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Tötung auf Verlangen: „Sie hat gesagt mach!“

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Heilbronn - Weil er seine Lebensgefährtin auf Verlangen getötet haben soll, muss sich ein 35-Jähriger seit Freitag vor dem Landgericht Heilbronn verantworten.

Von Carsten Friese


Region - In einem Moment rannen dem Angeklagten Tränen über das Gesicht. Weil er bei einem versuchten Doppelsuizid seine Lebensgefährtin mit einer Spritze mit Heroin in einer Pension in Bad Rappenau tötete (wir berichteten), steht ein 35-jähriger Mann aus Heilbronn vor dem Heilbronner Landgericht.

Tötung auf Verlangen heißt die Anklage in dem ungewöhnlichen Fall, bei dem der Mann überlebte, aus Panik am nächsten Morgen die Flucht ergriff, seine tote Freundin in der Pension liegen ließ und mit dem Auto fünf Tage durch die Republik irrte. Auch er hatte sich eine Spritze mit einer vermeintlichen Überdosis gesetzt – und wachte am nächsten Morgen neben seiner toten Partnerin in der Pension auf.

Es war der Wunsch beider, aus dem Leben zu scheiden, versicherte der Angeklagte, der wie seine Partnerin nach erfolgreicher Drogentherapie wieder in den brutalen Sog von Drogen, Alkohol und Tabletten geraten war. Als seine Partnerin ihren Job verlor, „hat sie es nicht mehr ausgehalten. Sie wollte es unbedingt“, sagte der Angeklagte vor Gericht aus.

Plan

Er besorgte in Amsterdam ein Gramm Heroin - nach seinen Recherchen im Internet ausreichend für den Plan. Sie mieteten für zwei Tage wahllos ein Pensionszimmer in Bad Rappenau – zum Sterben. An dem Abend Anfang Januar habe er sich mit Wodka und Wein betrunken, Tabletten genommen. „So was kann man nicht einfach so.“

Dann habe er gegen 21 Uhr im Pensionszimmer das Heroin aufgekocht, auf eine mitgebrachte Spritze gezogen. „Sie hat gesagt mach und mir vom Bett aus die Hand hingestreckt.“ Er habe ihr die Spritze gesetzt, seine Partnerin dann im Bett zugedeckt und sich selbst eine zweite Heroinspritze zubereitet.

Wie „erlöst“ soll seine Partnerin ihn im Moment der Drogengabe angeblickt haben. „Ich habe nichts Böses getan, es war kein Gewaltverbrechen, es war ihr Wille“, stellte er fest. Nur gegenüber ihrer Familie habe er „schon ein schlechtes Gewissen“.

Warum sich die 45-Jährige nicht selbst die Spritze verabreichte, wollte Richter Norbert Winkelmann wissen. „Sie hat gesagt, sie bringt das nicht fertig, ich soll es für sie tun“, entgegnete der Angeklagte, der in seinem von Drogen und Alkohol geprägten Leben bereits zwei Mal aus dem Leben scheiden wollte. Einmal versuchte er es mit 50 Tabletten, einmal mit einem Sprung in einen Steinbruch - beide Male überlebte er.

Lebensversicherung

Einen Abschiedsbrief hinterließ das Paar nicht. Weil sie es „als Unfall“ aussehen lassen wollten. Und: „Damit irgendjemand noch was von der Lebensversicherung hat“, räumte der 35-Jährige ein, der trotz seiner intensiven Sucht bis zuletzt als Mechaniker gearbeitet hatte.

Nach fünf Tagen auf der Flucht, an denen der heute in Heilbronn lebende Mann zum Teil im Auto übernachtete, vertraute er sich seinem Drogenberater an. Der informierte die Polizei. Jetzt will der Angeklagte mit Drogen und Alkohol „nichts mehr zu tun haben, das ist kein Leben mehr“.

Den Strafrahmen für Tötung auf Verlangen bezifferte Oberstaatsanwalt Erhard Lägler auf sechs Monate bis fünf Jahre Freiheitsstrafe. Laut Strafgesetz sei es kein Verbrechen, sondern ein Vergehenstatbestand.

Das Ziel von Verteidigerin Tanja Haberzettl-Prach ist eine Freiheitsstrafe auf Bewährung mit einer Therapieauflage für den Angeklagten. „Er ist kein klassischer Verbrecher“, sagte sie über ihren nicht vorbestraften Mandanten.
 

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