Hilfsfrist im Rettungsdienst: Unterwegs mit Heilbronner Notfallsanitätern
Sobald der Notruf bei der Leitstelle eingeht, zählt jede Sekunde. Im Rahmen der verkürzten Hilfsfrist sollen die Retter noch schneller am Einsatzort eintreffen. Doch ist der Zeitplan zu halten? Wir haben DRK-Notfallsanitäter in Heilbronn begleitet.

Die Stimmen, die auf den Gängen der Rettungswache des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) am Gesundbrunnen grüßen, klingen leise, verschlafen: Es ist kurz nach sechs Uhr morgens, für Alexander Eisenmann und Jörg Biringer beginnt die Frühschicht. In der Garage widmen sich die Notfallsanitäter ihrer ersten Tagesaufgabe, dem Materialcheck des ihnen zugewiesenen Rettungsfahrzeugs. Nebenbei nimmt sich Eisenmann Zeit zum Erklären: zur Rettungskette im Allgemeinen und der Hilfsfrist im Speziellen.
Letztere wird besonders diskutiert, seit das Innenministerium 2022 einen neuen Rettungsdienstplan für Baden-Württemberg vorgelegt hat. Dieser beinhaltet eine wesentliche Änderung: Die Retter sollen in 95 Prozent der Notfalleinsätze in höchstens zwölf statt vorher 15 Minuten beim Patienten sein. Was als eine Maßnahme für einheitliches Qualitätsmanagement im Rettungswesen gedacht war, wurde vom Verwaltungsgerichtshof Mannheim für ungültig erklärt. Derzeit wird an einem neuen Gesetzesentwurf gearbeitet.
Wäre die verkürzte Hilfsfrist zu halten?
Wäre die verkürzte Hilfsfrist von zwölf Minuten zu halten? Eindeutig lässt sich die Frage nicht beantworten, zu viele Faktoren spielen eine Rolle. "Natürlich wäre es einfacher, die Frist einzuhalten, wenn es flächendeckend zusätzliche Fahrzeuge gäbe", meint Alexander Eisenmann. Es mangelt aber auch an Personal. Immer häufiger werden die Einsatzfahrzeuge und -kräfte wegen Bagatellfällen gerufen. Kritisch sei auch, dass immer mehr Kliniken schließen, die Rettungswagen längere Strecken fahren und länger im Einsatz sind, nennt der Notfallsanitäter und Disponent bei der Integrierten Leitstelle (ILS) Heilbronn weitere Gründe.
Um 8.35 Uhr - zum ersten Mal an diesem Tag - piepsen Jörg Biringers und Alexander Eisenmanns Pager: ein Auffahrunfall auf der A81 bei Ilsfeld, Höhe Wunnenstein, drei involvierte Fahrzeuge. Vor Minuten ist dieser Notruf bei der ILS eingegangen, ab diesem Moment läuft die Hilfsfrist. Spätestens nach 15 Sekunden muss der Disponent den Anruf entgegennehmen, den Unfallort und -hergang sowie den Bedarf an Rettungsfahrzeugen und Rettungsdienstpersonal schnellstmöglich mittels eines Abfragesystems erfassen. Dann einen verfügbaren Rettungswagen auswählen, der am schnellsten am Einsatzort sein kann. Die Route zum Patienten übermittelt die Leitstelle direkt an das Navigationsgerät des Rettungswagens. Innerhalb einer Minute sollten die Einsatzkräfte ausrücken.
Rettungswagen auf der Strecke: Maximal mit Tempo 80 oder 100 unterwegs

Auf dem Navi müssen die Notfallsanitäter nur auf Start drücken, zusätzlich sollten sie sich aber auch gut im Einsatzgebiet auskennen. So lässt sich dynamisch entscheiden, ob sich ein Weg gegebenenfalls abkürzen lässt, um Zeit zu sparen. Wäre der GPS-Track einmal nicht verfügbar, können sie auf die Beschreibungen in den Schnellanfahrtsordnern zurückgreifen. Bei Großsperrungen informiert die ILS die Einsatzkräfte außerdem vorab. Trotzdem: Nicht nur das Umfahren einer Sperrung oder von Baustellen, sondern schon der tägliche Feierabendverkehr kann die eine oder andere Minute kosten. In der Stadt ist das weniger kritisch als im ländlichen Raum.
Alexander Eisenmann und Jörg Biringer rücken ohne Hektik, aber zügig Richtung Autobahn aus. Wie schnell sie unterwegs sind, hängt von den Gegebenheiten auf der Straße ab: Bei freier Fahrt sind es auf innerstädtischen Hauptstraßen maximal 80 Stundenkilometer, sagt Jörg Biringer. Natürlich kommen sie mit hohen Geschwindigkeiten eventuell einige Sekunden früher am Einsatzort an. Mit mehr Geschwindigkeit verlängert sich aber auch der Bremsweg. "Das kann eine Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer sein", sagt Eisenmann. Auf der A81 fährt der Rettungswagen ohne große Hindernisse durch die Rettungsgasse. Damit klappt es auf Autobahnen tendenziell immer besser, auf der Landstraße wissen viele Autofahrer dagegen oft nicht, wo sie halten sollen.
Nach sieben Minuten: Eintreffen am Einsatzort. Die Spur ist abgesichert, René Russow, Helfer vor Ort, und eine Notärztin betreuen die Insassen bereits. Die Hilfsfrist? Wurde eingehalten.