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Kreist der Polizeihubschrauber über der Stadt, ist es ernst

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Sie fliegt auch über Heilbronn: Die Polizeihubschrauberstaffel des Landes spürt Vermisste auf und hilft bei der Fahndung nach Kriminellen - und das immer erfolgreicher.

Von Heike Kinkopf
Jedes Teil wie diese Rotorblätter hat seinen Wert. Die aktuelle Flotte hat 60 Millionen Euro gekostet. Vergangenes Jahr fliegen die Piloten 2608 Einsätze.
Jedes Teil wie diese Rotorblätter hat seinen Wert. Die aktuelle Flotte hat 60 Millionen Euro gekostet. Vergangenes Jahr fliegen die Piloten 2608 Einsätze.  Foto: Franziska Kraufmann

Was ist los? Ist etwas passiert", fragen sich Menschen in der Region, sobald ein Hubschrauber der Polizei beispielsweise über Heilbronn-Sontheim, Lauffen oder Öhringen tief über dem Ort seine Runden zieht und nicht abdreht. In ihren Ohren klingt das Knattern aus der Luft alarmierend.

Es raubt ihnen nicht selten nachts den Schlaf. "Wenn wir eine halbe Stunde über einem Wohngebiet schweben, ist das natürlich laut", räumt Martin Landgraf ein. Der stellvertretende Leiter der Hubschrauberstaffel des Landes sagt allerdings auch: "Wenn wir in der Luft sind, macht es Sinn. Es geht im Zweifel um Menschenleben."

Dieser Tage verschwindet abends ein 77 Jahre alter Mann aus Künzelsau. Polizisten suchen nach ihm, eine Hubschrauberbesatzung unterstützt die Kollegen am Boden aus der Luft. Die Vermisstensuche nimmt ein gutes Ende. "Wir haben etwa 800 Vermissten-Einsätze im Jahr", sagt Landgraf. Das sind im Schnitt mehr als zwei jeden Tag in Baden-Württemberg. Zu den Hauptaufgaben der Staffel gehört vor allem auch die Fahndung nach Kriminellen.

Fliegendes Personal

Es ist ein nebliger Mittwochmorgen in Heilbronn. In Stuttgart jedoch scheint die Herbstsonne auf das Flughafengelände, zu dem das US-Army-Airfield gehört und das Areal der Polizeihubschrauberstaffel des Landes Baden-Württemberg. Männer in dunkelblauen Overalls mit dem Emblem der baden-württembergischen Polizei auf dem Ärmel bestimmen die Szenerie im Hangar und draußen auf dem Platz davor.

Der Helikopter wird nicht ausgeschlachtet, sondern im Hangar gewartet. Der gründliche Rundum-Check dauert etwa acht Wochen.
Fotos: Heike Kinkopf
Der Helikopter wird nicht ausgeschlachtet, sondern im Hangar gewartet. Der gründliche Rundum-Check dauert etwa acht Wochen. Fotos: Heike Kinkopf  Foto: Kinkopf, Heike

Sechs Hubschrauber hat die Staffel. 50 Polizisten gehören zum fliegenden Personal. "In 15 Minuten sind wir über Heilbronn", sagt Polizeioberrat Landgraf. 30 Minuten dauert es bis zu dem entlegenen Zipfel des Landes, Waldshut Tiengen. 2608 Einsätze sind die Polizisten vergangenes Jahr geflogen. Ein Rekordjahr.

Die Zahl werde dieses Jahr noch getoppt, kündigt ein Sprecher des Präsidiums Einsatz in Göppingen an, zu dem die Staffel gehört. "Sie geht kontinuierlich nach oben." Und mit ihr auch die Zahl der Erfolge, so der Sprecher. Der ganze Stolz der Truppe: Das neue Modell, die H 145 der Firma Airbus Helicopters, ausgestattet mit hochauflösender Wärmebild- und Videoanlage.

Die Nacht wird zum Tag

Wie die Suche beispielsweise nach Räubern oder Einbrecherbanden abläuft, zeigen Videoaufnahmen von den Einsätzen. Die Filme gehen an die örtlichen Dienststellen und an die Staatsanwaltschaft. "Wir können mit unseren technischen Möglichkeiten die Nacht zum Tag machen", erklärt Landgraf. Die detaillierten und gestochen scharfen Bilder liefern der Hubschrauberbesatzung wertvolle Informationen, die sie direkt an die Kollegen der örtlichen Dienststellen übertragen und an die Polizisten im Einsatz weitergeben, die etwa einem flüchtenden Täter nachsetzen.

Versteckt sich eine Buntmetall-Diebesbande auf dem Wertstoffhof? Wo fährt das Auto mit den Tätern entlang, die soeben ein Spielcasino überfallen haben? Die Philosophie der Staffel: "Wir sehen uns als Dienstleister, wir schaffen Sicherheit für die Kollegen am Boden." Aus der Luft lässt sich ein Versteck oder ein Hinterhalt besser ausmachen als vom Boden aus. Drei Worte signalisieren den Beamten unten, dass die Staffel von oben Hilfe leistet: "Bussard vor Ort."

Was die örtlichen Streifen brauchen, wissen die Angehörigen der Hubschrauberstaffel aus eigener Erfahrung. "Eine Stärke von uns ist", sagt Landgraf, "hier hat jeder an der Basis, im Streifendienst, angefangen."

Der Traum vom Fliegen verliert nicht an Reiz

 Foto: Kinkopf, Heike

Technisch sehr gut ausgestattet - Landgraf spricht von einer der modernsten Flottensysteme weltweit -, sind auch die Anforderungen an die Piloten enorm. "Die Staffel besteht aus hochausgebildeten Spezialisten", sagt der 45-Jährige. "Die Piloten fliegen, wenn sonst keiner mehr fliegt."

Mehr zum Thema: Wer sich bei der Hubschrauberstaffel bewerben sollte

Einer von ihnen ist Jochen Lohmüller. Für den 50 Jahre alte Polizeihauptkommissar "ist die Fliegerei vielleicht ein Kindheitstraum". Er erinnert sich an seine Anfänge 1997. "Ich bin mit bangen Gefühlen in das Bewerbungsverfahren gegangen." Er sei nicht wie selbstverständlich davon ausgegangen, dass er auf jeden Fall aufgenommen wird. "Das wäre vermessen gewesen."

Heute ist die Fliegerei ein zentrales Element seines Lebens. "Das verliert seinen Reiz nicht." Was ihm an seiner Tätigkeit gefällt: "Aus der Vogelperspektive die Welt zu betrachten und das mit dem Dienst zu verbinden." Das Fliegen sei eine andere Art, "die Schöpfung zu erleben". Und natürlich: Der eigentliche Polizeidienst ist spannend. Die Fälle, mit denen Lohmüller und seine Kollegen zu tun haben, sind herausfordernd.

Keine Diskussion im Cockpit

Das Fliegen ist körperlich anstrengend. "Wir fliegen nachts immer häufiger, das ist belastend", erzählt Landgraf. Die bildverstärkende Kamera auf dem Helm sei schwer und beanspruche sehr stark die Nackenmuskulatur. Maximal vier, fünf Stunden bleibt ein Hubschrauber in der Luft. Dann kommt die Besatzung an ihr Limit. Deren Können ist im Cockpit jede Sekunde gefragt. Das Bedienen der unzähligen Schalter, Tasten und Hebel beherrschen Piloten blind. Die Crew ist ein Team. Sagt einer "Stopp, wir brechen ab", gibt es keine Diskussion, sagt Landgraf.

Jedem Einsatz folgt hinterher die Analyse. Hätte man den Lichtkegel anders setzen, die Maschine anders positionieren können? Der Anspruch ist es, immer besser zu werden, weil: "Fehler in der Luftfahrt können Menschenleben kosten."

 
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