Polizei widerspricht Gerücht über angebliche Straftat in Heilbronner Innenstadt
Anwohner und Beschäftigte rund um den Heilbronner Marktplatz sind in Aufruhr. Eine vermutlich frei erfundene Straftat schürt Ängste. Es werden Unterschriften mit der Forderung nach mehr Sicherheit gesammelt.

Menschen fühlen sich in der Heilbronner Innenstadt unsicher. Das ist immer wieder ein Thema. Nun heizt eine mutmaßlich frei erfundene Sexualstraftat die Stimmung an. In der Innenstadt kursiert eine Unterschriftenliste. Die Initiatoren und ihre Unterstützer fordern mehr Sicherheit.
Gerücht macht die Runde
"Ich fühle mich absolut unsicher." So wie Lisa Martini äußern sich gegenüber der Heilbronner Stimme auch andere Menschen, die im Bereich von Markt- und Kiliansplatz leben oder arbeiten. Anlass ist ein Gerücht über eine Vergewaltigung in der Mosergasse. "Das ist ein Punkt, der mich wirklich schockiert", sagt zum Beispiel Ulla Winter, Geschäftsfrau in der Kirchbrunnenstraße. Seitdem die Nachricht von der vermeintlichen Gewalttat die Runde macht, fühle sie sich nicht mehr so sicher wie vorher. "Da muss man dringend etwas machen."
Lisa Martini arbeitet in einem Kinderbekleidungsgeschäft in der Kirchbrunnenstraße. "Ich meide die Gassen", sagt die 25-Jährige. Sei sie allein im Laden, lasse sie die Tür offenstehen, damit Nachbarn sie hören, wenn etwas sein sollte. Sie habe die Unterschriftenliste für mehr Sicherheit in der Innenstadt unterschrieben.
Mitarbeiterinnen anderer Geschäfte wollen nicht mit Namen in der Zeitung stehen. Von der vermeintlichen Straftat und der Unterschriftenliste wissen die meisten. Das Gerücht hat sich schnell verbreitet und bleibt als Fakt hängen. Mehr als eine befragte Person sagt: "Ich habe unterschrieben." Die Aussagen zum Sexualdelikt habe sie geschockt.
Polizei klärt den Sachverhalt auf
Die Polizei stellt klar: "Es gab Ermittlungen der Kriminalpolizei im Innenstadtbereich wegen eines angezeigten Sexualdelikts", sagt Yannick Zimmermann, Sprecher des Heilbronner Präsidiums. Carsten Diemer, Leiter der Polizei-Pressestelle, ergänzt: Es sei ermittelt worden, um den Sachverhalt aufzuklären. Ergebnis: "Es gibt keine Informationen, dass sich in der Mosergasse oder in dem Bereich in letzter Zeit eine Sexualstraftat ereignet hat." Zum Schutz von Beteiligten, die die Vorwürfe in die Welt setzten, äußert sich die Polizei nicht im Detail. Dass die Kripo bei Anrainern nach Kameraaufzeichnungen gefragt habe, sei richtig. Ziel sei es gewesen, Videoaufnahmen sicherzustellen, auf denen Personen zu sehen sind, die an der zunächst im Raum stehenden Tat beteiligt gewesen sein könnten.
"Weder die Polizei noch wir können die Gerüchte bestätigen. Insofern ist es eine Fake-News", sagt Oberbürgermeister Harry Mergel. Liege eine Straftat vor, müsse sie verfolgt und geahndet werden, "daran gibt es keinen Zweifel".
Bürger berichten von ihren Beobachtungen
Das Gerücht wirkt wie ein Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Befragte berichten von Drogendeals, aggressiven und betrunkenen Menschen und Pöbeleien. Anwohnerin Pauline Schmidt und der Inhaber des Merkez-Grills an der Kaiserstraße initiieren eine Unterschriftensammlung. "Es ist uns wichtig, anhand von Beispielen zu zeigen, was hier - im negativen Sinne - ständig los ist", sagt Schmidt. "Wir möchten, dass etwas unternommen wird."
Der Inhaber des türkischen Restaurants nennt der Heilbronner Stimme seinen Namen, möchte aber nicht, dass er öffentlich wird. Er berichtet von Missständen vor der Haustür und fordert: "Die Stadt muss eine Lösung finden." Sein Sohn zeigt ein Video von der Kamera-Überwachung in der Gaststätte. In einer Szene ist zu sehen, wie ein unbekannter Mann von draußen in das Restaurant stürmt, in den Besteckkasten vor der Theke greift, ein Messer nimmt und wieder raus läuft. "Mein Mitarbeiter ist ihm sofort nach, um Schlimmeres zu verhindern", erzählt er. Sie hätten den Vorfall der Polizei gemeldet.
Männer gruppieren sich an den Haltestellen
Während des Gesprächs ist zu beobachten, wie draußen vor der Tür drei Männer aufeinandertreffen. Ein Streit wird laut, die Stimmung sofort aggressiv. Ein unbeteiligter Senior, der auf einen Bus oder eine Bahn zu warten scheint, wendet sich ab. Auf den Bänken der Haltestellen lassen sich Männer nieder, von denen der Sohn des Restaurantbesitzers sagt, sie würden dort den ganzen Tag bleiben. "Sie warten nicht auf den Bus oder die Bahn." Einige Mitglieder dieser Gruppe setzten sich in den Nebengassen die Spritze. Polizei und städtische Mitarbeiter seien zwar etwas häufiger als früher zu sehen, "aber das hilft nichts".
Sie achte darauf, spät abends nicht alleine irgendwohin zu gehen, sagt Verena Kohler (34), die in einem Reisebüro arbeitet. Ihr falle die Polizeipräsenz nicht groß auf. Wohl aber bemerke sie, wie tagsüber die immer selben Personen am Fenster vorbeilaufen, in der Gasse verschwinden und kurze Zeit später zum Marktplatz zurückkehren. Darunter seien ihrer Einschätzung nach aber auch Jugendliche, die sich einfach nur treffen. Sie fühle sich nicht unsicher, sei jedoch nur tagsüber in der Stadt.
An Unterschriften sind Erwartungen geknüpft
Pauline Schmidt kündigt an, die Unterschriftenliste dem Rathaus und dem Gemeinderat auszuhändigen. Die Seniorin erwartet, dass die Beschwerden über die Lage in der Innenstadt ernst genommen werden. "Wir bitten das Rathaus, uns über die Vorgehensweise zu informieren."