Mietgrenzen für Hartz-IV-Empfänger rechtens: Reaktionen auf das Heilbronner Mieten-Urteil
Das Urteil hat Experten zu Folge Signalwirkung und betrifft zahlreiche Heilbronner Mieter: Das Landessozialgericht hat in letzter Instanz das Konzept für rechtens erklärt, mit dem die Stadt Zuschussobergrenzen für Mieten von Hartz-IV- und Sozilahilfeempfänger berechnet. Zwei Klägerinnen gehen leer aus. Der Stadt bleiben wohl hohe Nachzahlungen erspart.

Die Obergrenze der Mietzuschüsse für Hartz-IV-Empfänger in Heilbronn bleibt bestehen, auch wenn viele deutlich höhere Mieten zahlen müssen. Das sei bei etwa 20 bis 30 Prozent der Mieter in der Stadt und im Landkreis Heilbronn der Fall, sagt Hannes Finkbeiner, Geschäftsführer der Aufbaugilde Heilbronn. Trotzdem hat das Landessozialgericht in zweiter Instanz das Konzept der Stadt zur Berechnung der Obergrenze für rechtens erklärt. Das Urteil habe Signalwirkung, sagen Experten. Die zwei Klägerinnen, die in erster Instanz gewonnen hatten, gehen leer aus. Ihre Anwältin hat gegenüber unserer Redaktion aber angekündigt, Revision einzulegen.
Zuschüsse
Geklagt hatten zwei Hartz-IV-Bezieherinnen, Mutter und Tochter, die in einer 67 Quadratmeter großen Zwei-Zimmer-Wohnung in Heilbronn leben. Für ihre Miete zahlten sie im Jahr 2017 monatlich 587 Euro. Das Jobcenter der Stadt übernahm mit Verweis auf das durch eine Fachfirma entwickelte Konzept nur 470 Euro – 117 Euro mussten die Leistungsempfängerinnen zuzahlen. Das Sozialgericht Heilbronn urteilte 2019, die Datengrundlage, mit der die Stadt den Mietmarkt einschätze und die Obergrenze berechne, sei nicht valide.
Die Stuttgarter Juristen kamen jetzt zu einem anderen Ergebnis und erklärten das Konzept für „schlüssig“. Es erfülle die von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts gestellten Mindestanforderungen, heißt es in einer Mitteilung. Hannes Finkbeiner sagt hingegen, „die Systematik der Kosten- und Flächenberechnung ist dem Gesetzgeber aus dem Ruder gelaufen“. Leidtragende seien Kommunen und Hartz-IV-Empfänger. Das Problem sei, dass es keine Alternativen auf dem Wohnungsmarkt gibt. Nicht nur Ein-Personen-Haushalte, auch Familien finden kaum bezahlbaren Wohnraum.
Heilbronns Konzept beziehe sich auf den gesamten Wohnungsmarkt im Stadtgebiet, also Wohnungen einfachen, mittleren und gehobenen Standards, so das Gericht in seinem Urteil. Die Datengrundlage sei hinreichend valide und repräsentativ. So lägen dem Konzept insgesamt mehr als 1500 Mieten, demnach mindestens fünf Prozent des Gesamtwohnungsbestandes von seinerzeit 29 800 Wohnungen, zugrunde. „Das ist eine Grundsatzentscheidung mit Signalwirkung“, so die Einschätzung des Gerichtssprechers Joachim von Berg auf Nachfrage unserer Redaktion.
Reaktion
Er sei davon ausgegangen, dass das Gericht so entscheidet, teilte OB Harry Mergel mit: „Die Richtwerte für die angemessenen Kosten der Unterkunft in Heilbronn wurden nach den Vorgaben des Bundessozialgerichts von einem der führenden Beratungsunternehmen in den Bereichen Wohnen, Immobilien und Stadtentwicklung ermittelt.“ Dabei handelte es sich um die Firma Analyse & Konzepte GmbH. Für die Stadt Heilbronn geht es um viel Geld. Leistungsbezieher, die gegen den Bescheid der Stadt geklagt hatten, hätten andernfalls Rückzahlungen fordern können.
Der Stuttgarter Senat hat keine Revision beim Bundessozialgericht zugelassen. Gegen das Urteil ist aber eine sogenannte Nicht-Zulassungsbeschwerde möglich, um doch eine Revision freizumachen. Diesen Weg will Anja Gockenbach gehen. „Die mündliche Urteilsbegründung widerspricht der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts“, sagt die Heilbronner Anwältin der Klägerinnen auf Stimme-Nachfrage.
Revision
Ihrer Überzeugung nach ist die Datengrundlage eben nicht valide – und das Ergebnis nicht nachvollziehbar. So bezögen etwa Leistungsempfänger in vergleichbarerer Situation im Landkreis Heilbronn mehr Zuschuss zur Miete als in der Stadt. Der Landkreis lege die Wohngeldtabellen zugrunde und schlage zehn Prozent drauf. Die Anwältin vertritt nach eigenen Angaben eine dreistellige Zahl von Heilbronnern, die den Zuschussbescheiden der Stadt widersprochen oder dagegen geklagt haben.