Lehrermangel in drastischem Ausmaß: Jonglieren mit Lehrerstellen bei den SBBZ
Angesichts des Lehrermangels setzen die Sonderschulen in der Region auch auf gegenseitige Solidarität, um Ausfälle zu kompensieren. Für die Bildungsgewerkschaft GEW sind die derzeitigen Arbeitsbedingungen nicht akzeptabel.

Den Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren (SBBZ) im Land fehlt es nach wie vor an Lehrern - in zum Teil drastischem Ausmaß. An einigen Einrichtungen im Bereich des Staatlichen Schulamts Heilbronn, das den Stadt- und Landkreis Heilbronn umfasst, liegen die Versorgungslücken bei 30 Prozent und mehr.
"Mehr als angespannt" ist die Personallage etwa an der Kraichgauschule (KGS) in Eppingen-Elsenz, sagt deren Rektor Günter Schimek, da sei sein Haus keine Ausnahme: "Manche SBBZ müssen mit einer Versorgung von unter 70 Prozent arbeiten", schildert Schimek. Im Verhältnis dazu stehe die Kraichgauschule mit einer Versorgung von 89 Prozent gut da.
Statt der zurzeit neun Vollzeitstellen wären indes 13 notwendig, um "die notwendige sonderpädagogische Arbeit - Unterricht, Beratung, Frühförderung, Inklusion - im Sinne der Kinder und Jugendlichen mit Förderbedarf abdecken zu können", sagt der Schulleiter.
Unterrichtsausfall kann vermieden werden
Um Versorgungslücken abzufedern setzen die Einrichtungen laut Schimek auf Solidarität: Besser ausgestattete Einrichtungen leisten den anderen durch Abordnung Hilfe. Das reißt allerdings dort wiederum Lücken: Durch die Verteilung von Wochenstunden "ist an keiner Schule mehr das sonderpädagogische Handeln im Sinne der Bildungspläne der einzelnen Fachrichtungen gegeben", sagt der KGS-Leiter. Unterrichtsausfall gebe es an seiner Schule aktuell aber kaum. Lediglich an einem von drei Nachmittagen könne kein Unterricht angeboten werden. "Da wir auch vom Schülertransport abhängig sind, können keine kurzfristigen Unterrichtsausfälle stattfinden", erläutert der Schulleiter.
Lehrermangel oder Ausfälle würden durch interne Maßnahmen abgefedert, etwa durch Zusammenlegung von Lerngruppen oder Mehrarbeit der Lehrer. Eine Besserung der Versorgung ist laut Günter Schimek aber wohl nicht abzusehen: "Besonders in der Sonderpädagogik wird die Lage in den nächsten Jahren sehr angespannt bleiben, da keine ausgebildeten Sonderpädagogen zur Verfügung stehen werden."
Gewerkschaft: Adäquate Förderung nicht mehr möglich
Aus Sicht der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) im Kreis Heilbronn ist die Situation auch für die Schüler und deren Familien "nicht mehr akzeptabel", so deren Sprecher Harald Schröder. Durch den Personalmangel sei es oft nicht möglich, Schüler in allen SBBZ-Arten adäquat zu fördern. Die Gewerkschaft sieht darin "eine sehr bedauernswerte Benachteiligung der Schüler mit Handicap".
Die Lehrer stünden sowohl psycho-mental als auch körperlich oft unter hoher Dauerbelastung. Vielfach sei gerade in den Schulen mit Schwerpunkt Geistige Entwicklung und Körperlich-Motorische Entwicklung auch die Körperpflege der Schüler wichtig, bis hin zum Wickeln und Waschen. Da es hierfür auch an Mitarbeitern im Freiwilligen Sozialen Jahr mangelt, müssten oftmals ältere Kollegen diese Aufgaben übernehmen, schildert Schröder. Im Sinne des Arbeits- und Gesundheitsschutzes sei dies nicht akzeptabel.
Kritik an technischer Ausstattung vieler Schulen
Um Vertretungen etwa im Krankheitsfall auffangen zu können, brauche es "eigentlich eine 110-prozentige Versorgung". Dem Lehrberuf fehle es auch im Bereich Sonderpädagogik an Attraktivität, sagt Harald Schröder: "Wir brauchen an allen Schulen attraktive und mit erfolgreichen Unternehmen vergleichbare Arbeitsbedingungen. Die Unkündbarkeit als Beamter reicht nicht mehr als Motivation." Auch die technische Ausstattung vieler Schulen liege im Argen. Schröder: "Es gibt nicht ausreichend Lehrertablets, in vielen Schulen funktioniert das WLAN nicht, Schulgebäude sind zum Teil in einem miserablen Zustand. Damit gewinnt das Land keinen Blumenstrauß im Wettbewerb um junge Menschen."
Notwendig wäre aber auch "eine gute, fundierte, berufsbegleitende und nachhaltige Fortbildung für die Personen ohne Lehramtsausbildung", so GEW-Sprecher Schröder. Diese wollten ja an SBBZ arbeiten und benötigten daher entsprechende Kompetenzen in Didaktik, Methodik und den Schwerpunkten der Sonderpädagogik, in denen sie eingesetzt sind.
19 Vollzeitstellen kompensieren Ausfälle
Über die Vertretungsreserve für den Bereich der Sozialpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren BBZ werden derzeit im Schulamtsbezirk Heilbronn 10,3 Vollzeitstellen abgedeckt. Darüber hinaus sind aktuell gut 19 Vollzeitstellen nötig, um Ausfälle zu kompensieren, die etwa durch Krankheit oder Mutterschutz hinzukommen. Diese Zahlen nennt die Baden-Württembergische Kultusministerin Theresa Schopper in ihrer Antwort auf eine kleine Anfrage des Heilbronner Landtagsabgeordneten Nico Weinmann (FDP). Zur Gesamtzahl der ausgefallenen Unterrichtsstunden an den SBBZ in der Region liegen laut Schopper keine Daten vor.