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"Luisa" gibt Sicherheit im Heilbronner Nachtleben

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Wenn Männer übergriffig werden, können sich Frauen mit dem Codewort an der Theke melden. Noch machen allerdings nicht alle Lokale mit.

Hinweise am Toilettenspiegel sollen aufklären: Wenn sich eine Frau bedrängt fühlt, kann sie sich mit dem Codewort "Luisa" ans Personal wenden. 
Foto: Mario Berger
Hinweise am Toilettenspiegel sollen aufklären: Wenn sich eine Frau bedrängt fühlt, kann sie sich mit dem Codewort "Luisa" ans Personal wenden. Foto: Mario Berger  Foto: Berger, Mario

Wenn eine Frau in einem Lokal bedrängt wird, wenn dezente Hinweise ebensowenig helfen wie klare Signale, wenn sich das Gefühl von Machtlosigkeit breit macht, dann hilft im Heilbronner Nachtleben künftig "Luisa". Einfach den Namen an der Bar oder beim Türsteher erwähnen: "Dann geht es für die Frau schnell und unkompliziert an einen sicheren Ort", sagt Sabine Hönnige von der Beratungsstelle Pro Familia, die das Projekt begleitet.

Das Codewort gilt in mehreren Heilbronner Kneipen, Clubs und Bars - allerdings noch nicht in allen. "Wir haben jetzt einmal begonnen", sagt Gartenlaube-Geschäftsführer Matze Kern. "Aber wir brauchen Partner, alleine macht es keinen Sinn", ergänzt Michael Brähne, Inhaber des Clubs Mobilat.

Es gibt jetzt einen klaren Ablaufplan

Johanna-Sophie Lütje und Ina Walitza stehen seit einigen Jahren regelmäßig hinter dem Tresen im Mobilat. Das eine oder andere Mal hätte es schon geholfen, wenn junge Frauen gewusst hätten, wie sie sich unkompliziert ans Personal wenden. "Ich habe schon Türsteher informiert, wenn ich etwas mitbekommen habe", sagt Johanna-Sophie Lütje. Doch jetzt gebe es einen klaren Ablaufplan und die "Safe Zone" - einen sicheren Raum, wohin man die Betroffenen bringen kann.

Persönlich seien sie glücklicherweise noch nie in so eine Situation gekommen. "Wir wissen uns in der Regel zu wehren und sind auch nicht auf den Mund gefallen", sagt Ina Walitza. Anzüglichen Witzen kommen sie mit einer gesunden Portion Selbstbewusstsein bei. Doch Selbstbewusstsein lasse sich nicht verordnen, und in manchen Situationen hilft es auch nicht weiter. Beide haben schon erlebt, dass Freundinnen K.o.-Tropfen im Getränk hatten und auf Hilfe angewiesen waren. "Man darf einfach nie das Getränk unbeaufsichtigt stehen lassen", ist ihre klare Empfehlung.

Aufkleber und Plakate weisen auf das Wort hin

Die Hürde, an der Theke nach Luisa zu fragen oder "Hier ist Luisa" zu sagen, soll so niedrig wie möglich sein. Darüber wird an verschiedenen Stellen informiert, etwa auf der Toilette, wo sich die Frauen in der Regel als erstes hinflüchten. Aufkleber auf dem Spiegel und Plakate weisen auf das Stichwort hin.

Lizenz aus Münster

"Luisa" ist mittlerweile eine bundesweite Kampagne, die an gewisse Voraussetzungen und Qualitätsmerkmale geknüpft ist. 2019 wurde die Marke vom Frauen-Notruf Münster eingetragen. Wer sie ohne Lizenz kopiert, dem droht eine Abmahnung. "Die Lizenzgebühr ist überschaubar", sagt Sabine Hönnige von Pro Familia. Dafür gebe es Infomaterial und ein Konzept. Das Codewort kann so deutschlandweit in Clubs, Bars und Kneipen in rund 50 Städten genutzt werden. Einen Sonderweg geht Tübingen, um auch "rassistischen" Anfeindungen zu begegnen. Dort fragt man nach "Uli".

Wer es nutzt, braucht keine Angst zu haben, viel erklären zu müssen. "Es folgt keinesfalls automatisch ein therapeutisches Gespräch", sagt Regina Seidel-Schmidt, Sozialpädagogin bei Pro Familia. Natürlich gebe es das Angebot. Aber es passiert nur, was die Betroffene sich wünscht. Mitgemeint seien in diesem Fall auch männliche Betroffene. "Überwiegend betrifft es zwar eher Frauen, aber wenn sich ein Mann unsicher fühlt, gilt auch für ihn das Codewort", sagt Seidel-Schmidt. Dann gehe es unter Umständen zum Hinterausgang hinaus, es werden Jacken oder Taschen geholt, um nicht wieder in die Konfrontation gehen zu müssen.

Irgendwann sollen alle Lokale mitmachen

Für Materialien und Schulung hat die Heilbronner Bürgerstiftung 4000 Euro bereitgestellt. "Da musste man nicht lange mit uns diskutieren, wir waren sofort überzeugt", sagt Angelika Biesdorf, Vorstandsmitglied der Bürgerstiftung. Gewaltprävention sei ein Förderschwerpunkt, und dies sei eine perfekte Präventionsmaßnahme. "Hinterher wird's immer teurer", sagt Biesdorf, "und wir glauben, dass es diese Fälle nicht ganz selten gibt."

Zahlen kennen die Organisatoren allerdings nicht. "In 18 Jahren Heilbronner Nachtleben habe ich schon einiges mitbekommen", sagt Brähne. Doch meistens erfahre man erst im Nachhinein von Vorfällen, selten in der Situation selbst.

Freuen sich über den Start der Kampagne "Luisa": Angelika Biesdorf (Heilbronner Bürgerstiftung, v.l.), Michael Brähne (Club Mobilat), Sabine Hönnige und Regina Seidel-Schmidt (Pro Familia), Matze Kern (Gartenlaube) und Tobias Tabler (Club Mobilat). Foto: Gleichauf
Freuen sich über den Start der Kampagne "Luisa": Angelika Biesdorf (Heilbronner Bürgerstiftung, v.l.), Michael Brähne (Club Mobilat), Sabine Hönnige und Regina Seidel-Schmidt (Pro Familia), Matze Kern (Gartenlaube) und Tobias Tabler (Club Mobilat). Foto: Gleichauf  Foto: Christian Gleichauf

Im ersten Schritt sind nun die Lokale dabei, die sich in der Initiative Sicheres Nightlife zusammengeschlossen haben. Sie wurde von Laube-Chef Kern und Food-Court-Chef Thomas Aurich 2016 initiiert. "Ziel ist, dass alle Lokale der Stadt teilnehmen", sagt Brähne. Dazu brauche es nur Infomaterial und eine Schulung der Mitarbeiter. Die müssen schließlich verlässlich reagieren, wenn jemand nach Luisa fragt.


Kommentar von Christian Gleichauf: Ein Häkchen hat die Sache

Ablaufpläne für den Fall, dass sich jemand hilfesuchend ans Personal wendet? Man wundert sich im Nachhinein, dass so etwas in Gastbetrieben nicht längst selbstverständlich ist. Die "Luisa"-Kampagne zeigt, worauf es ankommt: Schnell und unkompliziert muss reagiert werden. In einem sicheren Raum kann man sich sammeln. Und man wird anschließend nicht alleingelassen. "Luisa" ist prägnant. Ein Wort, keine langen Erklärungen, alle wissen Bescheid.

Doch es können nicht nur Frauen in solch eine Situation kommen, das ist der Haken - oder zumindest das Häkchen - an der Idee. Der Frauen-Notruf Münster hat seine Kampagne nämlich auf Frauen ausgerichtet, und nur auf Frauen. Der pragmatische Umgang mit dem Thema in Heilbronn ist deshalb sinnvoll, aber nicht selbstverständlich. In Tübingen gibt es bereits den "Uli", nach dem man ausdrücklich auch als Mann fragen kann. Doch das Schlimmste, was der Aktion passieren kann, ist eine Zersplitterung. In England "Angela", in Österreich "Lotta" - das mag so sein. Aber gäbe es in Stuttgart "Kunigunde" und in Ludwigsburg "Jonathan", da wäre die Verwirrung doch perfekt.

Es lohnt sich also nicht, an "Luisa" herumzukritteln. In der Mehrzahl der Fälle werden wohl Mädchen und junge Frauen in die unangenehme Situation kommen, sich helfen lassen zu müssen. Der Name hat sich etabliert. Die Kosten sind zu vernachlässigen. Wichtig ist daher, dass möglichst viele Lokale in der Stadt und auf dem Land mitmachen.

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christian.gleichauf@stimme.de

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