Fragwürdiger Internettrend erreicht die Region: Massive Zerstörungen an Schulen
Zerstörung von Toiletten: Dieses Phänomen, ausgelöst durch soziale Medien, hat auch die Region erreicht. Vermutlich steckt dies auch hinter dem Großeinsatz der Polizei in Obrigheim. Der könnte für die Familien der Tatverdächtigen teuer werden.

Ein Großeinsatz der Polizei an einer Gemeinschaftsschule in Obrigheim, ein überfluteter Keller in der Realschule in Neckarsulm: Beide Fälle, geschehen in wenigen Tagen, lassen sich vermutlich auf einen Internettrend zurückführen. Die Polizei warnt vor den Folgen solcher vermeintlicher Scherze. Den Schulen sind stellenweise Hände gebunden, Prävention haben sie aber auf dem Schirm.
Für Obrigheim könnte Rechnung auf Familien der ermittelten Kindern zukommen
100 Einsatzkräfte rückten in Obrigheim an, darunter Spezialkräfte und ein Polizeihubschrauber. Auch Rettungsdienste und die Feuerwehr waren im Einsatz. Ein vermeintlicher Amoklauf führte zu diesem Großaufgebot im Neckar-Odenwald-Kreis. Die Polizei vermutet, dass hinter solchen Taten, die vermehrt auftreten, vermutlich Aufrufe in Sozialen Medien stecken. Im Videoportal Tiktok würden Nutzer dazu aufgefordert, Straftaten anzudrohen. Versprochen wird, dass dann der Unterricht ausfällt.
Die Polizei prüft, ob für den Einsatz die Familien der ermittelten Kinder die Kosten übernehmen müssen. Bis zu 20.000 Euro stehen im Raum, so das zuständige Polizeipräsidium in Heilbronn.
Schulen in der Region kennen das Phänomen. „In diesem Ausmaß habe ich das noch nicht erlebt“, sagt Harald Schröder von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Vandalismus an Schulen, ausgeführt von einzelnen, hat für den GEW-Kreissprecher in der Region Heilbronn eine „ganz neue Qualität“ erreicht.

Harald Schröder bezieht sich damit nicht allein auf die großen Fälle in Obrigheim und Neckarsulm, wo Unbekannte Wasserhähne aufgedreht und Abflüsse verstopft haben. Das Wasser floss über die Waschbecken hinaus durch Gänge bis in Keller. Der Gewerkschafter meint damit demolierte, verstopfte und verdreckte Toiletten. Solch großflächige Schäden sind für ihn ganz neu.
Lehrer können Toiletten nicht kontrollieren
Den Lehrern sind allerdings die Hände gebunden. Effektive Maßnahmen, um die Zerstörung von Toiletten zu verhindern, gebe es nicht, sagt Harald Schröder. Denn schließlich handele es sich hier um sehr intime Räume. Obwohl es ständige WC-Kontrollen nicht geben kann, so besprechen sich die Kollegen schon über Möglichkeiten, um dem Thema zu begegnen.
Der Internettrend, der zur „massiven Zerstörung“ aufruft, kommt in den Schulen an, bedauert Melanie Haußmann. Mit ihren Kollegen will sie gegensteuern, ein Bewusstsein für Gemeinschaftseigentum und auch die finanziellen und strafrechtlichen Folgen schaffen, sagt die Geschäftsführende Schulleiterin in Heilbronn. Vandalismus sei bei Lehrern ein Thema, man bespreche es mit den Eltern, ziehe die SMV mit ein. Man sensibilisiere beim Umgang mit Sozialen Medien. Außerdem befasse man sich damit, dass es sich bei Toiletten um Einrichtungen für alle handele. Nur: Was letztendlich Kinder in ihrer Freizeit mit dem Handy machen, das wisse man nicht.
Auch Schulsozialarbeiter arbeiten präventiv
Prävention haben die Verantwortlichen der Schulsozialarbeit auf dem Schirm. „Es gibt viele Bausteine“, sagt Florian Flaws, Schulsozialarbeiter in Eppingen. Er gehe mit Kindern ins Gespräch, es gebe verschiedene Veranstaltungsformate, außerdem habe er schon Info-Briefe an Eltern verfasst. Je nach Vorfall müssten ganze Klassen ihre Handys zeigen und Nachrichten löschen. In der Pflicht sind auch Eltern Es könne helfen, sagt er, wenn Mütter und Väter schauen, was die Kinder mit ihren Handys machen.
Jugendliche sollen sich der Konsequenzen des eigenen Handelns bewusst werden
In Neckarsulm veranstaltet die Schulsozialarbeit vielfältige Projekte, um Schüler für den Umgang mit Sozialen Medien zu sensibilisieren und auf die Risiken hinzuweisen. Rathaussprecher Andreas Bracht erklärt: "Ziel ist es, Medienkompetenz zu vermitteln, damit die Kinder und Jugendlichen mit schwierigen Situationen souverän umgehen können." Dazu gehöre, eigene riskante Verhaltensweisen zu entdecken und sich der Konsequenzen des eigenen Handelns bewusst zu werden. "Hier geht es vorrangig um das Thema Cyber-Mobbing, sogenannte Online-Challenges spielen weniger eine Rolle." Der Stadtsprecher betont: "Grundsätzlich müssen junge Menschen frühzeitig lernen, dass ihr Handeln in der realen wie in der virtuellen Welt Konsequenzen hat." Das gelte auch für alle Selbstdarstellungen in den Sozialen Medien, also sowohl für Informationen, die man unüberlegt über sich selbst preisgibt, als auch für Mutproben, zu denen man sich anstacheln lässt.