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Nach Paketbombenexplosionen: Rentner beteuert seine Unschuld

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Der Prozess gegen einen Rentner aus Ulm wegen explodierter Paketbomben hat vor dem Heidelberger Landgericht begonnen. Durch eine der Bomben wurden auch drei Lidl-Mitarbeiter verletzt. Doch ist der Standpunkt des 66-Jährigen klar.

von Alexander Klug
Der Angeklagte Klaus S. sitzt zwischen seinen Rechtsanwälten Dr. Jörg Becker (links) und Steffen Lindberg auf der Anklagebank im Saal des Heidelberger Landgerichts.
Foto: dpa
Der Angeklagte Klaus S. sitzt zwischen seinen Rechtsanwälten Dr. Jörg Becker (links) und Steffen Lindberg auf der Anklagebank im Saal des Heidelberger Landgerichts. Foto: dpa  Foto: Uwe Anspach

Als Mitarbeiter von Lidl in Neckarsulm und ADM Wild in Eppelheim zwei Pakete öffnen, gibt es zwei Explosionen. Die selbstgebastelten Sprengsätze soll ein Rentner aus Ulm hergestellt und verschickt haben – ihm wird dafür jetzt vor dem Heidelberger Landgericht der Prozess gemacht. Während ihm die Staatsanwaltschaft das Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion, gefährliche Körperverletzung und versuchte schwere Körperverletzung vorwirft, streitet der 66-Jährige jegliche Beteiligung daran ab.

Schnitte an den Händen und im Gesicht, ein Piepen in den Ohren, Schwindelgefühl, eine Panikattacke, Schlafprobleme, Medikamente. Bis heute belaste ihn das Erlebnis, erzählt der Wild-Mitarbeiter – das Unternehmen im nordbadischen Eppelheim ist für das Getränk Capri-Sonne bekannt. „Da war plötzlich die Hölle los, alles schwarz und voller Rauch“, sagt der 44-Jährige. Post ohne genauen Adressaten zu öffnen sei seine Aufgabe, seit 25 Jahren. Bevor er sprechen kann, ringt er um Fassung und wischt sich Tränen aus den Augen.

 


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Es drohen ihm bis zu 15 Jahre Haft

Im Februar explodierten zwei Sendungen, als Mitarbeiter von Lebensmittelhändlern sie öffneten − ein Paket bei Lidl in Neckarsulm.
Foto: Archiv/Hoffmann
Im Februar explodierten zwei Sendungen, als Mitarbeiter von Lebensmittelhändlern sie öffneten − ein Paket bei Lidl in Neckarsulm. Foto: Archiv/Hoffmann  Foto: Klug

Oberstaatsanwalt Lars-Jörgen Geburtig hält die Indizien für zugkräftig. „Auch das Gericht hat sie offenbar für gewichtig genug gehalten, um das Verfahren zuzulassen.“ Ob sie am Ende für eine Verurteilung ausreichen, müsse nun geprüft werden – in diesem Fall drohen dem Angeklagten zwischen bis zu 15 Jahre Haft.

Der Mann habe in Kauf genommen, erläutert der Staatsanwalt, dass Menschen schwer verletzt werden, Gliedmaßen, Sehvermögen oder Gehör verlieren. Bei dem Mann zu Hause sei zudem Munition gefunden worden, die er nicht besitzen durfte. Er habe die Sendungen unter Androhung weiterer Gewalttaten gegen Mitarbeiter oder Kunden geschickt. So habe der Mann Geld von den Firmen erzwingen wollen.

Unterstützung findet der Staatsanwalt in Anke Stiefel-Bechdolf. Die Heilbronner Strafrechtsexpertin vertritt die Geschädigten Lidl-Mitarbeiter als Nebenkläger – die Schwarz-Gruppe habe sie im Vorfeld des Prozesses kontaktiert. „Es ist erstaunlich, wie sich dringender Tatverdacht und kein Tatverdacht gegenüberstehen“, sagt sie in einer Prozesspause. Entscheidend sei nun die Bewertung der Indizien.

"Ich bin unschuldig"

Ganz anders sehen das die Rechtsanwälte Steffen Lindberg und Dr. Jörg Becker, gemeinsam verteidigen sie den Ulmer Rentner. „Ich bin nicht die von Ihnen gesuchte Person. Ich bin nicht die Person auf dem Video aus der Postfiliale“, sagt der Angeklagte in einer Erklärung, die er von einem Blatt abliest. „Ich bin unschuldig und hoffe auf Gerechtigkeit.“ Er habe noch nie anderen Menschen Schaden zugefügt und noch nie mit der Justiz zu tun gehabt, beteuert er mit fester Stimme. Die Justiz wolle ihn mit großem Aufwand „zerstören“.

 


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Dass er in der Zeit, in der die Überwachungskamera den Täter filmte, alleine zu Hause gewesen sein will, sieht sein Verteidiger unproblematisch. „Nicht wir müssen seine Unschuld beweisen, sondern die Staatsanwaltschaft sein Schuld.“ Aus seiner Sicht sei das kaum möglich, denn es gebe zwar einige Indizien – diese hätten aber nichts mit seinem Mandanten zu tun. „Die Spuren passen nicht zum Angeklagten.“ Üblicherweise würde ein Verfahren bei einer solchen Sachlage eingestellt. „Aber man hat es trotzdem vorangetrieben und will unbedingt einen Schuldigen.“ Kritisch sei nicht nur, dass sein Mandant seit sieben Monaten unschuldig in Untersuchungshaft sitze. „Der wahre Täter läuft noch frei herum.“

Absender-Angaben liefern Hinweise

Beim Getränkehersteller Wild fragte die Polizei nach der Explosion nach früheren Drohungen und frustrierten entlassenen Mitarbeitern, wie ein Polizeibeamter vor Gericht sagt. Aber – kein Zusammenhang. Durch die Absender auf den Paketen finden die Polizisten heraus, dass nicht nur die zwei explodierten Pakete aufgegeben wurden, sondern auch das dritte an Hipp. „Das war das zweite Mal, dass das Adrenalin hochgegangen ist“, sagt der Beamte im Zeugenstand. Auf den Paketen standen Namen von Frauen, die es nicht gibt, die Adressen gehörten zu Studentenwohnheimen in Ulm, Augsburg und München.

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