Nachwuchslehrer fehlen: Weniger Referendare wollen an die Gymnasien
Nach den Weihnachtsferien werden in Heilbronn wieder Referendare vereidigt. Die Verantwortlichen erwarten einen Rückgang der Ausbildungszahlen.
Die Personalsituation an Schulen liegt im Argen, drastisch ist die Entwicklung an Gymnasien: Am Montag nehmen die neuen Referendare am Seminar für Ausbildung und Fortbildung der Lehrkräfte an Gymnasien in Heilbronn ihre Arbeit auf. Mit knapp über 80 Personen rechnen die Verantwortlichen, damit rutscht in Heilbronn die Zahl angehender Lehrer an Gymnasien erstmals seit 2008 unter die Marke von 100. "Wir steuern auf einen gravierenden Lehrermangel zu", sagt Martina Geiger, die das Seminar für Gymnasiallehrer in Heilbronn leitet.
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft sieht keine Trendwende
Auch an beruflichen Schulen sinken die Ausbildungszahlen. Unterdessen steigen laut Kultusministerium an den übrigen Schularten die Zahl der Personen, die voraussichtlich in diesem Schuljahr in den sogenannten Vorbereitungsdienst beginnen werden. Die "moderate Steigerung" lässt Harald Schröder von der Gewerkschaft Erziehung (GEW) keine Entwarnung geben. 25 bis 30 Prozent mehr Interessierte bräuchte man, um eine Trendwende hinzubekommen, so der GEW-Sprecher im Kreis Heilbronn.
Direktoren bedauern, dass Lehrerberuf nicht attraktiver gemacht wird
An Gymnasien ist die Not groß. Pflichtunterricht könne abgedeckt werden, sagt Marco Haaf, der in der Region die Schulleiter an Gymnasien als Sprecher vertritt. Nur: Wolle man Schule lediglich als Aufzählung der Fächer Deutsch, Mathe oder Englisch verstehen?, fragt der Direktor des Neckarsulmer Albert-Schweitzer-Gymnasiums. Gehöre aber nicht auch noch Chor, Orchester und die Handball-AG zum Schulalltag? Wenn man Bildungsstätten mit dem weiteren Begriff versteht, dann sieht es für Marco Haaf düster aus. "Das macht mir ungemein große Sorgen", sagt er. Die jüngste Entwicklung bei den angehenden Lehrern ist für ihn allerdings keine Überraschung. Er sehe "keine große Anstrengung", den Lehrerberuf attraktiver zu gestalten. "Es ist keine Trendwende in Sicht."
Verantwortliche in Heilbronn sprechen vom gravierendem Rückgang an Referendaren
Deutlich äußert sich auch Martina Geiger vom Seminar in Heilbronn. Der Rückgang sei gravierend, sagt sie mit Blick auf landesweite Zahlen, die ihr vorliegen. Im Jahr 2017 hat es demnach fast 2850 Bewerbungen gegeben und 2140 Zusagen, seither ist die Tendenz rückläufig. Im Jahr 2022 habe es noch 1650 Bewerbungen um ein Referendariat und 1320 Zusagen gegeben, für das laufende Jahr sind es noch 1330 Interessierte. Wie viele davon tatsächlich kommen, ist erst mit Kursbeginn am Montag klar. Bei den Zahlen aus dem Kultusministerium sieht es noch düsterer aus: Zum Vorbereitungsdienst an Gymnasien werden dieses Jahr 1085 Personen erwartet.
Referendare gesucht: Für viele Schulleitungen sieht es bitter aus
Die Zahlen spiegeln nur den statistischen Teil der Misere an Gymnasien wider. Letztendlich fehlt mit jedem einzelnen Referendar eine Person, die ein bestimmtes Fach unterrichtet. In manchen Fächern wird der Nachwuchs händeringend gesucht. Laut Martina Geiger wünschten sich Schulleiter unter anderem Referendare in den Fächern Mathematik, Physik, Ethik, Sport weiblich, Bildende Kunst, Chemie, Deutsch und Musik. Doch die kann sie nicht allen Schulen in ihrem Zuständigkeitsbereich bieten. Beispiel Kunst: An 26 Gymnasien wären Referendare sehr willkommen, nur zwei angehende Lehrer werden am Montag erwartet. In Deutsch bitten 32 Schulen um Nachwuchs, 13 Referendare sollen es zu Dienstbeginn am Montag sein. Für Physik gibt es überhaupt keine Zusage. "Für Schulleitungen ist es ganz bitter", weiß Martina Geiger.
Rein formal ist das Regierungspräsidium in Stuttgart dafür zuständig, freie Lehrerstellen an Gymnasien in der Region zu besetzen. Das Seminar gilt allerdings für Schulleiter als eine genauso wichtige Anlaufstelle: Sind Referendare erst einmal an einer Schule angekommen, finden sie meist am Standort gefallen und bleiben.