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Ausstellungsstück im Audi-Museum: Prototyp des VW-Käfer kommt aus Neckarsulm

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Audi hätte 1934 in die Produktion des Volkswagens einsteigen können. Der von Professor Ferdinand Porsche konstruierte Prototyp ist derzeit im Audi-Forum zu sehen.

Die Linie des Urkäfers wurde von Erwin Komenda entworfen. Der nach einigen Wirren einzige noch erhaltene Prototyp wurde 1933/34 in Neckarsulm und Weinsberg zusammengebaut. Bei der Probefahrt im Juli 1934 erreichten die damals schon Volkswagen titulierten Fahrzeuge überzeugende 90 Stundenkilometer.
Die Linie des Urkäfers wurde von Erwin Komenda entworfen. Der nach einigen Wirren einzige noch erhaltene Prototyp wurde 1933/34 in Neckarsulm und Weinsberg zusammengebaut. Bei der Probefahrt im Juli 1934 erreichten die damals schon Volkswagen titulierten Fahrzeuge überzeugende 90 Stundenkilometer.  Foto: Groß: Audi, klein: Unternehmensarchiv der AUDI AG, Collage: stimme.de

Anno 1934 hätte NSU die Chance gehabt, den Volkswagen zu produzieren. Professor Ferdinand Porsche konstruierte den Prototyp 32, den er zuvor schon Zündapp in Nürnberg angeboten hatte. Hier wie da fehlte es aber am Geld, schreibt Klaus Arth in dem Buch "NSU Automobile". Der Vorläufer hatte noch einen wassergekühlten Sternmotor mit fünf Zylindern, der im Praxistest versagte. Der Neckarsulmer Prototyp war der erste mit luftgekühltem Boxermotor, der daher als "Ur-Käfer" bezeichnet werden darf (Anmerkung: Der Tatra V 570 von Hans Ledwinka aus dem Jahr 1933 gilt als der eigentliche Ahnherr.)

Auch wenn der Volkswagen nicht in Neckarsulm gebaut wurde, hat er doch hier seine Wurzeln. Äußerlich erinnerte die von Erwin Komenda entworfene Linie schon sehr an den "Kugel-Porsche": Vorne die große Klappe und die runden Augen als Scheinwerfer, hinten das geschwungene Heck, das den Motor beherbergt. Angeblich soll die "New York Times" als erste für das kleine, kugelrunde Fahrzeug in einem Artikel den englischen Begriff "Beetle" (deutsch: Käfer) verwendet haben.

Ursprünglicher Volkswagen aus Neckarsulm fuhr 90 Stundenkilometer

Bei der Probefahrt im Juli 1934 erreichten die damals schon Volkswagen titulierten Fahrzeuge überzeugende 90 Stundenkilometer. Gerne hätte man den Kleinwagen gebaut, weil man nach der Trennung von Fiat ins vierrädrige Segment einsteigen wollte. Das Werk in Neckarsulm war aber voll ausgelastet. Nach der wirtschaftlichen Flaute war man bei NSU froh, dass Motorräder und Fahrräder wieder gefragt waren.

Für die gewünschten Kapazitäten von 50 .000 Fahrzeugen im Jahr und dem anvisierten niedrigen Preis von 900 Reichsmark wären in Neckarsulm Investitionen von 15 bis 20 Millionen Reichsmark nötig gewesen. Die Banken sagten "Nein!" Der Rest ist Geschichte: Der Volkswagen wurde in Wolfsburg zum Erfolgsmodell mit weltweit über 21 Millionen Fahrzeugen.

Es ist einer − oder gleich mehreren − glücklichen Fügungen zu verdanken, dass einer von den insgesamt drei Prototypen überlebte. Ein Versuchswagen bekam von der Stuttgarter Karosseriefirma Reutter sein Stahl-Gewand, einer wurde bei Drauz in Heilbronn gebaut, und der dritte, noch erhaltene, ist bei den Karosseriewerken Weinsberg entstanden.

"Ich fuhr den Prototyp NSU Volkswagen" – Magazin berichtet 1965

Im NSU-Magazin "Intern" von 1965 berichtet der frühere Werkmeister Karl Schröder: "Ich fuhr den Prototyp NSU Volkswagen". Zunächst sei der Wagen von Ingenieur Oswald Rudolf Fritz, dem Konstrukteur der "Ural Baumsäge" täglich für die Strecke zwischen Löwenstein und Neckarsulm genutzt worden. Nach Kriegsbeginn wurde Ende 1939 das "historisch wertvolle Stück" mit anderen Rennwagen und Konstruktionszeichnungen aus Sicherheitsgründen in Schloss Friedrichsruhe bei Öhringen eingelagert.

Beim Wiederaufbau nach 1945 habe man andere Sorgen als die "Museumsstücke" gehabt. Der NSU-Prototyp sei nur noch ein "teildemontierter Blechhaufen" gewesen, so Karl Schröder. Da die Zuteilung eines Volkswagens aber aussichtslos war, begann der Werkmeister im Frühjahr 1949 mit der Restaurierung. "Es war mir nicht bewusst, welch ehrwürdigen Ahnherrn ich erworben hatte. Vielmehr war für mich der preisgünstige fahrbare Untersatz maßgebend."

Neckarsulmer VW erregt viel Aufsehen

Nach "einigem Hin und Her" waren neue Scheinwerfer montiert, die passenden Reifen gefunden und auch ein Tachometer ließ sich einbauen. Der generalüberholte Motor startete beim ersten Drehen des Zündschlüssels. "Überall wo ich hinkam, erregte mein NSU-VW Aufsehen", berichtete Karl Schröder 1965.

Obwohl der Typ 32 noch anstandslos 115 Stundenkilometer auf der Autobahn schaffte, wechselte Schröder 1953 zu einem nagelneuen Käfer, den ihm der damalige VW-Generaldirektor Heinrich Nordhoff angeboten hatte. Dieser hatte den historischen Wert des Prototypen erkannt und wollte den Prototyp für VW sichern. "Das war für mich kein schlechter Tausch, immerhin gab es ja keine Ersatzteile mehr." Und es habe ihn gefreut, so Schröder in dem Bericht abschließend, dass "sein Auto" doch noch einen ehrenvollen Platz im Museum erhalten hat.


Der Prototyp ist noch bis 5. Mai im Audi-Forum Neckarsulm (Montag bis Freitag von 8 bis 16 Uhr, Eintritt frei) im Rahmen der Ausstellung Innovation.Wagemut.Transformation − 150 Jahre NSU in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Zweirad- und NSU-Museum Neckarsulm zu sehen.

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