Kein Radfahr-Führerschein, kein Zertifikat
Wegen Corona können einige Viertklässler keine klassische Radfahrausbildung absolvieren. Die Polizei rät Eltern, selbst mit den Kindern das Radfahren und das richtige Verhalten im Straßenverkehr zu üben.

Für viele Viertklässler ist die bestandene Radfahrprüfung wie ein Ritterschlag. "Die Schüler sind stolz wie Bolle, wenn sie ihren ,Führerschein" und ihr Zertifikat von einem Polizisten überreicht bekommen und ab da mit dem Rad in die Schule fahren dürfen", weiß Harald Schröder, Schulleiter der Elly-Heuss-Knapp-Gemeinschaftsschule in Heilbronn. Doch aufgrund der Corona-Pandemie findet aktuell keine klassische Radfahrausbildung mit praktischer Prüfung mehr statt. Einen Nachholtermin gibt es für die betroffenen Viertklässler nicht. Polizei, Schulen und die Deutsche Verkehrswacht empfehlen Eltern deshalb, ihre Kinder selbstständig auf den Straßenverkehr vorzubereiten.
Am 1. September 2017 trat die Vorschrift des Innenministeriums und des Kultusministeriums zur Radfahrausbildung in der schulischen Verkehrserziehung in Kraft. Dabei übernimmt die Schule den theoretischen Part. Der praktische Teil findet in Zusammenarbeit mit der Polizei statt. Orts-und Kreisverkehrswachten unterstützen mit Equipment oder Verkehrszeichen. Jährlich durchlaufen in der Region 5200 Schüler die Ausbildung.
Für Betroffene gibt es keinen Nachholtermin
Noch bis März fand für rund die Hälfte der Viertklässler die klassische Radfahrausbildung mit praktischer Prüfung statt, dann kamen die Kontaktbeschränkungen. Für diejenigen, die jetzt an der Reihe wären, gibt es keine Chance, die Prüfung nachzuholen. "Als Polizei müssen wir uns an die Entscheidung des Kultusministeriums halten", erklärt Lisa-Maria Klesse. In Hinblick auf die Verkehrssicherheit der Mädchen und Jungen sei die Absage der praktischen Radfahrausbildung nicht optimal, betont die Leiterin vom Referat Prävention beim Polizeipräsidium Heilbronn.
Von Seiten der Polizei werde den Eltern deshalb empfohlen, selbst mit dem Kind zu üben. Für die theoretischen Grundlagen bietet die Deutsche Verkehrswacht (DVW) bis Ende Juli ein kostenloses Online-Portal für Schüler an.
Strecken gemeinsam abfahren, Situationen an Kreuzungen besprechen
"Erst wenn Verkehrzeichen und -regeln sitzen, sollten praktische Versuche in einem Bereich ohne regulären Verkehr gemacht werden." Später sollten Eltern wichtige Strecken, zum Beispiel zur weiterführenden Schule, mit dem Kind abfahren, markante Stellen wie Kreuzungen besprechen und mehrfach üben. Etliche Schulen versuchen die Situation zu kompensieren. Tobias Schulz-Wolfframsdorff, Rektor der Grundschule Hagenbach in Bad Friedrichshall, berichtet: "Wir bekommen Schilder von der Polizei. Die Klassenlehrer möchten in einer noch freien Woche mit den Kindern üben."
Kostenloses Online-Angebot
www.radfahrausbildung-zuhause.de
"Für die betroffenen Viertklässler ist das Ganze sehr bedauerlich", weiß Harald Schröder. Der Schulleiter ist nicht begeistert von der Absage. "Die Ausbildung ist ein enormer Kompetenzzuwachs für das Verhalten der Schüler im öffentlichen Straßenverkehr." Das Kultusministerium hätte differenzieren und den praktischen Teil in abgewandelter Form ermöglichen sollen, "zum Beispiel auf dem Pausenhof statt auf der Übungsanlage". Christoph Eberlein, Vorsitzender des Gesamtelternbeirats in Heilbronn, findet, dass "egal ob Corona-Krise oder nicht: Die Eltern sollten immer auch zusätzlich mit den Kindern das Radfahren üben."


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