Vier Wochen Bauchlage: Wie ein Corona-Patient knapp dem Tod entging
Schläuche an den Armen. Schläuche im Gesicht. Auf dem Rücken festgeklebte Sonden. Vier Wochen Bauchlage, 20 Stunden pro Tag. Kaum Möglichkeiten, sich zu bewegen. Das alles wegen einer Infektion mit dem Coronavirus. Unternehmer Carsten Cromm erzählt von seinem Leidensweg.

14 Quadratmeter, ein weiß gestrichener Raum. Maschinen. Lange Zeit wissen die Ärzte nicht, ob Carsten Cromm den Kampf gegen die Delta-Variante gewinnen wird. Er hat es geschafft. Carsten Cromm ist daheim in Hambrücken (Landkreis Karlsruhe).
Mitte November berichtet die Heilbronner Stimme das erste Mal über den 57-jährigen Unternehmer. Seine Frau Verena pendelt damals zwischen eigener Wohnung und Intensivstation des Krankenhauses. Nichts ist klar. Schlägt die nächste Behandlung an, wird er den Kampf gegen Corona gewinnen?
Als bei dem Ehepaar Corona ausbricht, sind beide nicht geimpft. Sie leben und ernähren sich gesund, treiben Sport, "im gesunden Bereich", wie er sagt. Moderates Krafttraining, Mineralstoffe, Spurenelemente, viel Obst und Gemüse.
Carsten Cromm sagt, dass er in den vergangenen 39 Jahren keinen Tag krank gewesen sei. "Seit Jahren noch nicht einmal einen Schnupfen." Einer Infektion sehen beide eher gelassen entgegen. "Wenn wir Corona bekommen, sind wir von einem milden Verlauf ausgegangen." Doch es soll anders kommen. Während sich Verena Cromm mit Erkältungssymptomen quält, verschlechtert sich sein Zustand zusehends. "Ich wollte es nicht wahrhaben, wollte nicht ins Krankenhaus."
Die Sauerstoffsättigung seines Blutes nimmt permanent ab. Als sich seine Hände blau verfärben und er sich nicht mehr auf den Beinen halten kann, kommt er in ein Karlsruher Krankenhaus. "Anfänglich haben mir die Ärzte nicht gesagt, in welchem Zustand ich mich befinde." Zuerst habe er Antibiotika bekommen. Doch die Entzündungswerte in seinem Körper seien immer weiter gestiegen. Irgendwann seien sie nicht mehr messbar gewesen. "Dann haben sie es mit einem Medikament gegen Rheuma versucht. Das hat aber auch nicht funktioniert."
In dem Moment, in dem der Tod sehr nahekommt, schießen Carsten Cromm Millionen Gedanken durch den Kopf. "Zwischendurch war es so, dass ich meiner Frau die Zugangsdaten zu sämtlichen Privat- und Geschäftskonten gegeben habe." Mit der Frage nach einer Vollmacht habe er sich bis dahin nicht konfrontiert gesehen. "Es ging darum, was passiert, wenn ich nicht mehr da bin." Die Situation beschreiben er und seine Frau als unerträglich. Eines Nachts sei der diensthabende Arzt zu ihm gekommen und habe ihm gesagt, dass ihm ein zusätzlicher Zugang gelegt werde. Cromms Werte seien so schlecht gewesen, dass er möglicherweise schnell intubiert werden müsse.
Antikörpertherapie als letzte Chance
Der Schutzengel Cromms trägt einen weißen Kittel und kommt in Person des Oberarztes des Karlsruher Krankenhauses. Er schlägt ihm eine Antikörpertherapie vor. Die sei im Kampf gegen eine Corona-Infektion allerdings noch nicht sehr erprobt gewesen. Und damit nicht genug. "Er hat mir gesagt, dass mein Stadium bereits zu weit fortgeschritten sei." Er habe Cromm darauf hingewiesen, dass er mit dem Rücken zur Wand stehe. Die Antikörpertherapie sei seine letzte Chance. Cromm macht es.
Bange Stunden stehen dem Ehepaar bevor. Schlägt die Therapie an? "Innerhalb von 24 Stunden hat sich der Sauerstofffaktor in meinem Körper um den Faktor fünf verbessert", sagt Carsten Cromm heute. Das Paar ist überglücklich. Und voll des Lobes über das Pflegepersonal der Intensivstation des Krankenhauses. "Die Pflegekräfte waren top." Dass sie ihn als Ungeimpften pflegen müssen, sei nicht ein einziges Mal zur Sprache gekommen.
Verena Cromm macht sich in der Zeit, in der ihr Mann auf der Intensivstation liegt, Vorwürfe. Die werden auch von außen an sie herangetragen. Man sei ja selbst schuld, wenn man sich nicht impfen lasse. Weshalb ausgerechnet ihr Mann einen derart schweren Verlauf durchmacht, führen beide auf den ausgesprochen guten Gesundheitszustand vor der Infektion zurück. "Mein Immunsystem war zu gut. Es hat autoimmun nicht gegen das Virus, sondern gegen sich selbst gekämpft", sagt Carsten Cromm.
Folgen sind noch spürbar
Für ihn gibt es eine Zeit vor und nach der Infektion. Vor der Infektion sei es ihm nicht schwergefallen, längere Läufe zwischen zehn und 15 Kilometer zu absolvieren. Heute sei nach vier Kilometern Schluss. Damit ist er durchaus zufrieden. Kürzlich seien beide am Bodensee wandern gewesen. Das habe ganz gut geklappt. Die Frage, die er sich stellt: "Ist meine Lunge geschädigt und wenn ja, ist sie wieder reparabel?" Mit Folgen von Long Covid, also den Auswirkungen einer Corona-Erkrankung, beschäftigt er sich. Aufschluss darüber soll eine Kur geben, die Carsten Cromm bald antritt.
Vergangenen Freitag hat sich Carsten Cromm das erste Mal impfen lassen. Das hat seine Frau bereits hinter sich.
Antikörpertherapie
Nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums stehen verschiedene Behandlungsmöglichkeiten einer Corona-Erkrankung zur Verfügung. Eine davon sind monoklonale Antikörper, die sich gegen das Coronavirus richten. Die biotechnologisch hergestellten Antikörper sollen das Andocken der Viren an Zellen verhindern und so die Infektion eindämmen.