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Mobilitätskonzept in Heilbronn: Vorfahrt für alle geht nicht

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Mit dem Mobilitätskonzept 2030 soll mehr Klimaschutz und Lebensqualität in Heilbronn erreicht werden. Ganz konkret wird demnächst eine Brücke für Autos gesperrt und ein Tempolimit eingerichtet.

Stadtbahn, Auto, Bus, Radfahrer und Fußgänger: Die Allee in Heilbronn steht für das neue Nebeneinander der verschiedenen Verkehrsträger. Das Mobilitätskonzept der Stadt führt aus, wo die neuen Schwerpunkte gesetzt werden.
Foto: Mario Berger
Stadtbahn, Auto, Bus, Radfahrer und Fußgänger: Die Allee in Heilbronn steht für das neue Nebeneinander der verschiedenen Verkehrsträger. Das Mobilitätskonzept der Stadt führt aus, wo die neuen Schwerpunkte gesetzt werden. Foto: Mario Berger  Foto: Berger, Mario

Gestärkt werden sollen Bus, Bahn, Rad- und Fußverkehr. Aber auch der "Motorisierte Individualverkehr", sprich das gute alte Auto. Das ist eines der Versprechen, das mit dem Mobilitätskonzept 2030 der Stadt Heilbronn verbunden ist. Am Donnerstag wurde er in den Gemeinderat eingebracht. Jetzt geht es an die Umsetzung.

Im fließenden Verkehr an der Messstation vorbei

Ein Punkt aus dem Sofortprogramm Luftreinhaltung dürfte Autofahrern in Heilbronn schon bald schon besonders auffallen: Ab Ende Oktober wird an der Weinsberger Straße Tempo 40 ausgewiesen - dort, wo Heilbronn die höchsten Stickoxid-Werte misst. "Es ist auch ein Beitrag, um die Messwerte weiter zu senken", sagt Jens Boysen, stellvertretender Leiter des Amts für Straßenwesen.

So hofft er, dass die Werte, die zuletzt auf 48 Mikrogramm pro Kubikmeter gesunken sind, weiter Richtung Grenzwert von 40 Mikrogramm gedrückt werden können. "Untersuchungen zeigen, dass mit Tempo 40 der Verkehr besser fließt", sagt Boysen.

Götzenturmbrücke wird gesperrt

Ein zweiter Punkt ist so frisch, dass er es nicht mal mehr ins Konzept geschafft hat: Ab Januar wird die Götzenturmbrücke für motorisierte Fahrzeuge gesperrt. Es ist eine Maßnahme, die aus dem Masterplan Innenstadt stammt und von Bürgern vorgeschlagen worden war. Jetzt wird sie umgesetzt. Die kurze Verbindung von der südlichen Innenstadt in die Bahnhofsvorstadt steht somit nur noch für Radfahrer und Fußgänger offen. Der Bauausschuss wurde darüber nur in Kenntnis gesetzt.

Hajek: Die Bequemlichkeit könnte etwas leiden

Insgesamt wird daraus einmal mehr deutlich, dass das Auto in Heilbronn nicht mehr den höchsten Stellenwert genießt - zumindest nicht in der Innenstadt, wie Baubürgermeister Winfried Hajek einordnet: "Es kann sein, dass die Bequemlichkeit etwas leidet." Grundsätzlich sind sich die Verantwortlichen in Heilbronn aber einig, dass kein Verkehrsträger per se benachteiligt werden soll, auch nicht das Auto. Bedeutet das also: Vorfahrt für alle?

Nicht ganz. Denn im Rahmen des Mobilitätskonzepts soll der Anteil des Umweltverbunds aus ÖPNV, Fuß- und Radverkehr um elf Prozentpunkte zulegen. Umgekehrt bedeutet dies, dass der Anteil des Autos im Verkehrsaufkommen von 58 Prozent auf 47 Prozent sinkt. Trotzdem sieht Hajek hier keinen Widerspruch zu der Aussage, dass auch die Auto-Mobilität verbessert werden soll: "Wenn weniger Fahrzeuge unterwegs sind, fährt man deutlich entspannter durch die Stadt."

Saarlandstraße bleibt auf der Agenda

Christiane Ehrhardt vom Amt für Straßenwesen führt das so aus: "Es ist inzwischen klar, dass es weniger Autos in der Stadt werden müssen." Gleichzeitig stärke man aber das Hauptstraßennetz. Und auch die Verlängerung der Saarlandstraße Richtung Leingarten, mit der die westlichen Stadtteile entlasten werden sollten, bleibt langfristig auf der Agenda. "Wir könnten morgen den Spatenstich machen, wenn die Mittel vom Land fließen", sagt Hajek.

Neben der Luftreinhaltung und dem Klimaschutz geht es im Mobilitätskonzept auch darum, Heilbronn als lebenswerte Stadt zu erhalten und weiterzuentwickeln. Zahlreiche Maßnahmen wurden aus der Bürgerbeteiligung übernommen. Es sind Ideen, mit denen man auch im Neubürgermarketing punkten möchte. Als vorbildlich gilt natürlich der Neckarbogen, wo der Autoverkehr nur einen Anteil von 30 Prozent haben soll.

Larmaktionsplan ebenfalls verabschiedet

Ein zentrales Thema ist zudem der Lärmschutz und die Lärmvermeidung. Die dritte Stufe des Lärmaktionsplans wurde parallel vom Gemeinderat beschlossen. Neben weiteren Geschwindigkeitsbegrenzungen wird auf bestimmten Abschnitten lärmoptimierter Asphalt eingebaut, und die Stadt erweitert auch die Bereiche für das Lärmschutzfensterprogramm (Berichterstattung folgt in den nächsten Tagen).

Unterpunkte des Konzepts

Im Rahmen des Sofortprogramms Saubere Luft bekommt die Stadt Heilbronn zahlreiche Fördermittel. Erstellt wurde dazu bereits für 180 000 Euro der Masterplan Nachhaltige Mobilität . Auf den Weg gebracht wurde etwa das Park- und Verkehrsleitsystem für 1,7 Millionen Euro, für knapp 300 000 Euro werden Ladestationen für E-Autos im halböffentlichen Raum errichtet. Noch nicht bewilligt sind die Fördermittel für das Fahrradparkhaus, für das eine halbe Million Euro veranschlagt ist. Ebenso wartet das Rathaus auf die Zusage, die automatische ÖPNV-Bevorrechtigung an den Ampeln in der Stadt einzubauen. 1,1 Millionen Euro würde das kosten.

Im Rahmen des Sofortprogramms Luftreinhaltung wird geprüft, wie sich 20 Luftfiltersäulen an der Weinsberger Straße auf die Luftqualität auswirken. Zudem sollen Parkplätze ausschließlich für E-Fahrzeuge ausgewiesen werden. Die Stadtbusflotte wird auf Euro-6-Standard umgerüstet.

Trotz kleinerer Maßnahmen, die viele Firmen in Eigenregie umsetzen, hat das Betriebliche Mobilitätsmanagement bislang beschränkten Erfolg. In erster Linie blieb es bei den Firmen Audi und der Schwarz-Gruppe in Neckarsulm, die sich an dem vom Land geförderten Programm beteiligen.

 

Kommentar "Kürzer ist besser"

Von Christian Gleichauf

Auf den letzten Drücker macht die Stadt Heilbronn Tempo in Sachen Luftreinhaltung. Mit dem Mobilitätskonzept werden eine Reihe von Maßnahmen umgesetzt, die hoffentlich einen positiven Effekt auf die Stickoxidwerte haben. Denn über allem hängt als Damoklesschwert die Klage der Umwelthilfe gegen den Luftreinhalteplan der Stadt Heilbronn. Sobald dieser vom Regierungspräsidium erstellt wurde, könnte es eng werden für die Euro-5-Diesel in der Stadt. Der Weg bis zum Grenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter ist zwar nicht mehr weit. Trotzdem gilt es zu zeigen, dass man es ernst meint.

Ansonsten leidet das Mobilitätskonzept darunter, dass es so wenig greifbar ist. Das Klima schützen, die Lebensqualität erhöhen, Lärm vermeiden, also alles besser machen - das sind sehr hohe Ansprüche in sehr unterschiedlichen Feldern. Das testweise Angebot, Busse und Bahnen kostenlos nutzen zu können, passt da ebenso hinein wie Bordsteinabsenkungen oder die Ausweisung spezieller Lkw-Routen durch die Stadt.

Die Gefahr ist deshalb groß, dass jetzt das Stickoxid-senkende Sonderprogramm mit Elan verfolgt wird und das Papier dann in der Schublade verschwindet. Für die Zukunft brauchen wir also nicht weitere, ausufernde Sammelsurien mit hochtrabenden Namen, von denen es schon so viele gibt, sondern kurze Listen mit guten Vorschlägen.

Ihre Meinung? christian.gleichauf@stimme.de

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