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Schutz vor Starkregen: Millionen werden in Kanalisation investiert

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Regen und Abwasser sollen möglichst getrennte Wege gehen. Für das "modifizierte Mischwassersystem" müssen die Kanäle zum Beispiel im Neckarsulmer Rötelgebiet modernisiert werden. Zum Schutz vor Starkregen ist es auch wichtig, Flächen zu entsiegeln.

 Foto: Seidel, Ralf

In die bestehende Kanalisation wird Schmutz- und Regenwasser meist gemeinsam eingeleitet. Dies soll sich ändern: Sauberes Regenwasser sollte aus vielen Gründen getrennt gesammelt und möglichst versickert werden.

Immer häufigere Starkregenereignisse bringen es an den Tag: Viele Kanäle sind überlastet. Beispiel Rötel in Neckarsulm: Das 33 Hektar große Gewerbegebiet ist zu 96,5 Prozent versiegelt. Straßen, Parkplätze, Industriegebäude. Wenn es regnet, fließt das Wasser in Dachrinnen, Kanaldeckel oder einfach auf die Straßen.

Viele Kanäle sind überlastet

"Der Mischwasserkanal ist im derzeitigen Zustand stark überlastet", stellt Tanja Blattmann, Leiterin des Tiefbauamts der Stadt Neckarsulm, fest. Selbst bei einem Starkregenereignis, das alle drei bis fünf Jahre vorkommt, kann es schon zum Rückstau in dem teils nur 80 Zentimeter dicken Rohr kommen. Laut Gesetz muss aber ein dreijährliches Regenereignis - also ein Regenereignis mit einer statistischen Wiederkehrzeit von drei Jahren – "schadlos" abgeführt werden. "Das ist aktuell nicht gewährleistet."

Aus dem ganzen Gebiet drängen bei einem solchen Regen 4800 Liter in der Sekunde in den Kanal. Das Pumpwerk Rötel schafft aber nur knapp 3000 Liter in der Sekunde. Das überschüssige Wasser muss sich einen anderen Weg suchen. Es kommt zu kleineren oder größeren Überflutungen, wie es zuletzt 2021 in Neckarsulm der Fall war.

Nicht jedes Wasser muss zur Kläranlage

Vergleichsweise unbelastetes Regenwasser kann direkt abgeleitet werden. 12 bis 17 Hektar Dachflächen müssten im Rötelgebiet anders entwässern, damit der bestehende Kanal ausreicht. Im Idealfall wird das Regenwasser zurückgehalten und kann nach und nach versickern. Damit könnten die stetig sinkenden Grundwasserspiegel etwas angehoben werden.

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Im Mischsystem fließen Regenwasser und Schmutzwasser in einen gemeinsamen Kanal. Diese Art der Entwässerung ist in vielen Straßen im Untergrund noch verbaut. In Neubaugebieten ist die Trennkanalisation meist Standard. Regenwasser wird hier möglichst zurück gehalten und größere Mengen in einem extra Kanal direkt in Flüsse und Bäche geleitet. Das modifizierte Trennsystem ist in Neckarsulm im Wohngebiet "Römerstraße" in Obereisesheim umgesetzt. Ein Trennsystem gibt es auch bei der Erweiterung des Baugebiets "Nördlich der Römerstraße" und im Gewerbegebiet "Trendpark Süd".

Bei notwendigen Kanalsanierungen scheuen die Kommunen oft die Investition. Schnell sind einige Millionen verbaut, die erst nach und nach über die Abwassergebühr refinanziert werden können. Muss ohnehin etwas getan werden, wie in Neckarsulm, dann werden für die Sanierung des Kanals und den Bau eines zusätzlichen Regenwasserrohrs nach einer ersten Kostenschätzung acht Millionen Euro fällig. Neben dem Kanalbau muss sicher gestellt werden, dass belastetes Oberflächenwasser von den Straßen auch weiterhin zur Kläranlage geleitet wird.

Eine Million Euro Förderung für 

Eine weitere Million Euro will die Stadt für die Förderung privater und gewerblicher Maßnahmen bereit stellen. Damit werden zum Beispiel bis zu zehn Meter neue Leitungen auf privaten Grundstücken bezuschusst, die Regenwasser direkt in den dafür vorgesehenen getrennten Abfluss schicken. Letztlich landet alles Regenwasser, das nicht versickert, irgendwann im Neckar. Im Schnitt 12 000 Euro fallen pro Grundstück an, um Dachflächenabflüsse vom Mischsystem abzukoppeln. Die Umsetzung ist für das Jahr 2026 geplant.

Möglich ist auch die Entsiegelung bisher asphaltierter Flächen. Auf Parkplätzen mit Rasengittersteinen oder anderem durchlässigem Material kann Regenwasser direkt in den Untergrund versickern. Dach- und Fassadenbegrünung, Zisternen oder Rückhaltebecken tragen zum verzögerten Abfluss und damit zur Entlastung der Kanäle bei. Weitere Ideen hat die Stadtverwaltung bei einem Unternehmerfrühstück mit Firmenvertretern bereits vorgestellt.


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Nun hoffe man durch die in Aussicht gestellten Zuschüsse auf eine rege Beteiligung der anliegenden Firmen. Über die Abwassergebühr lohnen sich die Umbauten wohl kaum, gibt die Verwaltung zu. Die Minderung bei einer Entsiegelung bringe jährlich 0,19 Euro pro Quadratmeter. Dies stehe jedoch in keinem wirtschaftlichen Verhältnis zu den Kosten von 80 bis 100 Euro pro Quadratmeter.

Starkregen, Abwasser und Co.: Begriffe im Überblick

Abwasser: Ist nicht nur das Schmutzwasser aus Haushalten, Industriebetrieben oder der Landwirtschaft, sondern auch das Regenwasser, das von bebauten Flächen abfließt.

Gebühren: Die Kosten für die Entsorgung werden nach der gesplitteten Abwassergebühr berechnet. Für das Schmutzwasser beträgt diese in Neckarsulm 2,11 Euro pro Kubikmeter, was über den Frischwasserverbrauch berechnet wird. Das Einleiten von Niederschlagswasser kostet 47 Cent je Quadratmeter versiegelter Fläche.

Landesdurchschnitt: Die Gebühren in Baden-Württemberg betragen 2,11 Euro pro Kubikmeter für Schmutzwasser und 51 Cent für Niederschlagswasser. Die Spanne beim Schmutzwasser reicht laut Statistischem Landesamt von 0,44 bis 6,21 Euro pro Kubikmeter. Im Landkreis Heilbronn beträgt die Schmutzwassergebühr im Durchschnitt 2,23 Euro, im Stadtkreis sind es 1,96 Euro pro Kubikmeter.

Infrastruktur: Mit den Gebühren werden die Abwasseranlagen finanziert. Dazu gehören öffentliche Kanäle, Kläranlagen und Regenrückhaltebecken. In Neckarsulm gibt es über 200 Kilometer Kanäle für Misch- und Regenwasser.

Starkregen: Die meisten Kanäle in Neckarsulm können Regenmengen ableiten, die nur alle fünf Jahre auftreten. Regnet es mehr, als der Kanal fassen kann, kommt es zu Überflutungen.

Flächenversiegelung: Neben dem Klimawandel ist der Hauptgrund für die Zunahme von Starkregenereignissen die hohe Zahl an wasserundurchlässigen Flächen. Deshalb ist ein Ziel der Stadtplanung die Entsiegelung und damit Schaffung von Flächen, auf denen Regenwasser versickern kann, bevor es in den Kanal kommt.

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