Lockdown: So geht es Schülern, Lehrern und Eltern heute
Vor zwei Jahren schlossen Schulen und Kitas erstmals wegen Corona. Wie geht es Kindern, Lehrer und Eltern heute?

Sven Herms, Vater von Lotte, Emma, Theo
Familie Herms hatte im ersten Lockdown alle drei Kinder zu Hause: Lotte, die die sonderpädagogische Paul-Meyle-Schule besucht, und unter einer Gehirnfehlbildung und Epilepsie leidet, Emma, die damals in der dritten Klasse der Grünewaldschule war, und Kindergartenkind Theo. Die Betreuung von Lotte, damals zehn Jahre alt, ist anspruchsvoll: Die Eltern füttern sie, ziehen sie an, putzen ihr die Zähne, kümmern sich um sie, wenn sich ein Krampf ankündigt. Beide reduzierten im Lockdown ihre Arbeitsstunden, um für die Kinder da zu sein. Sven Herms findet: „Für uns war das kein so extremer Stressfaktor wie für andere. Wir haben auch vieles für uns als Familie als positiv empfunden.“ Emma und Theo seien viel draußen gewesen, „wir haben im Garten Fußball gespielt.“ Emma habe die Zeit genossen. „Für sie war es das Paradies.“
Gleichzeitig verlor er bei Sport Sämann in Heilbronn seinen Job, weil der Händler Insolvenz anmeldete. Schlaflose Nächte hat ihm das nicht bereitet, er hat wieder eine Anstellung gefunden. „Es geht immer irgendwie weiter“, sagt der 49-Jährige. „Wenn man ein behindertes Kind hat, dessen Lebenserwartung nicht hoch ist, wirft einen nichts so schnell aus der Bahn.“
Sonja Zettel, Lehrerin, Kupferzell

Anfangs hat sich der Zustand „Schule im Lockdown“ für Sonja Zettel sehr ohnmächtig angefühlt. Seit 2018 ist die 28-Jährige Lehrerin für Deutsch, Biologie und Geografie an der Johann-Friedrich-Mayer-Gemeinschaftsschule. Und dass einfach so plötzlich kein Unterricht ist, daran musste sie sich erst gewöhnen. „Es war gefühlt eine Über-Nacht-Verordnung.“ Der Schulleiter habe aber recht schnell ein Programm erarbeitet, „wie wir weitermachen können“. Das habe recht schnell funktioniert. Auch wenn sie anfangs unsicher war, ob sie alle Schüler erreiche.
„Ich habe unheimlich viel telefoniert in der Zeit und unglaublich viel Zeit am Computer verbracht“, erinnert sie sich. Anfangs sei das echt schwierig gewesen. Da sie aber sowieso gern und viel Powerpoint-Präsentationen zur Vorbereitung ihres normalen Unterrichts macht, war die Digitalisierung gar nicht so sehr das Problem. Auch die Videokonferenzen nicht so wirklich. Das Problem allerdings, erinnert sie sich, war, dass die Reaktion der Schüler fehlte. Die Kameras mussten wegen der Leitung meist deaktiviert werden. Und so fehlte ihr der direkte Blick in die Gesichter ihrer Schüler. „Es ist schräg, wenn man kein Feedback bekommt.“
Lea Verba und Barbaros Mandalinci, Selma-Rosenfeld-Realschule, Eppingen

Der Lockdown war für Lea Verba eine „große Umstellung“. Die 15-Jährige besucht die Selma-Rosenfeld-Realschule in Eppingen und erinnert sich gut an den plötzlichen Wechsel vom Klassenzimmer ins Zuhause. „Allein zu sein, ohne Mitschüler“, erzählt sie. Die Schule habe den Fernunterricht aber gut organisiert. Zusammen mit Barbaros Mandalinci bildet die Jugendliche das Schülersprecherteam. Schule ist so viel mehr als Unterricht, das merkte auch der 15-Jährige. Er hatte sich bis zum Lockdown immer mit Freunden an den Tischtennisplatten auf dem sogenannten Eppinger Schulhügel getroffen. Von einem Tag auf den nächsten war das aber Geschichte. Deutschland diskutiert über Lockerungen der Corona-Regeln.

„Die Angst vor dem Virus hat sich gelegt“, sagt Barbaros Mandalinci. „Ich habe aber Respekt davor.“ So wie man vor jeder Krankheit habe, sagt er. In der Selma-Rosenfeld-Realschule und dem dortigen Hygienekonzept fühlt er sich sicher, auch auf dem Pausenhof. „Das ist besser als nur in den Klassenzimmern zu sein.“ Die beiden Schülersprecher gehen davon aus, dass sich ein Großteil der Mitschüler an die Regeln gewöhnt hat. Nur eine Minderheit lehne sie ab, zweifele sogar an Corona, sagt er.
Marlon Vogt, Albert-Schweitzer-Gymnasium, Neckarsulm

Keine direkten Kontakte mehr möglich, kein Austausch, nur der Laptop-Bildschirm: „Es war eine ganz neue Erfahrung“, sagt Marlon Vogt, der zum Schülersprecherteam des Albert-Schweitzer-Gymnasiums in Neckarsulm gehört. Der 15-Jährige sei gut durch die Phase mit dem Fernlernen gekommen, das Gymnasium sei gut organisiert gewesen. „Es gab aber Schüler, die hatten Schwierigkeiten“, berichtet er. An der Schule fühlt er sich mit dem Hygienekonzept sicher. Froh ist er, dass die Schulen geöffnet sind. Aber klar ist für ihn eines: „Wir freuen uns, wenn es Lockerungen gibt.“ Ginge es nach ihm, könnte man als erstes die Maskenpflicht in den Schulen kippen. „Wir testen doch weiterhin“, sagt Marlon Vogt.
An den Schulen im Land ist mittlerweile wieder viel mehr erlaubt als noch vor ein paar Wochen. Kontaktsport darf ausgeübt werden, auch bei Musik ist wieder einiges gestattet. Und: Auch mehrtägige Klassenfahrten hat das Kultusministerium wieder zugelassen. Das die Zehntklässler des Neckarsulmer Gymnasiums tatsächlich wie vor Corona wieder wegfahren können, kommt bei Marlon Vogt gut an. „Es sieht positiv aus“, freut er sich. „Es wäre toll, wenn die Fahrt stattfinden könnte.“
Jana Hase, Albert-Schweitzer-Gymnasium, Neckarsulm

Zu Beginn des Lockdowns sei der Unterricht eine Umstellung gewesen, erzählt Jana Hase, die zum Team der Schülersprecher am Albert-Schweitzer-Gymnasium Neckarsulm gehört. Sich selbst organisieren, die Aufgaben einteilen, das war damals wichtig. Je länger der Lockdown aber ging, desto mehr wollte die 16-Jährige wieder zurück an die Schule. "Ich habe das Zusammenleben in der Klasse und die Schulgemeinschaft vermisst", erzählt sie. "Das hat mir gefehlt." In Deutschland fallen Corona-Einschränkungen weg, am Gymnasium fühlt sie sich sicher. "Das ASG regelt es gut." Die Schülersprecher sind froh, dass jetzt auch wieder mehr Leben zurück in die Schulen kommt. "Wir planen einen Schulball." Das kommt unter den Mitschülern gut an. "Wir haben schon viel Positives mitbekommen." Auch einen Kuchenverkauf hat es kürzlich sogar wieder gegeben. "Die Gemeinschaft wird stärker."
Muhammed Ardin, Albert-Schweitzer-Gymnasium, Neckarsulm
Für Muhammed Ardin verliefen die Schulschließungen relativ gut. "Ich war schon immer fleißig", erzählt der Schülersprecher des Albert-Schweitzer-Gymnasiums in Neckarsulm. Aber klar ist für ihn auch: "Corona hat uns viel genommen." Am Anfang sei es noch in Ordnung gewesen, eine oder zwei Wochen zu Hause zu bleiben. "Aber irgendwann realisiert man, dass etwas fehlt." Sicher, sagt er: Es habe daheim schon funktioniert, aber keine Mitschüler, keine Gespräche, keine Lehrer. "Man realisiert erst, dass etwas fehlt, wenn es weg ist." An Schulen gilt weiterhin Maskenpflicht, es gibt Testangebote. "Natürlich hat man Angst", gibt er zu. Lockerungen an Schulen seien ein schwieriges Thema. Die Maskenpflicht will er beibehalten. Ohne Masken gingen die Infektionszahlen nach oben, befürchtet er.

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