Menschen auf dem Mond? Unvorstellbar!
Als die Menschheit die Mondlandung verfolgte, gab es kein Internet und keine Smartphones. In der Region zitterten viele Menschen 1969 vor dem Fernseher mit. Wir haben Erinnerungen an das Ereignis gesammelt und nachgeschaut, wie die Stimme damals berichtet hat.

Keine Notebooks, keine Smartphones, keine Elektro-Mobilität: Die Technik bewegte sich 1969 auf einem ganz anderen Niveau als heute. Dementsprechend euphorisch fielen damals viele Reaktionen auf die Mondlandung aus. Die Heilbronner Stimme hatte viele Stimmen gesammelt.
Oberbürgermeister Hans Hoffmann sprach von einem Menschheitstraum, der in Erfüllung gegangen sei. „Ich habe allergrößten Respekt vor der technischen Präzision, mit der diese Hochleistung durchgeführt wurde“, sagt Hoffmann. Landrat Otto Widmaier hatte die Mondlandung zwar nicht im Fernsehen verfolgt, hielt diese aber für eine großartige Leistung. „Ob sie notwendig war, möchte ich nicht sagen, aber es ist sicherlich eine Sache, die sich breit auswirken wird.“
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Menschheit sollte schon bald den Mond bevölkern
Der US-Soldat Larry L. Swanson glaubte, dass „die ganze Welt in friedvollem Nebeneinander den Mond bevölkern“ werde. Er selbst wolle zum Mond fliegen, um in schwerelosem Zustand Fußball zu spielen. Dekan Günther Siegel würdigte wie viele andere die technische Glanzleistung. „Irgendwelche Aspekte mit negativen Vorzeichen ergeben sich für die Frage des Glaubens in keiner Weise“, erklärte Siegel. Die Hausfrau Wilma Bender hielt die Mondlandung für eine großartige, nicht zu überbietende Leistung.
Nachdenklich zeigte sich die Schülerin Sabine Knopf: „Ich finde, das ist ein Fortschritt. Andererseits finde ich, sollte man erst auf der Welt alles in Ordnung bringen.“ Student Ahmed Lofti lobte einerseits die wissenschaftliche Leistung. Andererseits kritisierte er die „politisch zugespitzte Propaganda“, mit der man von den Problemen in Vietnam ablenken wolle. Man solle erst die Slums abschaffen, bevor man die „Millionen in die Luft jagt“.

Eberhard Haas (91), Obersulm, ehemaliger Maschinenbauingenieur
Schon vor dem Start der Apollo 11 am 16. Juli 1969 sei die Mondlandung ein Dauerthema im Fernsehen gewesen mit vielen Beispielen früherer Teststarts, erinnert sich Professor Eberhard Haas. „Das Thema verfolgte uns am Feierabend“, sagt der Obersulmer zum viertägigen Flug. Am 20. Juli dann die Nachricht der baldigen Landung. „Die Kinder schickten wir ins Bett und warteten im Halbschlaf bis zur Nachricht, dass eine Raketenstufe auf dem Mond gelandet ist“, erzählt der damalige Maschinenbauingenieur bei der Firma Läpple. Die ersten Bilder von Neil Armstrong, der mit einem Lebensrettungsrucksack auf dem Mond „herumhüpfte“, seien noch undeutlich gewesen. Erst in den Abendsendungen im Fernsehen habe es bessere Aufnahmen gegeben. „Man hat immer gedacht, hoffentlich kommen die drei auch wieder heim.“

Ricarda Hübbers (74), Heilbronn, war Sekretärin von Victoria Wolff
Die Mondlandung hat Ricarda Hübbers als 25-Jährige in den USA, in Los Angeles, im Garten der Schriftstellerin Victoria Wolff verfolgt. Die 74-Jährige war damals Hausdame und Sekretärin der jüdischen Autorin, die in Heilbronn aufgewachsen war und 1941 vor den Nazis in die USA emigrierte. „Die Mondlandung war für uns alle eine Sensation. Wir saßen wie gebannt vor dem Fernseher, wie gefesselt“, erinnert sich Ricarda Hübbers, die heute in Heilbronn lebt. „Wir haben geschrien, gefeiert, und uns gefühlt, als ob wir selbst gelandet wären.“ Wolff hatte enge Verbindungen zur Raumfahrt. Ihr Sohn Frank war Weltraumexperte und am NASA-Raketen-Surveyor-Programm am Weltraumhafen Kap Kennedy beteiligt, das die bemannten Apollo-Missionen vorbereite. Wolff schrieb auch den Roman „Liebe auf Kap Kennedy“ über ihre Eindrücke.
Wolfgang Hansch (64), Heilbronn, Experimenta-Chef
Er war damals 14,wuchs in Hoyerswerda in der früheren DDR auf. Im West-Fernsehen haben Wolfgang Hansch und seine Familie Bilder der Mondlandung heimlich gesehen. „Es war beeindruckend, wie die Astronauten in ihren Anzügen da auf dem Mond rumgehüpft sind. Ich fand es in dem Alter nur toll, dass man den Mond aus der Nähe sehen konnte.“ Im DDR-Fernsehen sei die Mondlandung der Amerikaner nur am Rande Thema gewesen, die Sowjetunion habe sich ja ein Duell geliefert, einen „Wettlauf der Systeme“. Hansch nennt die Mondlandung eine technische Meisterleistung, eine Folge des Wettrüstens im Kalten Krieg. Heute sei klar, dass man Probleme auf der Erde „nur gemeinsam lösen kann“. Den Wunsch, Astronaut zu werden, verspürte er damals eher nicht. Er habe geahnt, dass das im DDR-System „schwierig“ sein würde. Er studierte später Geologie.
Stefan Kraut, (59), Künzelsau, Leiter des Künzelsauer Stadtarchivs
Schon als Kind stöbert Stefan Kraut in wissenschaftlich-astronomischen Büchern der gut bestückten Bibliothek seiner Eltern . „Die Vorstellung des Raketeningenieurs Wernher von Braun, dass es der Mensch schaffen könnte, den Mond zu erreichen, hat mich total gefesselt.“ Kraut lebt zu dieser Zeit in Montevideo in Uruguay. Die Familie hat keinen Fernseher. Sie hören deutsches Radio und lesen spanische Zeitungen. Seit Tagen wird schon über die Apollo 11-Mission berichtet. „Wenn sich ein besonders Highlight andeutete, durfte ich zum Fernsehen zu einer befreundeten Familie.“ Der damals neunjährige Kraut ist der einzige, der sich für die Mondmission interessiert. Also sitzt er am Tag der Mondlandung alleine im Wohnzimmer der Freunde. „Ein Mensch, der auf einem fremden Himmelskörper umher hüpft – unglaublich.“

German Munding (86), Bad Friedrichshall, ehemaliger DLR-Ingenieur
Wir waren damals fürchterlich angespannt, ob auch alles gut geht mit der Mondlandung. Mit meiner Frau saß ich ab Mitternacht drei bis vier Stunden vor dem Fernseher und bestaunen, wie sicher Apollo 11 auf dem Erdtrabanten landete. Ich war zu der Zeit 30 Jahre alt und leitender Ingenieur am Standort Lampoldshausen des Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrums (DLR). Aus 140 Mitarbeitern bestand unser Team, und wir stellten Bauteile für die Raumfahrt her, Triebwerke für Satelliten. Aber keine Antriebe für das Apollo-Raumschiff direkt. Im Kollegium gab es damals heftige Diskussionen, ob etwas schiefgeht bei dieser Reise ins Weltall. Das Risiko dafür war ja bei dieser ersten bemannten Mondlandung schon sehr groß. Und dann waren wir natürlich alle sehr erleichtert. Damals war das so spannend, ein absolut einmaliges Ereignis.
Frank Dähling (75), Eppingen, Ethnologe und Mühlenbesitzer
Der Himmel hat mich seltsamerweise nie sonderlich interessiert, das gilt auch für den Mond, außer vielleicht in der romantischen Dichtung. Ich glaube nicht, dass die Mondlandung eine Sternstunde der Menschheit war. Als ich damals als Student die Nachricht hörte, hab ich es erst gar nicht geglaubt. Dann gab es die Meldungen, die Fahne auf dem Mond wehe in die falsche Richtung. Das waren natürlich Verschwörungstheorien. Aber ich habe grundsätzlich nie richtig verstanden, was der Mensch auf dem Mond zu suchen hat, wo es für uns doch auf der Erde genug zu tun gibt. Vielleicht sollten wir hier den Regenwald retten, anstatt ins All zu fliegen und eine Rückzugsmöglichkeit für einige wenige zu suchen. Jeder vermeintliche Fortschritt hat auch seine Schattenseiten. Künftige Kriege werden sicher auch aus dem Weltall geführt.
Michael Dignal (63), Öhringen, freier Journalist und Hobby-Astronom
Ich war 13. Die Beatles brachten im September 1969 ihr letztes Meisterwerk „Abbey Road“ heraus. Toll. Aber zwei Monate vorher war die Mondlandung, Neil Armstrongs berühmter „kleiner Schritt“. Mindestens so toll, denn das war fast schon Science Fiction, fast wie Perry Rhodan, der damals schon intergalaktisch unterwegs war. Meine Eltern und ich kauerten mitten in der Nacht vor dem Fernseher – mein Vater war ähnlich weltraumbegeistert wie ich, kurze Zeit später kaufte er uns ein Spiegelteleskop – und wir verfolgten im schwäbischen Dorf Rietheim die Live-Übertragung sowie die Kommentare des Expertenteams im ARD-Studio. Klar: schwarzweiß und nicht in bester Ton- und Bildqualität. Im Morgenmantel saß ich da und saugte, neben Cola oder Sprudel, alles begierig auf. Hier ging es um was Großes.
Kilian Krauth (57), Duttenberg, Redakteur
Ich erinnere mich noch ziemlich genau an den Tag der Mondlandung, beziehungsweise an die Nacht. Im Prinzip war es dasselbe wie bei großen Fußballspielen. Meine Schwester weckte mich mit einem nassen Waschlappen. Die ganze Familie saß im sogenannten Schreibzimmer meines Vaters und blickte wie gebannt auf die Mattscheibe. Ja, der Fernseher hatte damals keinen anderen Namen verdient. Denn auf dem seltsam zugeschnittenen Oval flimmerten ziemlich grobkörnige, schemenhafte Schatten, hinter denen alle Astronauten zu erkennen glaubten. Ich als Siebenjähriger wusste nicht so recht, was ich davon halten sollte. Daran änderte auch die schimmernde Plastikfolie nichts, die uns der Illusion hingeben sollte, einen Farbfernseher zu haben. Menschen auf dem Mond? Unvorstellbar! Und im TV schwer erkennbar.