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Kernobst-Blüten sind von Frostschäden gezeichnet

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Die Nacht auf Montag machte den Obstbauern mit Minusgraden zu schaffen. Dabei gibt es große Unterschiede, was Schäden betrifft. Früh blühende Gehölze sind stärker betroffen, als später blühende. Woran Wissenschaftler jetzt forschen:

Frostberegnung in einer Obstanlage bei Kirchheim: Das immer frühere Ausschlagen vieler Nutzgehölze halten Wissenschaftler für eine Folge des Klimawandels. Das Problem: Je früher die Blüte sich zeigt, desto gefährdeter ist sie.
Foto: Andreas Veigel
Frostberegnung in einer Obstanlage bei Kirchheim: Das immer frühere Ausschlagen vieler Nutzgehölze halten Wissenschaftler für eine Folge des Klimawandels. Das Problem: Je früher die Blüte sich zeigt, desto gefährdeter ist sie. Foto: Andreas Veigel  Foto: Veigel, Andreas

Die Obstbauern rechnen je nach Lage und Obstart mit erfrorenen Blüten. Grund sind die Fröste, die vom Wochenende bis Montagmorgen die Region heimgesucht haben. Am tiefsten fielen die Temperaturen in der Nacht zu Montag. In Hohenlohe war das Thermometer stellenweise auf bis zu minus acht Grad gefallen.

Im Weinsberg und Heuchlingen wurden minus drei, beziehungsweise minus vier Grad gemessen, berichtet Dr. Franz Ruess, Abteilungsleiter an der Staatlichen Lehr- und Versuchsanstalt für Obst- und Weinbau in Weinsberg. Das müsse aber nicht zwingend zu Ernteausfällen führen, erklärt der Wissenschaftler. "Ein normaler Spindelbaum bei Apfel trägt in der Regel tausend Einzelblüten. 100 Früchte reichen aber schon für eine Vollernte."

Was bei Frostschäden den Unterschied macht

Die Schäden durch den Frost vom Wochenende unterscheiden sich laut Ruess je nach Empfindlichkeit der Obstarten und Zeitpunkt der Blüte. So habe es Pfirsiche und Aprikosen "gewaltig erwischt". Hier rechnen die Agrarwissenschaftler von einem Ausfall von 90 bis 95 Prozent der Blüten. Bei Süßkirschen und Zwetschgen ist demnach jede zweite Blüte betroffen, für Birne schätzt Ruess die Schadensquote auf 70 Prozent der Blüten.

Entwarnung dagegen gibt es für Äpfel. Weil diese am Montag noch nicht im empfindlichen Blühstadium waren, seien keine Schäden zu erwarten. Problematisch sei es, wenn sich weitere Fröste ereignen. "Dann werden die bereits dezimierten Blüten weiter ausgedünnt", so der Experte. Die Frostwahrscheinlichkeit bis Mitte April beziffert der Züchter auf 50 Prozent.

Was der Bauernverband empfiehlt

Kurz- und mittelfristig sei die Mehrgefahrenversicherung für die Betriebe eine gute Option wirtschaftliche Ausfälle durch Fröste abzusichern. Langfristig müsse sich die Branche aber stärker mit Schutzmaßnahmen gegen Ernteausfälle wappnen. Für die Betriebe bedeutet das den Einsatz von Frostschutzberegnung. Die Forschung sei dabei, später blühende Sorten zu züchten.

Eberhard Zucker, Vorsitzender des Bauernverbandes Heilbronn-Ludwigsburg, empfiehlt seinen Kollegen, die staatlich geförderte Mehrgefahrenversicherung zur Ertragssicherung abzuschließen, die Bauern seit der Saison 2020 nutzen können. Das Land übernimmt die Zahlung der Prämie in Höhe von 50 Prozent.

Wie die Lage beim Wein ist

In den Weinbergen der Region sind zum derzeitigen Stand keine Schäden zu beklagen. "Im jetzigen Vegetationsstadium hält sich die Gefahr in Grenzen", erklärt Hermann Morast als Geschäftsführer des Weinbauverbands Württemberg. "Blutende Ruten", also Tröpfchen an den Enden der Rebbögen, seien aber ein Zeichen, "dass nach dem Winterschlaf das Leben erwacht".

In sehr guten Lagen befänden sich die Knospen auch schon im sogenannten Wollstadium. Wann die ersten Triebe sprießen, hänge vom Wetter ab. "Grob gesagt dürfte es um Ostern rum soweit sein", schätzt Morast. Und dann dürften auch die Wengerter beten, denn bis Mitte Mai muss mit Spätfrösten gerechnet werden, die wie in den Vorjahren die Reben erheblich schädigen können.


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Wie ein Obstbauer dem Frost begegnet

Jürgen Martin, Obstbauer in Bretzfeld-Siebeneich, war in der Nacht auf Montag ab halb zwei in seinen Anlagen unterwegs. Nicht allein, um die Temperatur zu kontrollieren, die in Höhenlagen minus zwei und in tieferen minus fünf Grad betragen hat. Er hat mit seinem sogenannten Fogdragon Rauch und Nebel erzeugt und hofft so, Pflanzen schützen zu können. Dafür werde grünes Holz hinten auf dem Traktor verbrannt und sogar mit Wasser besprüht, damit es richtig qualmt. So wird eine Wolkendecke vorgegaukelt. Denn das Problem in der Nacht auf Montag war, dass es ab 22 Uhr aufgeklärt hat. So stieg die warme Luft nach oben, am Boden wurde es kälter und kälter. Deshalb waren auch tiefere Lagen stärker vom Frost betroffen als höhere.

Was bei Kontrollgängen festgestellt wird

Kai Bauer, Obstbauberater für die gesamte Region, betont, dass es noch zu früh sei, abschließend den entstandenen Schaden zu beurteilen. Er ist aber froh, dass die Temperaturen nicht so weit abgesunken sind, wie es prognostiziert worden war. Und viele Obstbauern hätten reagieren können und mit Abdeckungen, Nährsalz-Düngungen, Frostkerzen und Beregnung reagiert. Bei den Kontrollgängen am Montag hat Kai Bauer nur vereinzelt stärkere Schaden durch erfrorene Blütenanlagen festgestellt. So geht er bisher nicht von einem Totalausfall in diesen Kulturen aus. "Wobei sich die Schäden oft erst etwas später zeigen und oft auch mit sichtbaren Qualitätseinbußen einhergehen", sagt er. Ernte-Prognosen können erst nach den Eisheiligen im Mai abgegeben werden.

Wie viele Betriebe eine Ertragsversicherung abgeschlossen haben

Vor dem Hintergrund immer häufigerer Wetterphänomene, wie Spätfrost und Hagelschlag hat die Landesregierung 2019 das Projekt "Ertragsversicherung Obst- und Weinbau" aufgelegt. So wurden für die Obst- und Weinsaison 2020 erstmals Versicherungen gegen die Risiken Starkfrost, Sturm und Starkregen gefördert. In diesem Jahr nehmen 1650 Obst- und Weinbaubetriebe mit einer Versicherungsfläche von knapp 16 200 Hektar am Programm teil. Die geförderten Frostversicherungen decken inzwischen rund 30 Prozent der Kern- und Steinobstflächen und rund 40 Prozent der Weinbauflächen im Land ab.

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