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Abendvorlesung "Medizin hautnah" zum Thema "Operation als letzte Option"

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Wenn Knie und Hüfte nicht mehr mitmachen, ist eine Operation erst eine Option, wenn Knochen schon auf Knochen reibt. Die Fortschritte in der Endoprothtik sind dennoch schon revolutionär.

 Foto: pixdesign123

Am Anfang steht eine Zahl. 420.000. Wohl gemerkt pro Jahr. "Das ist nicht mein Gehalt", sagte Dr. Burkard Schropp am Dienstagabend bei der 46. Abendvorlesung "Medizin hautnah" unter der Pyramide der Kreissparkasse Heilbronn. Es sei die Anzahl der neuen Hüft- und Kniegelenke, die im Jahr 2019 in Deutschland eingesetzt wurden, klärte der Chefarzt der Sektion Endoprothetik am SLK-Klinikum am Plattenwald in Bad Friedrichshall die Zuhörer im Saal und im Livestream auf. Das veranlasste ihn zu Beginn seines Vortrages "Wenn Knie und Hüfte nicht mehr mitmachen - Therapien gegen den Schmerz" zu der Frage: "Wird zu viel operiert?"

Wenn Knochen auf Knochen reibt: Dr. Burkhard Schropp erläuterte den über 300 Zuhörern bei der 46. Abendvorlesung Ursachen und Folgen einer Arthrose.
Wenn Knochen auf Knochen reibt: Dr. Burkhard Schropp erläuterte den über 300 Zuhörern bei der 46. Abendvorlesung Ursachen und Folgen einer Arthrose.  Foto: Veigel, Andreas

Die Antwort darauf stellte Schropp nach hinten. Im Gespräch mit Moderatorin Iris Baars-Werner räumte der Mediziner, der nach eigener Auskunft in besten Zeiten schon bis zu 500 Eingriffe im Jahr vorgenommen hat, aber ein: "Es ist schon sehr viel." Alternativen - konservative Methoden zur Verhinderung einer Operation - würden seiner Meinung nach noch wie ein Stiefkind behandelt. Sein Credo lautet deswegen: So spät wie nur irgendmöglich operieren. Die OP als letzte Option. Erst wenn Knochen auf Knochen reibt.

Die Selbstheilungskräfte des Körpers sind nicht zu unterschätzen

"Mindestens ein halbes Jahr Beschwerden, vorher würde ich nicht operieren", sagte Burkhard, der auch mal Patienten abweist. Er berichtete von einem Fall zu Beginn der Coronazeit, als Operationen zeitweise nicht möglich waren. Als das Klinikum den Patienten nach drei Monaten wieder anrief, um mit ihm das weitere Vorgehen zu besprechen, hatten sich die Schmerzen von alleine erledigt. "Man darf die Selbstheilungskräfte des Körpers nicht unterschätzen", sagte Schropp.


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Dafür machten seine Zahlen in Bezug auf Arthrose - der langsam fortschreitenden Gelenkzerstörung, der häufigsten Ursache für eine Operation - weniger Hoffnung. Mit 35 Jahren bereits haben bis zu 50 Prozent der Menschen wenigstens in einem Gelenk Arthrose. Mit 50 bis 60 Jahren gehe es dann richtig los, berichtete der Mediziner. Frauen seien häufiger betroffen. "Das ist der Ausgleich dafür, dass sie länger leben", scherzte Schropp. "Oder anders gesagt: Männer sterben gesünder." Zumindest in Bezug auf die Gelenke. Die seien bei Frauen schlichtweg gewichtsempfindlicher.

Irgendwann ist der Punkt erreicht, an dem kein Weg um eine Operation herum geht

Dr. Burkhard Schropp
Dr. Burkhard Schropp  Foto: Veigel, Andreas

Bei Frauen und Männern ist das Leitsymptom bei Arthrose dasselbe: Schmerz. Anfangs nur bei erhöhter Belastung. Danach beim Anlaufen nach langem Sitzen. "Wenn sie nach drei Stunden im Besen zum Klo müssen, tun die ersten drei, vier Schritte weh", beschrieb Schropp anschaulich. "Lieber ein Viertele mehr trinken, dann tut es weniger weh", sagte der Mediziner im Spaß. Auch die hinzukommende Wetterfühligkeit könne man zum Beispiel auf Gran Canaria gut umgehen. "Leider zahlen das die Krankenkassen nicht", sagte Schropp. Wenn am Ende Schmerzen nachts sowie in Ruhe hinzukommen, sei irgendwann der Punkt erreicht, an dem es um eine Operation nicht mehr herumgeht.

Zumal auch physikalische Therapien irgendwann ausgereizt seien. "Man kann sich da austoben, das macht Spaß. Aber der positive Nutzen ist limitiert", meinte Schropp. Auch Schmerzmittel helfen nur vorübergehend, seien keine Dauerlösung. "Ich bin immer wieder überrascht, wie lange und vor allem wie viel manche Menschen von diesen Mitteln in sich reinfüllen können, ohne Nebenwirkungen zu haben", sagte Schropp und mahnte zur Vorsicht. Noch einmal mehr, falls das Herz vorbelastet sei. Glykosamine würden nur in der frühen Phase helfen. Und Kortison nur bei einem akuten Arthroseschub. "Es kann sie zurückbeamen in einen Zustand, den man leichter ertragen kann."


Das Video zum Nachschauen

Die Abendvorlesung-Reihe "Medizin hautnah" wurde am Dienstag, 15. März, im Livestream übertragen. Hier gibt es das Video zum Anschauen. Dazu auf "Akzeptieren" klicken.

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Fortschritte in der OP-Technik und der Nachbehandlung waren fast revolutionär

Andere Methoden wirkten sich in erster Linie schmälernd auf den Geldbeutel der Patienten aus. "Arthrose ist unheilbar", machte Burkhard Schropp deutlich. Dennoch ermunterte er dazu, frühzeitig, also wenn es zwickt, schon zum Arzt zu gehen. Die meisten Patienten kämen recht spät - und es komme nur noch ein Gelenkersatz infrage. Während im Bereich der Endoprothesen im vorletzten Jahrzehnt der größte Sprung gelungen war, seien bei der OP-Technik und der Nachbehandlung zuletzt Fortschritte erzielt worden. "Das war fast revolutionärer als die technische Entwicklung." War früher alles noch kompliziert, sei es heute "viel fluffiger" - bessere Narkosen und Techniken, keine großen Schnitte, keine Wund-Drainagen.

Es handele sich dabei um eine smarte Operation, in 40 Minuten sei alles vorbei. Dank moderner Hilfsmittel wie eines Extensions-Tischs ächze und stöhne auch im OP niemand mehr wegen langer Haltearbeiten. "Da ist am Tisch jeder gut gelaunt und man muss bei keinem den Schweiß abtupfen."

Autofahren und Sex sind bald wieder möglich

Seine Operationsmethode bezeichnet Schropp als liebevoll, gerade beim vorderen Zugang zum Hüftgelenk würden Nerven- sowie Muskeleinheiten respektiert. "Es ist ein würdevoller Umgang mit dem Gewebe des Patienten", erklärte der Chefarzt. Die Folge: Patienten können mitunter drei Stunden nach dem Eingriff schon wieder ohne Krücken gehen, bleiben selten länger als drei, vier Tage im Krankenhaus.

Selbst Autofahren sei zeitnah wieder möglich, beantwortete Schropp eine häufige Patientenfrage, die Baars-Werner an ihn weitergab. Am Ende aber eine individuelle Entscheidung. Gleiches gelte für Sex. "Es hängt auch von den Vorlieben ab", sagte er schmunzelnd. "Man sollte im Eifer des Gefechts nur aufpassen, dass man keinen Schaden anrichtet." Es langsam angehen zu lassen, sei nicht die schlechteste Idee. Einen wichtigen Tipp hatte Schropp aber noch: "Patienten mit einer Knie-OP sollten lieber unten liegen, die mit einer Hüft-OP oben."

Risiken bleiben

Bei allen medizinischen Fortschritten: Jeder operative Eingriff birgt Risiken. "Das wollen und können wir nicht wegdiskutieren", sagt Schropp. Die allermeisten Patienten gingen aber "wie ein Messer durch die Butter" durch die OP. In Bezug auf Klinikkeime habe es in den vergangenen drei Jahren einen Fall gegeben. Da aber keine Drainagen mehr verwendet werden, seien Wund-Infektionen kein großes Thema mehr. map

 
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