SLK-Kinderklinikchef: "Ich rate eindeutig zur Impfung"
Der SLK-Kinderklinikchef Peter Ruef spricht von einigen schweren Verläufen nach Covid-19-Erkrankungen bei Kindern. Ab dem 13. Dezember soll ein für Kinder ab fünf Jahren angepasster Impfstoff ausgeliefert werden, den die Stiko zunächst für Kinder mit Vorerkrankungen empfehlen will.

Nach Angaben von Landesgesundheitsminister Manfred Lucha, sollen ab dem kommenden Montag die ersten Dosen des Kinderimpfstoffs von Biontech/Pfizer nach Baden-Württemberg ausgeliefert werden. Die Ständige Impfkommission (Stiko) hatte zuvor ihre Einschätzung zum Kinder-Vakzin abgegeben.
Peter Ruef, Direktor der SLK-Kinderklinik am Gesundbrunnen, erklärt, warum er eindeutig dazu rät, Kinder ab fünf Jahren impfen zu lassen.
Es hieß zuletzt aus Berlin, die ersten Impfstofflieferungen sollten um den 13. Dezember herum erfolgen. Haben Sie dazu neue Erkenntnisse?
Peter Ruef: Die habe ich leider nicht. Derzeit ist nicht geplant, dass wir in der Klinik impfen, das machen die niedergelassenen Kollegen. Und ich kann sagen, dass die Unsicherheiten zu Lieferdaten und Liefermengen bei ihnen schon zu erheblichen Grundschwierigkeiten führen. Die Kinderärzte haben viele Anfragen von Eltern und auch schon Termine vereinbart, wissen aber immer noch nicht genau, wann sie was bekommen werden.
Und trotzdem impfen einige Kinderärzte bereits.
Ruef: Ja, denn für Kinder in dieser Altersgruppe mit bestimmten Grunderkrankungen gibt es schon eine Empfehlung der Stiko. Technisch ist das kein Problem, auch wenn die Fläschchen für Kinder noch nicht da sind. Der Impfstoff ist derselbe wie der für Erwachsene, nur die Dosierung ist niedriger – zehn statt 30 Mikrogramm. Man zieht also eine geringere Menge aus den sogenannten Vials.
Eine allgemeine Empfehlung der Stiko für die Kinderimpfung ab fünf Jahren gab es bislang nicht. Dürfen Ärzte trotzdem impfen?
Ruef: Die Europäische Arzneimittelbehörde EMA hat den Impfstoff zugelassen, er ist sicher und wirkungsvoll. Ärzte können ihn bereits nach eigenem Ermessen, gründlicher Aufklärung und Dokumentation verimpfen.
Zuletzt wurde Kritik am langen Zögern der Stiko laut. Verstehen Sie das?
Ruef: Ja und nein. Die Stiko hat andere Richtlinien – bei ihr geht es darum abzuwägen, ob eine allgemeine Impfempfehlung ausgesprochen wird. Um diese Entscheidung zu treffen, braucht es sehr gute Daten. Insofern verstehe ich schon, dass die Empfehlung nicht schnell kommt. Andererseits sollte man sich auch nicht nur auf die Stiko verlassen und impfen, wenn man eine Notwendigkeit sieht, der Impfstoff ist schließlich zugelassen.
Viele Eltern sind unsicher, ob sie ihr Kind sofort impfen lassen sollen. Was sagen Sie?
Ruef: Ich rate eindeutig dazu – aus mehreren Gründen. Der Impfstoff ist nach menschlichem Ermessen wirkungsvoll und sehr sicher, das sehen wir auch aus der schon laufenden Impfkampagne in den USA und Israel. Dort ist es meines Wissens bisher nicht zu ernsthaften Nebenwirkungen gekommen. Gleichzeitig sehen wir auch bei uns an der Klinik immer mehr wirklich schlimme Folgen von Covid-Infektionen bei Kindern. Wir hatten bereits sechs Fälle von Pims, das ist eine Multi-Entzündungserkrankung, bei der die Kinder erheblich krank sind. Wir haben auch einzelne Fälle von Long Covid. Die Kinder müssen vor so etwas geschützt werden, deshalb bin ich klar für die Impfung. Was eben wichtig ist: Die Kinder sollen sich ein paar Tage nach der Impfung schonen und nicht gleich wieder Leistungssport machen und voll Gas geben. Das beachten vor allem Jugendliche leider häufig nicht.
Mancher würde Ihnen jetzt vielleicht entgegnen, man solle zunächst die Erwachsenen impfen, bevor die Kinder dran sind.
Ruef: Das ist primär richtig, wenn man von unserem Ziel ausgeht, die Intensivstationen zu entlasten. Für den Community-Schutz brauchen wir eine deutlich höhere Impfquote unter Erwachsenen. Mir geht es zusätzlich um den individuellen Schutz der Kinder, die manchmal doch erheblich lange unter den Folgen einer Covid-Infektion zu leiden haben. Und noch etwas: Wir müssen sicherstellen, dass Kinder wieder am Leben teilnehmen können. Wir können es dieser Generation nicht länger antun, sie von allem fernzuhalten. Die indirekten Folgen der Pandemie sind erheblich, das sehen wir auch deutlich hier bei SLK.
Zur Person
Professor Peter Ruef (57) ist seit 2011 Direktor der Kinderklinik am SLK-Klinikum am Gesundbrunnen in Heilbronn. Er ist Vater zweier Kinder.
Welche Folgen sehen Sie?
Ruef: Wir sehen eine Suizidalität unter Kindern und Jugendlichen in einer Häufigkeit, wie wir sie noch nie hatten. Wir sehen Adipositas, also extremes Übergewicht, und eine ganze Reihe psychosomatischer Erkrankungen. Auch diese Belastungen als Folge der Einschnitte muss man beachten. Wir müssen Kinder und Jugendliche auch impfen, damit sie wieder am sozialen Leben teilhaben können. Deswegen brauchen wir im Übrigen auch eine schnelle Booster-Empfehlung für die über Zwölfjährigen.
Bisher gilt die Booster-Empfehlung nur für Menschen ab 18 Jahren.
Ruef: Genau, aber viele Jugendliche hatten im Juli oder August schon ihre zweite Impfung, das heißt, wir brauchen spätestens ab Januar eine Ausweitung der Auffrischungsimpfungen auf diese Altersgruppe. Eigentlich muss die Empfehlung jetzt sofort kommen.



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