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Heilbronn startet städtisches Nachrichtenportal – Frage nach journalistischem Anspruch

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Die Pressestelle der Stadt Heilbronn umfasst inzwischen 12,85 Stellen. Zeitungsverleger kritisieren den Ausbau der kommunalen Pressestellen. Diese erwecken den Eindruck, es handele es sich um unabhängige Informationen.


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Mitten im Sommerloch, von dem die Presse gerne spricht, wenn im Land die großen Ferien angebrochen sind, hat die Stadt Heilbronn ein neues Nachrichtenportal auf ihrer Webseite gestartet. "Die neue Plattform versteht sich dabei als digitales Stadtmagazin mit journalistischem Anspruch", heißt es in der Mitteilung, die die Pressestelle der Verwaltung zum Start am 5. August verschickt hat. Es ist längst in Mode gekommen, dass deutsche Städte versuchen, ihr Image und ihre Außendarstellung aufzupolieren und dafür auch viel Geld ausgeben. So auch in Heilbronn.

Pressestelle der Stadt Heilbronn umfasst offiziell 12,85 Stellen

Denn auch in der Käthchenstadt sind eigenständige Redaktionen auf kommunaler Seite entstanden, die auf unterschiedlichen Kanälen kommunizieren und verschiedene Kampagnen sowie Videoformate entwickeln. So umfasst allein die Pressestelle der Stadtverwaltung, die im November 2022 in Stabsstelle Kommunikation umbenannt wurde, inzwischen offiziell 12,85 Stellen. "Die tatsächliche Besetzung liegt derzeit bei 11,35 Stellen", betont Leiterin Suse Bucher-Pinell. Im Jahr 2015 gab es noch acht Stellen in der Pressestelle. Der Zuwachs erkläre sich aber hauptsächlich durch eine Neuordnung der Stabsstelle.

Durch Aufgabenerweiterungen seien zwei Stellen für Bürgerbeteiligung und 1,85 Grafikerstellen zur Stabsstelle hinzugekommen. "Neu geschaffen wurde nur eine Stelle für digitale Kommunikation", ergänzt Suse Bucher-Pinell. Die technische Umsetzung der Webseite kostete die Stadt rund 10.000 Euro. Die Personal- und Sachkosten der Stabsstelle Kommunikation belaufen sich jährlich auf 1,43 Millionen Euro.

Im Rathaus Heilbronn möchte man die Bürger der Stadt gut informieren. Aber wie neutral kann das über eigene Kanäle funktionieren und wo sind Grenzen?
Foto: Ralf Seidel
Im Rathaus Heilbronn möchte man die Bürger der Stadt gut informieren. Aber wie neutral kann das über eigene Kanäle funktionieren und wo sind Grenzen? Foto: Ralf Seidel  Foto: Ralf Seidel

Stadtsiedlung Heilbronn, HNVG und Stadtwerke verfügen über eigene über Presse-Mitarbeiter

Pressestellen gibt es jedoch auch bei den städtischen Töchtern. So verfügen die Stadtsiedlung, die HNVG und die Stadtwerke über Presse-Mitarbeiter. Die Heilbronn Marketing GmbH (HMG) hat sogar einen von Nicole Maier geleiteten eigenen Geschäftsbereich Marketing und Kommunikation mit insgesamt sieben Personen sowie einer freien Mitarbeiterin.

HMG-Chef Steffen Schoch spricht auf Anfrage von lediglich 0,49 Stellen, die er einer Pressestelle zuordnet. Konkret nennt er "ein Drittel der Arbeitszeit der Leiterin und etwa ein Drittel der Arbeitszeit einer Halbtageskraft". Eine zumindest eigenwillige Interpretation, schließlich firmiert Maier auch offiziell als Pressesprecherin der HMG. Zu den Kosten des Geschäftsbereichs nennt Schoch Sachkosten von 585 000 Euro, zu den Personalkosten macht er keine Angaben.

Im Heilbronner Gemeinderat war die Neuausrichtung des städtischen Nachrichtenportals bisher noch kein Thema. "Die Information der Öffentlichkeit ist Geschäft der laufenden Verwaltung und bedarf keiner Zustimmung des Gemeinderats", teilt Sprecherin Suse Bucher-Pinell dazu auf Anfrage mit. Diskutiert wurde das Thema aber vielfach in der Stadt und unter den Mandatsträgern.

Nachrichtenportal der Stadt Heilbronn: Oberbürgermeister Mergel nimmt Stellung

Blickt man auf das neue städtische Nachrichtenportal, sorgt die journalistische Ausrichtung der Webseite für Diskussionen. Denn es gibt klare Grenzen, die der Bundesgerichtshof gezogen hat, was zur Informationspflicht von Kommunen gehört und was nicht. Sie müssen sich auf Themen beschränken, die dem kommunalen Aufgabenbereich zuzuordnen sind.

Nach der Gemeindeordnung im Land ist es zwar auch eine zentrale Aufgabe der Stadt, die Bürger umfassend über die Arbeit der Stadtverwaltung zu informieren. Eine allgemeine Berichterstattung über andere Themen gehört nicht dazu. "Wir informieren über verschiedene Kanäle. Unser Newsportal auf unserer Webseite ist einer davon, mit dem wir die Bürgerinnen und Bürger auf dem Laufenden halten über unsere Arbeit", nimmt Oberbürgermeister Harry Mergel Stellung.

Städtische Presseportale: Journalistische Ausrichtung steht in der Kritik

Städtische Pressestellen erwecken immer wieder den Eindruck, bei ihrer Arbeit handele es sich um unabhängige Informationen. Das ist diese Arbeit aber gerade nicht, denn die Verlautbarungen stellen grundsätzlich die eigene Verwaltung kritiklos in ein helles Licht. Deshalb sieht der Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) diese Entwicklungen auch mit großer Sorge. "Wenn Verwaltungen sich als scheinbar neutrale Quellen inszenieren, untergräbt das die Glaubwürdigkeit unabhängiger Medien - und entzieht ihnen das Publikum", betont Stefan Hilscher, Vorstandsvorsitzender des BDZV, in einem Interview mit den "Nürnberger Nachrichten".

"Die Pressefreiheit wird ausgehöhlt, demokratische Transparenz geht verloren", so Hilscher. Städte kämen schnell an rechtliche Grenzen, wenn mit Steuergeldern Presseportale betrieben werden, die einen journalistischen Anspruch erwecken. Das haben Gerichte mehrfach klargestellt. So mussten Gerichte in Crailsheim und im mittelbayerischen Veitsbronn klarstellen, was die dortigen Amtsblätter dürfen und was nicht, nachdem Tageszeitungen geklagt hatten und in beiden Fällen Recht bekamen.

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