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Informationen über die Schwarz-Stiftung? Wenn in Akten blättern 10.000 Euro kostet

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Es klingt simpel: Max Kronmüller aus Lehrensteinsfeld will über die Plattform "Frag den Staat" wissen, in welche Projekte die Dieter-Schwarz-Stiftung Geld investiert und wie sie sich mit Behörden austauscht. Doch Antworten zu erhalten, ist nicht so leicht - und ziemlich teuer.

Fast alles, was eine Behörde tut, ist irgendwo verzeichnet, in Aktenordnern oder digital. Bürger haben mit dem Informationsfreiheitsgesetz das Recht, Ämtern über die Schulter zu schauen und Akten einzusehen. So wie Max Kronmüller. Er ist in Lehrensteinsfeld aufgewachsen und arbeitet als studentischer Mitarbeiter bei der Open Knowledge Foundation. Der Verein betreibt die Internetseite www.fragdenstaat.de, die Bürger unterstützt, wenn sie etwas von Behörden wissen wollen.

Als die Wochenzeitung "Zeit" einen Artikel veröffentlicht, der sich um das Wirken des Lidl-Gründers Dieter Schwarz und seiner Stiftung dreht, will der 20-Jährige mehr wissen. "Ich war begeistert, dass überregional über die Tätigkeiten der Stiftung berichtet wurde - und wie wenig Konkretes über die Stiftung, die Zusammenarbeit mit den Städten und Kommunen und ihren Einfluss und Arbeitsweisen bislang herauszufinden ist." Ihn interessiert zudem, wieviel Geld die Dieter-Schwarz-Stiftung in welche Projekte investiert.

Schon bald ist klar: Sehr viele Dokumente kommen infrage

Also stellt Kronmüller über die Plattform "Frag den Staat" einen Antrag nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) an die Stadt Heilbronn, die Stadt Neckarsulm, das Landratsamt Heilbronn und das Kultusministerium. Von den vier Behörden fordert Kronmüller, ihm "sämtliche Kommunikation (E-Mails, Gesprächsprotokolle, Briefe, etc.) mit Zugehörigen der Dieter-Schwarz-Stiftung" zuzusenden.


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Wenige Wochen später treffen erste Antworten ein. Neckarsulm und Heilbronn bitten darum, den Antrag zu konkretisieren. Es sei mit einem "äußerst erheblichen Verwaltungsaufwand zu rechnen", heißt es aus Neckarsulm. Deutlicher wird die Stadt Heilbronn. Der Antrag umfasse "eine Vielzahl an Dokumenten in einer Vielzahl von einzelnen Aktenvorgängen über einen sehr langen Zeitraum". Weil der Erkenntnisgewinn im Vergleich zum Arbeitsaufwand gering sei, werde man den Antrag voraussichtlich ablehnen. Das Landratsamt teilt Kronmüller Ende Januar mit, keine Anfrage erhalten zu haben. "Bitte übersenden Sie uns diese erneut."

Fast jedes Heilbronner Amt könnte sich mit der Schwarz-Stiftung ausgetauscht haben

Kronmüller präzisiert seine Anfragen. Es gehe ihm um alle Personen, die im Namen der Stiftung agieren und sämtliche Kommunikation mit der Stiftung. Heilbronn lehnt den Antrag daraufhin wegen des "unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwands" ab.

Da der Antrag weder zeitlich noch anderweitig eingegrenzt sei, beziehe er sich auf alle Mitarbeiter und jeden Behördenaustausch seit Gründung der Schwarz-Stiftung im Jahr 1999, erklärt die Stadtverwaltung.

Es gebe keine gesonderte Aktenführung über die Schwarz-Stiftung, deshalb seien die Infos wohl auf alle 28 Ämter verteilt. "Zwar wird im Bereich des Schul-, Kultur- und Sportamts ein Schwerpunkt der erfolgten Kommunikation liegen", erklärt die Stadtverwaltung, "aber auch in allen anderen Bereichen von Abfallgebühren bis Zulassung von Firmenwagen kann eine Kommunikation stattgefunden haben".

Digital suchen ist keine Option, weil die E-Akte erst bis 2028 kommt

Außerdem sei keine digitale Suche nach Akten möglich. Die elektronische Akte werde bis frühestens 2028 eingeführt. "Dies bedeutet, dass in einer Vielzahl von Vorgängen tatsächlich händisch aktuelle und auch bereits abgelegte Akten in Papierform durchgeblättert werden müssten." Dafür wäre die höchstmögliche Gebühr von 10.000 Euro fällig, die die entstehenden Kosten jedoch "nicht annähernd" decken würde.

Das Landratsamt Heilbronn bestätigt, Informationen zu haben. Einzelne Fachbereiche müssten jedoch erst gefragt werden, welche das sind. Anschließend müsse für jedes Dokument geprüft werden, ob darin Geschäftsgeheimnisse oder personenbezogene Daten vorkommen. In diesem Fall regelt das Informationsfreiheitsgesetz, dass der Schutz dieser Daten wichtiger als das Auskunftsrecht sein kann. Das Landratsamt verlangt dafür nach "wohlwollender Berechnung" rund 2000 Euro Gebühr.

Auch Neckarsulm geht von unverhältnismäßigem Aufwand aus

Die Stadt Neckarsulm erklärt, dass die gewünschten Informationen viele Akten und einen langen Zeitraum umfassen. Der Aufwand, um etwa Gesprächsnotizen aus einzelnen Vorgängen zusammenzustellen, sei "äußerst erheblich, zumal diese Dokumente weit überwiegend gar nicht digital vorliegen".

Es zeichne sich ab, dass Unterlagen "quer durch die Verwaltung relevant wären", erklärt ein Sprecher auf Anfrage. Diese würden auf unterschiedliche Arten abgelegt, ein Großteil liege wohl nur in Papierform vor. Einen Stichtag, ab wann Akten digital vorliegen, gebe es nicht. Derzeit führe die Stadt ein Datenmanagement ein. Wegen des hohen Aufwands könne der Antrag abgelehnt werden.

In anderen Bundesländern beträgt die Gebühr maximal 500 Euro

Max Kronmüller will sich davon nicht abhalten lassen. Er hat um Vermittlung von Stefan Brink gebeten, der als Landesdatenschutzbeauftragter auch für die Informationsfreiheit zuständig ist. "Ich hoffe, dass die Gebühren gesenkt werden", sagt Kronmüller. Auf Bundesebene und in einigen Bundesländern sind sie bei 500 Euro gedeckelt.

Auch das Argument, dass Akten nicht digital vorliegen oder auf mehrere Ämter verstreut sind, überzeugt den 20-Jährigen nicht. "Dezentrale Verwaltung klingt für mich wie ein Codewort für Chaos. Man kann das IFG nicht aushebeln, indem man Akten schlecht verwaltet." Er hofft, dass solche Anfragen einfacher werden. "Es ist sehr schwierig, man braucht viel juristisches Know-how und man muss viel Geld und Zeit investieren."

Sprecher des Datenschutzbeauftragten empfiehlt, Anfragen thematisch oder zeitlich einzugrenzen

Hoffnung darauf macht Heilbronns Pressesprecherin Suse Bucher-Pinell. Die E-Akte werde künftig zum Standard. "Wo es sinnvoll ist, werden bestehende Papierakten nachdigitalisiert." Dann sei es einfacher, überall auf Daten zuzugreifen und sie zu veröffentlichen. Empfehlenswert sei, IFG-Anfragen möglichst einzugrenzen, zum Beispiel auf ein bestimmtes Projekt oder bestimmte Jahre.

Das empfiehlt auch Cagdas Karakurt, Sprecher des Datenschutzbeauftragten. "Wenn von vornherein erkennbar ist, dass es sich um eine sehr große Menge an amtlichen Informationen handeln wird, sollte man schrittweise vorgehen." Allerdings gelte: IFG-Anträge müssen nicht gerechtfertigt werden und Gebühren dürften nicht als Abschreckung dienen.

 

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