Stimme+
Bad Wimpfen
Lesezeichen setzen Merken

Lidl-Großbaustelle: Das neue Zuhause aus Beton

   | 
Lesezeit  4 Min
Erfolgreich kopiert!

In Bad Wimpfen wächst die neue Lidl-Deutschland-Zentrale Tag für Tag in die Höhe. Dafür sorgen Hunderte Arbeiter und ein Baustoff der knallharten Sorte.

Von Alexander Klug
1000 Kubikmeter Beton verarbeiten die Arbeiter auf der Großbaustelle pro Tag. Gemischt wird der Baustoff in einer eigens angemieteten Anlage, Pumpen befördern ihn auf die Baustelle.
1000 Kubikmeter Beton verarbeiten die Arbeiter auf der Großbaustelle pro Tag. Gemischt wird der Baustoff in einer eigens angemieteten Anlage, Pumpen befördern ihn auf die Baustelle.  Foto: Klug, Alexander

Alex lässt Wasser in die Plastikflasche laufen. Und nicht nur in eine. Flasche um Flasche hält er unter das Ende des gelben Schlauchs - nicht nur er, auch seine Kollegen ein paar Meter weiter haben Durst und warten auf die Erfrischung. Denn die Mittagssonne scheint, von keiner Wolke gebremst, auf die Baustelle im Westen Bad Wimpfens herab, sie sorgt für hochsommerliche Temperaturen.

200 Bauarbeiter sind gleichzeitig in der Baugrube zugange, mit ein paar von ihnen arbeitet Alex am Fuße der elf Kräne, die sich über dem Areal drehen, an den Böden, Decken und Wänden aus Beton, die am Ende die neue Verwaltungszentrale des Handelsunternehmens Lidl für Deutschland bilden. Eine anspruchsvolle Aufgabe: Um den relativ flüssigen Beton in Wand- oder Deckenform zu bringen, ist eine komplexe Holzkonstruktion vonnöten, in die das Gemisch gefüllt wird. Um sie zusammenzubauen, brauchen Alex und seine Kollegen den Hammer, den sie alle am Gürtel tragen.

Um Beton dreht sich derzeit viel auf einer der größten Baustellen der Region. Anders als beim Einfamilienhäuschen im Neubaugebiet liegen ungefähr zwei Drittel der Gebäude des neuen Lidl-Zuhauses unter der Erde. Und auch der Bedarf an Beton spielt sich in anderen Dimensionen ab als beim privaten Eigenheim. 1000 Kubikmeter Beton verarbeiten die Männer unter grünen, roten, weißen und auch gestreiften Helmen - jeden Tag.

Mischen nach Rezept

Aus einer eigens angemieteten Betonmischanlage stammt der vielseitige graue Baustoff für die Riesenbaustelle ein paar Meter weiter.
Aus einer eigens angemieteten Betonmischanlage stammt der vielseitige graue Baustoff für die Riesenbaustelle ein paar Meter weiter.  Foto: Klug, Alexander

Andreas Roggatz ist Projekt- und Oberbauleiter in Bad Wimpfen und kennt sich nicht nur, aber auch mit Beton gut aus. "Das ist wie beim Kuchenbacken. Den backt man auch nach einem Rezept, damit man weiß, wovon wie viel in den Teig kommt." Für das Fundament die eine Zusammensetzung, für Stützen eine andere.

"Dabei spielt eine große Rolle, was später in dem Gebäude oder Gebäudeteil passieren soll", sagt er und lässt den Blick über die Stellen auf dem Vier-Hektar-Areal wandern, an denen sich einmal die fünf Gebäude erheben. Einiges muss berücksichtigt werden: Arbeiten Menschen darin? Oder parken hunderte Autos? Wie viel wiegt der Schnee, der im Winter auf dem Dach liegt? Deswegen seien die richtigen Zutaten und Mengen wichtig, die der Statiker definiert, meint der Bauleiter.

Um diese riesige Menge an Beton schnell an Ort und Stelle zu haben, steht einen Steinwurf von der Baugrube entfernt eine eigens angemietete Mischanlage auf einer Anhöhe. Den ganzen Tag über pendeln weiße Betonmischfahrzeuge in einem großen Kreisverkehr zwischen dieser Anlage und der Baustelle hin und her. Ein Mann in orangener Weste und grauem T-Shirt parkt flott sein Gefährt mit der großen Trommel auf der Hinterseite rückwärts unter die Anlage. "Wie oft ich die Runde an einem Tag fahre, habe ich aufgehört zu zählen", sagt der Mann und schmunzelt.

 

 

"Die Hitze macht mir nichts aus, im Auto ist Schatten." Aus einem quaderförmigen Behälter fließt neues Baumaterial in den Laster, während er spricht - parallel werden aus einem weiteren und noch größeren Lkw die Silos aufgefüllt. Sie ragen wie Aussichtstürme in den blauen Himmel. "Ich muss los, die warten unten sonst", sagt der Fahrer noch, schon bricht er zu einer neuen Runde über die Feldwege auf. Sein Laster, in dem sich ein paar der 135 000 Kubikmeter Beton drehen, die auf der Baustelle verbaut werden, zieht eine beachtliche Staubwolke hinter sich her.

Beton ist empfindlich: Arbeiter sorgen für eine glatte Oberfläche und benetzen sie mit Wasser, um Risse zu vermeiden.
Beton ist empfindlich: Arbeiter sorgen für eine glatte Oberfläche und benetzen sie mit Wasser, um Risse zu vermeiden.  Foto: Klug, Alexander

Doch wie erreicht der Beton, den die Laster von der Mischanlage anliefern, Alex und seine Kollegen? Am westlichen Rand der Baugrube beginnen zwei Pumpsysteme der besonderen Art mit der Arbeit. Über meterlange Rohre und Schläuche transportieren sie den flüssigen Baustoff zu vier Verteilern - wie Türme stehen sie gleichmäßig verteilt auf der Baustelle. "Wir haben auch Autobetonpumpen im Einsatz", sagt Markus Stürmer. Er ist Oberbauleiter und beim Bauunternehmen Leonhard Weiss angestellt. "Solange die Betonverteilmasten noch nicht in Betrieb waren, sogar drei bis vier Stück am Tag. Ihr Auslegerarm hat aber nur eine Reichweite von 55 Metern."

Riesenspinnen mit Rüsseln

Über die Verteilmasten erreicht der Beton Geräte, die mit ihren vier grauen Metallbeinen und den roten Auslegern wie überdimensionale Spinnen mit langen Rüsseln aussehen. Nur, dass die Spinne darüber nicht trinkt, sondern spuckt: Am Ende ist es ein oberschenkeldicker Schlauch, gelenkt von einem Arbeiter, aus dem Beton auf die Konstruktion aus Metallgittern fließt. "Das muss man am Stück machen bis zur geplanten Arbeitsfuge, ohne abzusetzen", erläutert Andreas Roggatz.

Die Arbeiter, die damit beschäftigt sind, die Metallstäbe im Beton miteinander zu verflechten, erkenne man an der Armierzange oder Eisenbiegerzange statt des Hammers am Gürtel, ergänzt Markus Stürmer. Mittlerweile ist der Boden der riesigen Baugrube vollständig von Beton bedeckt - in der Südwestecke des Grundstücks, wo das mit 20 Metern höchste Gebäude entstehen soll, betonieren die Arbeiter bereits das zweite von vier unterirdischen Stockwerken.

Mehr zum Thema: Krach, Dreck und leere Versprechen: Anwohner an der riesigen Lidl-Baustelle in Bad Wimpfen sind frustriert

 

Bauarbeiter Alex sorgt für etwas Erfrischung für sich und seine Kollegen.
Bauarbeiter Alex sorgt für etwas Erfrischung für sich und seine Kollegen.  Foto: Klug, Alexander

Doch ist Beton ein durchaus empfindlicher Baustoff. Beim Blick in die Baugrube fallen Arbeiter auf, die auf futuristisch anmutenden Gefährten über die Betonoberfläche zu gleiten scheinen - um sie zu glätten. "Wenn sie fertig sind, müssen sie die Oberfläche mit Wasser benetzen und eine Folie darauf legen, damit die Feuchtigkeit bestehen bleibt und es nicht zu Rissen kommt", sagt Andreas Roggatz. Der Beton muss gründlich, aber nicht bei zu hohen Temperaturen aushärten, sonst wird er porös.

Heizen und kühlen über den Boden

Ein paar Meter weiter verschwindet ebenfalls ein Gitter im Beton, es besteht aber nicht aus Stahl, sondern aus feinen roten Plastikleitungen - Betonaktivierung lautet das Stichwort bei dieser Technik. Durch die Leitungen wird Wasser geleitet, entweder warmes zum Erwärmen oder kaltes zum Kühlen des Betonkerns - und damit der Büros darüber. "Das funktioniert aber nur bei großen Räumen", führt Markus Stürmer aus. Ähnlich funktionieren Kühlung und Heizung aber auch im Kleinen: In den Decken vieler Büros verlaufen Wasserleitungen, die dieselbe Funktion erfüllen.

Ein eigenes System stellt die Lüftung dar: Frischluft wird an bestimmten Stellen von außerhalb des Gebäudes angesaugt und dann über eigene Flure und Kanäle zu den Räumen transportiert - diese Tunnel durchziehen im untersten Stockwerk die ganze Anlage, in ihnen befindet sich nichts als Luft. Sie sind bis zu sieben Meter breit, fast so breit wie ein Fußballtor. Denn zwischen den Betondecken und Wänden des futuristischen Gebäude-Komplexes sollen ab dem Jahr 2020 bis zu 1500 Menschen arbeiten, essen und auf dem Laufband schwitzen.

Daten und Zahlen

Das Grundstück hat eine Größe von ungefähr vier Hektar. Verbaut werden in Bad Wimpfen nicht nur 135.000 Kubikmeter Beton, sondern auch 25.000 Tonnen Stahl. Ein Stockwerk umfasst eine Fläche von ungefähr 135.000 Quadratmetern. Die fünf Gebäude sind zwischen 13 und 20 Meter hoch. Es stehen 1300 Tiefgaragen- sowie 200 Fahrradabstellplätze zur Verfügung.

 
Kommentar hinzufügen

Kommentare

Neueste zuerst | Älteste zuerst | Beste Bewertung
Keine Kommentare gefunden
  Nach oben