Weniger Teilzeit gegen den Lehrermangel? Aus der Region kommt deutliche Kritik
Wie reagieren Verbände auf Ideen der wissenschaftlichen Kommission der Kultusministerkonferenz? Sie empfiehlt etwa, Ruheständler länger in Schulen zu halten oder die Stundenzahl von Teilzeitkräften zu erhöhen. Doch manche sehen die Belastungsgrenze längst überschritten.
Deutschland fehlen Lehrer. Die Ständige Wissenschaftliche Kommission der Kultusministerkonferenz hat ihre Empfehlungen zum Umgang mit dem "akuten Lehrermangel" vorgelegt. Es geht darin unter anderem um Mehrarbeit, die teilweise in Bundesländern schon umgesetzt wird. In der Region ist die Liste umstritten.
Elternvertreterin begrüßt Entlastung von Lehrern
Ruheständler in den Schulen halten, weniger Teilzeit, Lehrer an Schulen mit besonderem Bedarf abordnen: Die Empfehlungen sind lang. Zu den Vorschlägen gehört, Pädagogen von Verwaltungsarbeit zu entlasten. Für Viviane Kalisch ist das eine gute Idee. "Lehrer sollen sich auf den Unterricht konzentrieren", sagt die Vorsitzende des Heilbronner Gesamtelternbeirats. "Die Qualität des Unterrichts steht und fällt mit gutem Lehrpersonal."
Skeptisch ist sie allerdings, ob Gymnasiallehrer tatsächlich schnell für den Einsatz an anderen Schularten weiterqualifiziert werden können - auch das gehört zu den Empfehlungen der Experten. Bis aber Lehrer, die sich im Studium auf die Arbeit an Gymnasien vorbereitet haben, an Grundschulen eingesetzt werden können, dauere es. Viviane Kalisch ist überzeugt: "Erst einmal sind sie eine Mehrbelastung."
Kritik an der Liste kommt auch vom Berufsschullehrerverband (BLV) in Baden-Württemberg. "Die Belastungsgrenze bei Schulleitungen und Lehrkräften ist längst überschritten", so BLV-Vorsitzende Thomas Speck. Er spricht von einem Überstundenberg von 50.000 Unterrichtsstunden. Angesichts dieser Zahlen kämen die Vorschläge "an den beruflichen Schulen gar nicht gut an".
GEW-Sprecher zweifelt daran, dass so die Qualität erhöht wird
Für Harald Schröder von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) sind die Empfehlungen "unausgegoren". Nach Ansicht des GEW-Sprechers im Kreis Heilbronn ist die Situation für Lehrer schon jetzt schwierig. Nun solle die Arbeitszeit verlängert, Klassen sollen vergrößert werden: "Ob das die Qualität verbessert, bezweifle ich." Dass Teilzeit eingeschränkt werden soll, kann er nicht verstehen. Das sei ein gesetzliches Recht. "Der Gesetzgeber müsste es für alle Berufsgruppen einschränken."
Empfohlen wird, dass ältere Jugendliche in der gymnasialen Oberstufe wieder zum Homeschooling übergehen und mehr Zeit zum Selbstlernen bekommen. Harald Schröder wundert sich über diese Anregung: Corona habe doch gezeigt, dass Fernlernen ein Problem gewesen sei. Dieser Vorschlag verdeutliche die verkürzte Haltung, dass man im Unterricht nur möglichst viel Wissen in die Kinder stopfen solle. Aus den Augen geraten andere Aspekte, denn im Homeschooling fallen soziale Kontakte weg. Diesen Vorschlag bezeichnet Harald Schröder deshalb als "zynisch". 16- oder 17-Jährige könnten nicht mit Erwachsenen im Homeoffice verglichen werden.
Homeschooling ist für VBE-Vertreter keine Lösung
Das sieht Sebastian Lutz vom Verband Bildung und Erziehung (VBE) genauso. Man habe die Probleme des Fernlernens durch Corona bemerkt. Dass jetzt dieser Unterricht als Allheillösung herhalten soll, versteht der VBE-Geschäftsführer des Kreisverbands Hohenlohe-Franken nicht. Dass die Kommission gute Lösungen präsentieren würde, hatte er ohnehin nicht erwartet. Perspektivisch müssten mehr Studienplätze geschaffen werden. Dass es stellenweise noch Zugangsbeschränkungen gebe, versteht er nicht. Bis sich etwas verbessere, vergehen noch zehn bis 15 Jahre. Für Sebastian Lutz ist das zu lang. "Man verspielt Potenzial."
Kommentare öffnen


Stimme.de
Kommentare