Nach dem Tod von Lothar Hesser herrscht Betroffenheit
Lothar Hesser, der Wirt der legendären "Kernerhöhe" am Hauptfriedhof, ist nach einem Wespenstich gestorben. Viele seiner Gäste sind zutiefst betroffen - und hoffen, dass es in der Wollhausstraße 111 weitergeht.

Am Donnerstag ist beim Hessersbeck alles wie immer. Die Zeit scheint stehengeblieben zu sein. Auf der Terrasse spielen die Männer Skat, die Frauen sitzen daneben und vespern. Der Wirt kommt ans Fenster, wünscht guten Appetit. Plötzlich wird es hektisch. Bedienungen richten dem Chef ein Täschchen. Eine Wespe, so heißt es, habe ihn vorhin in die Wange gestochen, bei einer Apfelschorle.
Endlich. Das Taxi. Hesser steigt grüßend ein. Niemand kann sich in diesem Moment vorstellen, dass an der Wollhausstraße 111 bald alles anders ist. Um 20.30 Uhr ruft ein Arzt aus dem Klinikum Gesundbrunnen an. Noch am Abend verbreitet sich die Nachricht wie ein Lauffeuer, in der Wirtschaft, übers Telefon, über Online-Kanäle, viele können es kaum glauben. Lothar Hesser ist tot. Er starb am Donnerstag im Alter von 65 Jahren. Aus heiterem Himmel.
Eine Ära geht zu Ende

"Am Boden zerstört" ist Hanne Jacobi, die die Todesnachricht bereits um 21.30 Uhr ereilt. Die gebürtige Bayerin und Ehefrau von Uwe Jacobi zählt neben anderen Kulturschaffenden und Journalisten zu den Gründungsmitgliedern des legendären Montagsstammtischs an Tisch 5, zu dem irgendwann auch Sternekoch Lothar Eiermann aus Friedrichsruhe stieß. "Der gute Lothar Hesser war eine Institution, mit ihm geht eine Ära zu Ende", sagt Jacobi und spricht für viele.
Der Hessersbeck ist der Gegenentwurf zu Systemgastronomen, ein Relikt aus vergangenen Zeiten, wo der Wirt nicht aus Berechnung den Beruf ergriff, sondern weil er den Eltern unter die Arme greifen musste. Lothar Hesser wollte eigentlich die Verwaltungslaufbahn einschlagen − und sein Lokal heißt eigentlich Kernerhöhe, so wie es auf der alten Leuchtreklame steht, unweit des Hauptfriedhofs. Manche sprechen von "der letzten Tankstelle vor der Endstation", nicht erst beim Leichenschmaus, für den der Wirt so manche Trauergesellschaft spontan am Grab animieren konnte.
In Besitz der Familie Hesser kam das Lokal 1919 durch Lothars Großeltern Karl und Lydia. Der gastronomische Ehrentitel Beck rührt aus den Tagen, da hier noch eine Bäckerei angesiedelt war. Zum Mythos wurde der Hessersbeck durch Hessers Vater Heinz und seine westpreußische Mutter Helene. Multiplikatoren trugen dazu bei, dass sich das Lokal sogar in überregionalen Medien wiederfindet: in der "taz", in "Die Zeit", im "Geo Spezial".
Prominente Gäste waren zu Besuch
Vergilbte Fotos zeugen von prominenten Gästen: bis hin zum ehemaligen Wahl-Heilbronner Dieter Spöri und dem Linken Oskar Lafontaine, die "anderthalb Stunden zum Schnitzel-Essen da waren", wie Hesser gerne stolz mit seinem unnachahmlichen Charme und Wortwitz berichtete − um sogleich den nächsten Gast zu begrüßen. "Oh, die Sonne geht auf, Sawa Herr Intendant, Herr Weinpapst, Herr Direktor?"
Wenn es sein musste, konnte "der gute Lothar" auch fuchsteufelswild werden und unbequeme Gäste mit Missachtung strafen, schlimmer noch mit "Lokalverbot!".
Lokal soll weitergeführt werden

Viele Heilbronner sind tief betroffen, allen voran Oberbürgermeister Harry Mergel: "Lothar und sein Hessersbeck waren eine gastronomische und soziale Institution. Heimat im besten Sinne. Ich selbst bin privat, mit unserem Gemeinderat oder auch mit auswärtigen Gästen immer wieder gerne zu diesem Original gekommen." Und weiter: "Lothar war ein Heilbronner durch und durch, der intensiv an seiner Heimatstadt Anteil genommen hat. Sein Tod hinterlässt eine riesige Lücke in unserer Stadt."
Patrick Simons gehört zu den Stammgästen. Auch am Donnerstagabend hatte er sich in die Wollhausstraße aufgemacht − ohne Böses zu ahnen. "Die Nachricht hat mir den Boden unter den Füßen weggezogen", sagt der Musiker. Wie es nun weitergeht? Ein Stammgast teilte der Stimme am Freitagabend mit: "Verwandte wollen das Lokal im Sinne Lothars weiterführen, im bewährten Stil, schon ab September."