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Nach DHBW-Streit: Heilbronn darf IT-Studiengänge anbieten

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Der Streit mit Mosbach ist beigelegt: Wachstum auf dem Bildungscampus darf nicht auf Kosten des Nachbarn gehen. Die Digitalisierung kann nun aber an beiden Standorten eine zentrale Rolle spielen.

Die DHBW auf dem Bildungscampus in Heilbronn: Hier sollen in den nächsten Jahren viele neue Studienplätze entstehen. Allerdings soll es keine Verlagerung von Kapazitäten aus Mosbach geben. 
Foto: Christian Gleichauf
Die DHBW auf dem Bildungscampus in Heilbronn: Hier sollen in den nächsten Jahren viele neue Studienplätze entstehen. Allerdings soll es keine Verlagerung von Kapazitäten aus Mosbach geben. Foto: Christian Gleichauf  Foto: Gleichauf, Christian

Die Konkurrenzklausel, die den DHBW-Standort Mosbach vor dem Nachbarn Heilbronn schützen soll, bleibt bestehen. Allerdings wurde an einem runden Tisch in Stuttgart am Dienstagabend die Formulierung so angepasst, dass Heilbronn weitere Entwicklungsmöglichkeiten offenstehen. Vor allem im Bereich Wirtschaft bekommt die Einrichtung auf dem Bildungscampus neue Freiheiten.

Die einstige Außenstelle wächst schnell

Die Gräben zwischen den zwei Studienakademien waren tief, nachdem sich der einstige Ableger Heilbronn von seinem Mutter-Standort abgenabelt hatte. Vor allem die Lokalpolitik in Mosbach machte das Thema zu einer Grundsatzfrage über die Zukunft des ländlichen Raums. Ministerin Theresia Bauer (Grüne) hatte sich schließlich im Vorfeld klar pro Heilbronn ausgesprochen. "Nach intensiven Gesprächen", wie es heißt, sind nun aber offenbar alle Verantwortlichen von ihren Maximalpositionen abgerückt und aufeinander zugegangen.

Das Resultat sieht so aus: Die Standorte Mosbach und Heilbronn entwickeln weiterhin eigene, sich nicht überschneidende Studienangebote und vermeiden so Konkurrenz. Eine gewisse Ausnahme gibt es insofern, dass im Studienbereich Wirtschaft eine Überschneidung nur auf Ebene der Studienrichtungen vermieden werden soll. Ansonsten gilt das Überschneidungsverbot auf Ebene der Studiengänge. Die DHBW Mosbach hat elf Studiengänge mit 27 Studienrichtungen, die DHBW Heilbronn die zwei Studiengänge BWL und Wein-Technologie-Management bei vier Studienrichtungen.

Rektorin Graf: Entwicklungsmöglichkeit erhalten

Neue Möglichkeiten

Die Einigung war für die DHBW Heilbronn so wichtig, weil jetzt noch für das Studienjahr 2020/21 mindestens zwei neue Angebote auf den Weg gebracht werden können: Zum einen ist das die BWL-Studienrichtung Digital Commerce Management, zum anderen der Studiengang Wirtschaftsinformatik, den es auch in Mosbach gibt. Hier greift die Ausnahmeregelung, dass sich im Wirtschaftsbereich nur die Studienrichtungen unterscheiden müssen: Heilbronn spezialisiert sich auf Business Engineering und Software Engineering, Mosbach bietet die Studienrichtung Application Management.

Nicole Graf, Rektorin der DHBW Heilbronn, begrüßt die Einigung: "Wir freuen uns, dass sich die DHBW Heilbronn damit weiterentwickeln kann, insbesondere im Bereich der Digitalisierung." Bereits im nächsten Jahr wolle sie - vorbehaltlich der Zustimmung der DHBW-Gremien - die Studiengänge BWL-Digital Commerce Management und Wirtschaftsinformatik anbieten. "Darüber hinaus ermöglicht uns die neue Regelung, gemeinsam mit unseren Partnern und der regionalen Wirtschaft unser Studienangebot bedarfsgerecht weiter auszubauen."

DHBW-Präsident Arnold van Zyl hatte im Vorfeld bereits betont, dass Angebote wie Wirtschaftsinformatik auch in Heilbronn einen Platz haben müssen. Er ließ keinen Zweifel daran, dass es digitale Angebote auch in Heilbronn geben muss, somit begrüßt auch er die Entscheidung: "Es ist Aufgabe der Dualen Hochschule, die Nachfrage der dualen Partner in der Region zu erfüllen."

Rektorin Jeck-Schlottmann: Viel Kraft und Zeit gekostet

Gabi Jeck-Schlottmann, Rektorin der DHBW in Mosbach, würde sich "sehr freuen, wenn dieses Thema damit einen Abschluss findet". Es habe viel Kraft und Zeit gebunden. "Beides hätte ich lieber als positive Energie in aufbauende Entwicklungen gesteckt." Insofern wäre ihr lieber gewesen, man hätte gar nicht darüber diskutieren müssen. "Dies wurde aber durch den Beschluss des Aufsichtsrats im Juli notwendig."

Derzeit studieren in Heilbronn 1300 junge Leute in den dualen Bachelor-Studiengängen. In Mosbach sind es 3030, inklusive der Außenstelle Bad Mergentheim 3560.


Kommentar: Veto-Macht

Erst einmal war wichtig, dass die konkurrierenden DHBW-Akademien Mosbach und Heilbronn aufeinander zugegangen sind. Anders hätte keine der Parteien ihr Gesicht wahren können. Zudem war das auch inhaltlich angesagt: Mosbach braucht als wirtschaftlich benachteiligtes Mittelzentrum im ländlichen Raum Unterstützung durch die Politik.

Heilbronn und die Wirtschaft in Heilbronn-Franken wiederum dürfen dadurch aber nicht ausgebremst werden. Die Herausforderungen sind zu groß. Da verbietet sich eine Zementierung des Status quo von vornherein.

Interpretationsspielraum kann gefährlich werden

Ob mit der neuen Regelung ein für alle Mal Ruhe einkehrt? Das ist nicht sicher. Zu vage ist der Begriff "überschneidende Studienangebote" in der neuen Konkurrenzschutzklausel. Mosbach bleibt damit Veto-Macht in Bezug auf die Heilbronner Ausbaupläne. Geht es den Nachbarn zu schnell, können sie Bedenken anmelden - und die gut eingespielte Lokalpolitik im Neckar-Odenwald-Kreis wird sich sicherlich wieder Gehör in Stuttgart verschaffen.

Spätestens dann muss das DHBW-Präsidium für klare Verhältnisse sorgen. Soll der hohe Norden Baden-Württembergs bei der Akademikerausbildung den Anschluss nicht verlieren, dann braucht es zwei starke Standorte - neben Mosbach eben auch Heilbronn.

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