Party-Stimmung trotz ernstem Anlass: Über 1000 Streikende vor Kauflandzentrale in Neckarsulm
Mehr als 1000 Beschäftigte aus etlichen Kaufland-Filialen in Baden-Württemberg, dem Saarland, Rheinland-Pfalz und Bayern streiken am Freitag vor der Kauflandzentrale in Neckarsulm für mehr Lohn.
Der Anlass war ein ernster, die Stimmung aber dennoch bombastisch, so brachte es Katharina Kaupp, Bezirksgeschäftsführerin von Verdi, rund um den Tarifkonflikt im Einzelhandel auf den Punkt. Musik schallte durch die Boxen, es wurde getanzt, getrommelt und gepfiffen. „Beim Streiken darf man auch Spaß haben“, sagte sie zu den über 1000 Beschäftigten, die sich am Freitag zu einer Protestkundgebung vor der Kauflandzentrale in Neckarsulm versammelten.
Die Streikenden kamen aus etlichen Kaufland-Filialen in Baden-Württemberg sowie Bayern, Rheinland-Pfalz und dem Saarland nach Neckarsulm. Auch Mitarbeiter von Galeria Karstadt Kaufhof und H&M Heilbronn leisteten solidarischen Beistand.
Streikende vor Kauflandzentrale und ihre Forderungen
Sebastian Beierl, der im Kaufland in Bietigheim-Bissingen als Einzelhandelskaufmann arbeitet, kritisierte, dass die Branche während der Corona-Pandemie durch Hamstereinkäufe und Co. eine Menge Geld gemacht habe, bei den Mitarbeitern davon aber so gut wie nichts angekommen sei. "Wie die Pflegekräfte wurde auch für den Einzelhandel applaudiert, mittlerweile heißt es Mund halten und weitermachen", so der 38-Jährige.
Die Schwestern Despina und Maria Paraskevaidou, die in Leonberg bei Kaufland im Backshop beschäftigt sind, pflichteten dem bei. An Sparen sei nicht zu denken. Beide haben eine Familie mit zwei Kindern. Urlaub sei seit Jahren nicht mehr drin. "Das Leben ist zu teuer geworden."
Angebot von Arbeitgebern "als Provokation wahrgenommen"
Verdi in Baden-Württemberg fordert unter anderem eine Erhöhung der Entgelte um 15 Prozent für eine Laufzeit von zwölf Monaten, eine Anhebung der Ausbildungsvergütungen um monatlich 200 Euro sowie eine Verdoppelung der Sozialzulagen. Das von den Arbeitgebern vorgelegte, zweite Angebot sei weit weg von einer möglichen Einigung, sagte der Verdi-Verhandlungsführer Wolfgang Krüger. "Bei den Beschäftigten wird es als viel zu niedrig und als Provokation wahrgenommen."
Auch Landesbezirksleiter Martin Gross betonte, dass die Arbeit im Einzelhandel mehr Respekt verdiene. "Die Inflation mag zurückgehen, aber die Preise bleiben oben, und der Lohn hinkt hinterher." Viele könnten sich inzwischen die Produkte im eigenen Laden nicht mehr leisten und müssten täglich Kunden gegenüber die gestiegenen Preise rechtfertigen. Aus der Pressestelle von Kaufland heißt es zu den Streiks, dass sie eine legitime Möglichkeit für Arbeitnehmer seien, ihre Forderungen zum Ausdruck zu bringen. "Selbstverständlich respektieren wir die Teilnahme unserer Mitarbeiter." Seit April laufen die Tarifverhandlungen im deutschen Einzelhandel.
Arbeitgeber zum Umdenken veranlassen
Auch im Groß- und Außenhandel wurde in den vergangenen Tagen zum Streik aufgerufen, um "die Arbeitgeber zum Umdenken zu veranlassen", so Gewerkschaftssekretärin Caroline Kirchhoff. So haben in der vergangenen Woche die Beschäftigten des Edeka-Lagers in Ellhofen die Arbeit ganztägig niedergelegt. Am Donnerstag folgten Mitarbeiter des Kaufland-Fleischwerks in Möckmühl.