Pranger für Ekliges läuft bislang ins Leere
Die Ergebnisse von Lebensmittelkontrollen in Supermärkten oder Restaurants sind bisher schlecht und nur teilweise im Internet zu finden. Das will eine private Initiative ändern, doch auch Firmen wie Lidl wehren sich gegen eine Veröffentlichung.

Ein Gammelfleisch-Skandal hat Deutschland - wieder einmal - erschüttert. Menschen starben, weil sie keimverseuchte Wurst des hessischen Herstellers Wilke gegessen hatten. Verbraucherschützer kritisieren die Lebensmittelüberwachung, die "katastrophal unterbesetzt" sei. Die Verantwortlichen in der Region halten diese Aussage für falsch. Immerhin gibt es zunehmend mehr Transparenz in diesem Bereich.
Noch muss man selbst aktiv werden
Carsten H. will wissen, ob dort, wo er zum Einkaufen und Essen geht, hygienisch gearbeitet wird. Seit einigen Monaten stellt er deshalb Anfragen an die Behörden und bittet um Kontrollberichte für Restaurants und Supermärkte in seinem Umfeld. "Eigentlich fände ich es gut, wenn die Läden solche Berichte selbst veröffentlichen müssen", sagt er. Doch dafür gibt es in Deutschland keine gesetzliche Grundlage.
Etwas bewegt hat sich trotzdem im vergangenen Jahr. Behörden müssen ernsthafte Verstöße inzwischen im Internet öffentlich machen. Von Pranger war im Vorfeld die Rede. Doch tatsächlich nimmt kaum jemand Notiz von den Seiten, die gezielt gesucht werden müssen. Die Verbraucherschutzorganisation Foodwatch und das Info-Portal "Frag den Staat" halten deshalb mit einer eigenen Plattform dagegen. Topf Secret heißt die Seite, die auf einer interaktiven Karte Restaurants und Märkte darstellt und die jüngsten Kontrollberichte verlinkt - und zwar unabhängig vom Ergebnis.
Topf Secret bewegt sich noch in der Grauzone
Gerichte gaben für dieses Vorgehen bisher überwiegend grünes Licht. Trotzdem bewegt sich das Projekt in einem Graubereich. Unklar ist beispielsweise, wie lange welche Information online zu finden sein darf. Außerdem ist die Seite momentan noch Stückwerk.
In der Region sind bei Topf Secret für die meisten Lokale noch keine Informationen online. Die Verbraucherschützer setzen nämlich auf freiwillige Helfer wie Carsten H. Er hatte Anfang des Jahres Anfragen für mehrere Restaurants und Märkte in Heilbronn gestellt. In fast allen Fällen hatte er die Kontrollberichte bekommen. Einen jedoch nicht: Der Lidl-Markt an der Urbanstraße verweigerte die Zustimmung zur Herausgabe. Nun muss das Verwaltungsgericht Stuttgart entscheiden.
Was die Behörde dazu sagt
Für die Behörden bedeutet das zusätzliche Arbeit. Allein bei der Stadt Heilbronn sind seit Anfang des Jahres 53 Anfragen nach dem von Topf Secret vorgegebenen Muster eingegangen. "Wir schreiben die Antragsteller an und klären sie auf", erzählt die Leiterin der Lebensmittelkontrolle, Dr. Gudrun Vollrath. Manche würden dann zurückschrecken, weil sie "gar nicht so viel Wirbel machen wollten".
Bleibt es beim Antrag, wird der betroffene Betrieb angehört. "Es könnte ja sein, dass in dem Bericht zum Beispiel ein Betriebsgeheimnis verraten wird", erklärt Vollrath. Darauf müsse man mitunter Rücksicht nehmen. Bleibt die Stadt dabei, dass die Berichte ausgehändigt werden, könne der Betrieb nur Rechtsmittel einlegen. Dann entscheidet das Verwaltungsgericht Stuttgart - wie im Fall Lidl.
Lidl gibt keine Begründung für Widerspruch
Warum sich der Discounter in Bezug auf die Filiale Urbanstraße gegen die Veröffentlichung wehrt, ist aus der Zentrale in Neckarsulm nicht zu erfahren. Fragen unserer Zeitung wurden nicht beantwortet. Stattdessen gab es die allgemeine Stellungnahme, dass "die alleinige Veröffentlichung von Kontrollberichten" nicht dazu geeignet sei, den Verbrauchern zusätzliche Transparenz zu bieten.
Gudrun Vollrath ist ebenfalls überzeugt, dass man den Behörden vertrauen kann. "Es ist schwierig, sich mit solchen Berichten selbst ein Bild von einem Betrieb zu machen."
15 Kontrolleure in Stadt und Landkreis Heilbronn
In Heilbronn sind fünf Kontrolleure beschäftigt, im Landkreis zehn, dazu mehrere Amtstierärzte. Ob diese personelle Ausstattung ausreicht? Die Beamten sagen Ja. Aus dem Umfeld ist aber zu hören, dass angesichts der eher knappen Besetzung bei Kontrollen klare Prioritäten gesetzt werden müssten. Umso dankbarer sind die die Behörden aber für Hinweise. "Auf solche Verdachtsfälle können wir gezielt reagieren", sagt Vollrath.
"Im Küchenkühlschrank lagerte eine weißlich verschimmelte Ananas, eine faulige Honigmelone, ein Kunststoffbehältnis, das mit einem grau-grün-bräunlichen Schimmelgebilde befüllt war und Pudding in mehreren Schälchen, der bräunliche Verfärbungen sowie einen weißlichen Schimmelflaum aufwies." Solche ekelerregenden Berichte der Lebensmittelkontrollen sind inzwischen im Internet zu finden - in diesem Fall aus einem Lokal in Waiblingen.
Behörden müssen nennenswerte Verstöße, die ein Bußgeld von mindestens 350 Euro nach sich ziehen, seit einigen Monaten veröffentlichen. "Internet-Pranger" wird das genannt. Ob beim Pizza-Service oder im gutbürgerlichen Restaurant, immer wieder gibt es auch in unserer Region hygienische Mängel, die dann üblicherweise auch umgehend behoben werden. Die Infos dazu werden nach einem halben Jahr wieder gelöscht.
Infos im Netz
www.verbraucherinfo.ua-bw.de
Weitere, bislang unvollständige Infos finden sich auf der Seite des Projekts Topf Secret: fragdenstaat.de/kampagnen/lebensmittelkontrolle/app
https://www.landkreis-heilbronn.de/lebensmittelkontrolle.750.htm
https://www.heilbronn.de/no_cache/rathaus/buergerservice-a-z/inhalt/lebensmittelueberwachung.html
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