Ihr Opa war der Vater des ersten Mercedes: Wilhelm Maybach
Die heute 97-jährige Irmgard Schmid-Maybach erinnert sich noch gut an ihre berühmten Vorfahren Wilhelm Maybach, den sogenannten König der Konstrukteure. Am 9. Febraur vor 175 Jahren kam er zur Welt. Er hatte den ersten Mercedes-Motor gebaut.

Sie ist die Enkelin von Wilhelm Maybach, der vor genau 175 Jahren in Heilbronn zur Welt kam. Er gilt als König der Konstrukteure und als der Erfinder des ersten Mercedes. Und sie ist die Tochter von Karl Maybach, der als Motoren- und Automobil-Konstrukteur in die Fußstapfen seines Vaters trat und unter anderem den Inbegriff für Luxusautomobile baute: den Maybach. Die heute 97-jährige Irmgard Schmid-Maybach lebt in San Francisco/USA. Eine Projektgruppe der Heilbronner Wilhelm-Maybach-Schule hat sie für eine Festschrift interviewt, die im Sommer erscheinen wird. Die Heilbronner Stimme gibt das Gespräch vorab etwas gekürzt wieder.
Wie war das früher im Hause Maybach für sie als Kind, quasi zwischen Dieselgeruch und Motorenlärm?
Irmgard Schmid-Maybach: Mein Vater hat Arbeit und Privatleben recht streng getrennt. Es wurde nie darüber gesprochen, was mein Vater im Geschäft machte. Dazu gibt es auch eine Anekdote. Als meine älteste Schwester in die Schule gekommen ist, wurden alle gefragt, was ihre Väter machen. Sehr viele antworteten: Mein Vater schafft im Motorenbau. Genau das hat meine Schwester auch gesagt.
Heute leben Sie in San Francisco. Welche Gründe haben Sie bewogen, als Lebensmittelpunkt die USA zu wählen?
Schmid-Maybach: Mein Mann war bereits in den USA als Arzt etabliert. Ich hatte ihn vorher in den USA kennengelernt und wir hatten in Deutschland geheiratet. Vom ersten Tag an, als wir 1957 umgezogen waren in die USA, war ich die Arzthilfe in seiner Praxis. Deutschland war dennoch weiter sehr wichtig, hier habe ich meist die Jahre über mehrere Wochen verbracht.
Ihr Großvater Wilhelm hatte keinen einfachen Start ins Leben, mit acht Jahren war er Vollwaise, kam mit zehn Jahren ins Bruderhaus nach Reutlingen. Wie haben Ihren Großvater die schwierigen Umstände in seiner Jugendzeit geprägt?
Schmid-Maybach: Wie soll ich das ausdrücken. Mein Großvater hat gar nie sich über irgendwas beklagt und er hat das Leben so hingenommen, wie es auf ihn zugekommen ist.
Ihr Großvater hatte das Glück, zur richtigen Zeit Freunde und Förderer zu finden. Wie wichtig waren für ihn Gottlieb Daimler und Emil Jellinek?
Schmid-Maybach: Der Begriff der Freundschaft ist hier etwas unscharf. Partnerschaft trifft das Ganze aber recht gut: Gottlieb Daimler hat die Projekte umrissen, Wilhelm Maybach als unermüdlicher Konstrukteur hat die Lösungen gefunden. Ähnlich war es mit Jellinek, der benannte, was er suchte, – mein Großvater hat das dann technisch möglich gemacht. Von ihm gibt es wohl auch den Ausspruch: Ich und der Herr Jellinek haben den Mercedes gemacht.
Wenn Sie heute einem Schüler oder einer Schülerin begegnen würden, was würden Sie ihm oder ihr gerne von Ihrem Großvater erzählen?
Schmid-Maybach: Mein Großvater hat sein ganzes Leben lang gearbeitet. Sobald eine Sache fertig war, wurde schon die nächste Sache angegangen. Die Dinge zu Ende bringen, aber auch schon über das Nächste nachzudenken, immer auf das Neue aus. So hat mein Großvater auch das moderne Automobil, den ersten Mercedes entwickelt. Maybach-Produkte waren nicht als Luxusprodukte konzipiert, sondern als Hochleistungsprodukte mit Qualität, die dann auch noch stetig verbessert worden sind. Dieses Qualitätsdenken und der Wille, dieses Bestreben konsequent zu verfolgen, ist etwas, das auch heute in Zeiten der Digitalisierung Bestand hat.
Und was würden Sie von Ihrem Vater erzählen?
Schmid-Maybach: Jemand, der den Hof kehrt, ist genauso wichtig, wie jemand, der am Reißbrett steht. Das Menschliche im Blick zu behalten, jeden für seine Aufgabe zu respektieren, das war meinem Vater sehr wichtig. Aber auch von seinem bedingungslosen Qualitätsdenken würde ich erzählen, denn Maybach war kein Luxus an sich. Die Produkte waren das Beste und wurden immer weiter verbessert und so eben teuer.
Ihr Vater und ihr Großvater haben sehr eng zusammengearbeitet. Wie war ihr Verhältnis?
Schmid-Maybach: Sehr eng. Es war ein stetiges Unterstützen und Fördern. Mein Großvater hat meinem Vater schon sehr früh Studienaufenthalte ermöglicht, die beiden waren über lange Zeit in ständigem Briefkontakt. In diesen Schreiben, die heute noch erhalten sind, ging es fast ausschließlich um technische Fragestellungen, zu denen die beiden sich intensiv ausgetauscht haben. Ich bin zwar fast 100 Jahre alt, aber kann mich noch gut daran erinnern.
Ihr Vater hat auch die Maybach-Wagen gebaut, von denen die Maybach-Schule einen SW 38 besitzt. Was war ihm bei deren Konstruktion wichtig?
Schmid-Maybach: Höchste Qualität ohne Kompromisse war ihm enorm wichtig – bei allen Bestandteilen vom ersten Wagen an. Dieses Qualitätsdenken ging aber noch damit einher, dass man stets den Nutzer im Blick hatte: Ein Wagen, der sich mit einem Hebel am Lenkrad schalten lässt, das war eine große Erleichterung und Neuheit für die Zeit gleichermaßen.
Die Automobilindustrie befindet sich heute im Umbruch. Was wäre Ihrem Vater und Ihrem Großvater für das Auto der Zukunft wichtig gewesen?
Schmid-Maybach: Nutzerfreundlichkeit war etwas, das beide in jedem Fall im Blick hatten, sei es die Sicherheit des Fahrers der ersten Mercedes, den mein Großvater entwickelt hatte oder seien es die Motoren für Züge, die mein Vater entwickelt hatte, um nur Beispiele zu nennen. Mit der Verdieselung wurden die Züge effizienter und es brauchte keinen Heizer mehr, der die Kohlen schippen musste. Aber auch Umweltschutz und Nachhaltigkeit sind insbesondere heutzutage sehr wichtige Aspekte.


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