dem Start in der Dominikanischen Republik wegen eines Pilotenfehlers abgestürzt. Keiner der 189 Menschen an Bord überlebte.

Von einem Moment auf den anderen stand die damals 20-jährige angehende Erzieherin mit drei jüngeren Geschwistern alleine da. "Nur ein einziges Mal kam der Pfarrer, und zwar, um die Beerdigung zu klären." Durch das Engagement des Ärztepaares Sybille und Hartmut Jatzko, das sich um die Hinterbliebenen-Nachsorge in Deutschland verdient gemacht hat, erlebte sie, wie wichtig es ist, dass Menschen nach so einem Trauma aufgefangen werden.

Jahre später gründete sie in Heilbronn "Lichtblick Tak" mit, einen Verein für Kinder, Jugendliche und trauernde Familien. "Weil es für meinen neunjährigen Bruder einst keine Anlaufstelle gab."

Das Team ist eine Ergänzung zur Notfallseelsorge

Nun arbeitet sie in ihrer Freizeit in dem "eingeschworenen Team", das eine Ergänzung zur Notfallseelsorge sein will. "Als ich die Gruppe übernahm, wollte ich sie aus dem Dornröschenschlaf wecken," sagt Karina Pauli, die beruflich eine Tankstelle betreibt. Inzwischen sind 18 Leute dabei, vier Hospitanten und eine muslimische Klinikseelsorgerin.

Interessierte, die mitarbeiten möchten, müssen psychisch belastbar sein, ein stabiles familiäres Umfeld haben, und über Strategien verfügen, um den Stress zu bewältigen. "Wenn daheim der Haussegen schief hängt, kann man keinen Einsatz haben," so Pauli.

Die beiden Frauen sprechen viel miteinander, nach den Einsätzen. Daheim zieht Melanie Klinke-Moser erstmal ihre DRK-Kleidung aus. "Ich streife damit auch ein Stück weit die Erlebnisse ab. Denn die Sicherheitsschuhe und die Jacke, das ist mein Schutz."

 

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