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Hochwasserschutz rund um den Theresienturm entdeckt

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Der markante Heilbronner Theresienturm wird über eine Rampe erschlossen und für Führungen zugänglich gemacht. Dieser Tage begannen die Vorarbeiten. Bagger stießen auf Überraschendes.

Von Kilian Krauth

Der 86-jährige Hermann Kautz aus Jagstfeld erinnert sich noch gut, wie er nach dem Krieg als Lehrling an der Heilbronner Theresienwiese stand und das Neckarhochwasser einen Zirkus umschloss. "Da waren lauter Liliputaner, die schauten ganz traurig." Die bittersüße Erinnerung des Rentners passt zu einer Entdeckung, die Bauarbeiter jetzt zu Füßen des Theresienturms machten.

 

Der ehemalige Flakturm und Hochbunker soll über eine Rampe erschlossen und zu einer authentischen Gedenkstätte werden. Dieser Tage begannen die Vorarbeiten. Beim Abtragen einer zwei Meter hohen Erdschicht, die den 28,50 Meter hohen Beton- und Sandsteinbau umgab, stieß der Bagger auf eine Spundwand, die den Turm - er hat einen Durchmesser von zwölf Metern - umfängt und fünf Meter tief ins Erdreich reicht.

 

 

 

 

Turm mitten im einstigen Hochwassergebiet

Über eine Metallrampe wird das markante Gebäude zugänglich gemacht. Infotafeln sollen auf die Historie hinführen.
Über eine Metallrampe wird das markante Gebäude zugänglich gemacht. Infotafeln sollen auf die Historie hinführen.  Foto: Berger, Mario

"Im Prinzip handelt es sich um den Hochwasserschutz", erklärt Projektleiterin Daniela Branz vom städtischen Hochbauamt, mindestens eins der zehn Stockwerke liege unter der Erde. Die Dielen seien 1940 kreisförmig um die Baugrube angebracht worden, um das spätere Betonfundament abzusichern. Wie Stadthistoriker Peter Wanner weiß, gab es bis zur Fertigstellung des Neckarkanals in den 1950er Jahren auf dem Hammelwasen, der erst nach dem Maria-Theresien-Ordensfest von 1815 in Theresienwiese umgetauft wurde, oft Hochwasser.

Im Grunde diente der ganze Bereich von je her als Überschwemmungsgebiet. Wegen der Staugefahr durch Treibgut und Packeis war die Eisenbahntrasse von Westen her Mitte der 19. Jahrhundert nicht einfach auf einen Damm, sondern auf Pfeiler gebaut worden. "Weshalb die Wehrmacht 1940 den Luftverteidigungsturm ausgerechnet hier hingestellt hat, ist bis heute ein Rätsel", sagt der Stadthistoriker. "Die strategische Bedeutung erschließt sich uns nicht", sagt auch Hochbauamtschef Johannes Straub.

1000 Menschen fanden Unterschlupf

In anderen Städten seien damals meist mehrere Hochbunker und Flaktürme erstellt worden. In Wien prägen sie bis heute der Stadtbild. im Vergleich dazu sei der Heilbronner mit 28,50 Metern "etwas klein". Immerhin die Aussicht auf der Flak-Plattform sei beeindruckend. Seine Funktion als öffentlicher Schutzbunker bekam der Turm erst nach dem 9. September 1944, dem ersten großen Luftangriff auf die Stadt. Drei Monate später überlebten dort 1000 Menschen die katastrophale Bombennacht vom 4. Dezember. Nach 1945 fanden in dem "Bunker-Hotel" Flüchtlinge Unterschlupf. 1951 wurde eine Zugangsrampe abgebrochen. Seitdem steht er leer.

 


 

 

Wanner spricht von einer "Zeitkapsel, die ein Kapitel Stadtgeschichte konserviert". Über eine Spendenaktion der Bürgerstiftung werde das "Faszinosum" für 250 000 Euro zugänglich gemacht, erklärt deren Sprecher Thomas Schick. Und zwar über eine 19 Meter lange und neun Meter hohe Rampe, die mit einer Metallhülle umfangen wird, auf der Informationstafeln angebracht sind. Die ambitionierten Pläne, von denen sich nach anfänglicher Blockade selbst das Denkmalamt überzeugen ließ, stammen von den Architekten Monika Joos und Kyrill Keller.

Der Flakturm und Hochbunker auf der Theresienwiese wurde 1940 von der Wehrmacht gebaut und 1942 nach dem Fliegergeneral Walther Wever benannt. 1944 wurde der Turm zum Luftschutzraum für Bürger, 1945 zur Notunterkunft. Seit der Schließung 1948 steht er leer, 1951 wurde eine Rampe abgebrochen. Seit 1978 gehört der Turm der Stadt. Erst 2004 wurde er von der Bevölkerung bei einem Tag des offenen Denkmals wiederentdeckt. Ideen für die Installation einer Bunker-Bar oder einer Champignon-Zucht zerschlugen sich. Mit der Außensanierung 2014 wurde der Bau zum Politikum. Der vom NS-Regime vergebe Name sei „nicht mehr zeitgemäß“, hieß es. „Bunkerturm Theresienwiese“ passe besser, meinte dass Stadtarchiv. Der Gemeinderat taufte das Bauwerk lieber „Theresienturm“.

75 Jahre Zerstörung der Stadt

 Foto: Sawatzki

Spätestens am 4. Dezember soll die Rampe stehen. Ab 2019, wenn sich die Zerstörung der Stadt im Zweiten Weltkrieg zum 75. Mal jährt, sollen Führungen angeboten werden: schwerpunktmäßig zur Zeit der Bundesgartenschau, deren Hauptparkplatz die Theresienwiese ist, weshalb auch das Turm-Umfeld aufgewertet wird. Gleichzeitig plant Museumsdirektor Marc Gundel im Rahmen einer Großaktion mit Kunst im öffentlichen Raum neben dem Turm eine passende Skulptur aufzustellen. Spätestens dann sollten auch die großen Reklametafeln an der Karlsruher Straße verschwunden sein. Sie wirken ziemlich deplatziert, auch wenn ihr Werbespruch unfreiwillig zu Denken gibt: "Hier hast du mehr vom Leben."

 

 Spendenaktion

Diesen Begriff verwendet die Bürgerstiftung für ihr aktuelles Großprojekt, über das 250 000 Euro für eine Rampe gesammelt werden. Hier die Spendenkonten mit Stichwort Theresienturm. Bei der Kreissparkasse Heilbronn IBAN DE 68 6205 0000 0000 0020 08; bei der Volksbank Heilbronn: IBAN DE 28 6209 0100 0350 0000 00; bei der BW Bank Heilbronn: IBAN DE 06 6005 0101 0002 0027 07. Weitere Infos dazu auf den Homepages der Bürgerstiftung und des Stadtarchivs Heilbronn, das außerdem auf der Suche nach historischen Fotos ist. Denn entlang der geplanten Rampe sollen Geschichtstafeln auf die spannende Historie des Turms und des Zweiten Weltkriegs hinführen.  

 

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