Viele Kommunalpolitiker begrüßen Demo gegen rechts in Heilbronn – AfD hält sie für überflüssig
Eine für Dienstag, 23. Januar, ab 18 Uhr angekündigte Demonstration gegen rechts wird von der Heilbronner Kommunalpolitik fast einmütig begrüßt. Auch OB Harry Mergel, der sich in die Rednerliste einreiht, äußert sich im Vorfeld.

Anlass zu einer vom "Netzwerk gegen Rechts" für Dienstag, 23. Januar, geplanten Demo in Heilbronn seien, so heißt es, die aktuellen Recherchen von Correctiv.org zu einem Geheimtreffen der extremen Rechten, an dem auch hochrangige AfD-Politiker, Neonazis und finanzstarke Unternehmer in einem Hotel bei Potsdam zusammenkamen. Sie planten dabei angeblich die Vertreibung von Millionen von Menschen mit Migrationshintergrund aus Deutschland. Dort wurde auch von "Remigration" gesprochen.
Heilbronns OB Mergel einer der Hauptredner bei "Demo gegen rechts"
"Ich bin erschüttert, was in Potsdam passiert ist", erklärt Oberbürgermeister Harry Mergel auf Stimme-Anfrage. Er gehört auf der Demo zu den Hauptrednern. Nie hätte er sich vorstellen können, dass in Deutschland jemals wieder von Deportationen gesprochen werden könnte. Aber die Mehrheit denke anders. Deshalb sei es notwendig, die Ablehnung nicht nur durch verbale Kritik zu äußern, sondern auch im Format einer Demo.
Laut Mergel "betreibt die AfD gefährlichen Populismus, der die Gesellschaft spaltet". Dies beobachtet Mergel mit Sorge. Es sei "dringend notwendig, dass wir uns fragen, wie wir als Menschen, als Bürgerinnen und Bürger, miteinander umgehen wollen, um den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft zu erhalten. Ein AfD-Verbot sehe er aber kritisch, es würde die politische Auseinandersetzung nicht ersetzen.
Demo gegen rechts in Heilbronn: Und was sagt die AfD?
Stadtrat Raphael Benner (AfD) beklagt eine "Verschiebung der Begrifflichkeit. Was früher normal war, ist heute plötzlich rechts". In Potsdam habe es sich um kein Geheimtreffen gehandelt, sondern um einen "informativen, privaten Austausch". Die AfD wollte "nie deutsche Staatsbürger mit Migrationshintergrund" ausweisen. Die Partei sei im Übrigen "demokratisch legitimiert, ein Verbotsverfahren unangebracht, ja sogar eine Frechheit, nach dem Motto: Kann man eine Partei nicht mit Argumenten in Schranken halten, verbietet man sie halt". Aber als Parteistratege sage er sich, "dann geht die AfD erst recht durch die Decke".
CDU: Wichtig, dass sich die demokratische Mitte aufstellt
Thomas Randecker (CDU) nennt es, "wichtig, dass sich die demokratische Mitte gegen den zunehmenden Rechtsextremismus stellt". Für die Radikalisierung und den "Höhenflug der AfD" macht er die Ampelkoalition verantwortlich, wobei Umfragewerte keine Wahlergebnisse seien. Die AfD profitiere derzeit von der Unzufriedenheit der Bürger. Von einer "Verbotsdiskussion" hält Randecker nichts. Am Ende werde "diese tägliche und medial ausgetragene Diskussion" der Partei nur nützen. Im Übrigen lehne die CDU-Gemeinderatsfraktion nach wie vor eine Zusammenarbeit mit der AfD ab.
SPD: Eine breite Reaktion der Anständigen
"Gut, dass es auf die rechtsextremen, fremdenfeindlichen und demokratieverachtenden Umtriebe der AfD eine breite Reaktion der Anständigen gibt, die sich zu unserer Verfassung bekennen und unsere Demokratie verteidigen", sagt Rainer Hinderer (SPD). Auch wenn sie "dank unserer Verfassung" demokratisch gewählt worden sei, viele Rechte genieße und beanspruche, handle es sich nicht um eine demokratische Partei. "Geheimtreffen mit Nazis" und verfassungsfeindliche Positionen zentraler Führungsfiguren belegen laut Hinderer, dass die AfD die Demokratie nicht achte und den gesellschaftlichen Zusammenhalt gefährde. Sie werde bereits vom Verfassungsschutz beobachtet, erinnert er. Und: Wenn die Voraussetzungen vorlägen, sollte ein Verbotsverfahren eingeleitet werden. Bis dahin gelte es, so Hinderer, "die AfD mit allen politischen Mitteln zu stellen".
FDP: Schweigende Mehrheit setzt ein starkes Zeichen
Es sei nur zu begrüßen, wenn die "schweigende Mehrheit" ein starkes Zeichen für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit und gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit setze, sagt Nico Weinmann (FDP). Die verfassungsrechtlichen Hürden für ein Parteiverbot seien indes sehr hoch. Und ob diese vorliegen, vermag er abschließend nicht zu beurteilen. Dass aber zumindest Teile der Partei der AfD darauf abzielten, die freiheitlich demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen, steht für den Liberalen außer Frage. Gleichwohl halte er ein Verbotsverfahren auch politisch für problematisch. "In erster Linie müssen wir die Probleme und Herausforderungen lösen, derentwegen die Menschen radikale Parteien wählen", betont er. Dazu gehörten zuvorderst das Thema der Migration. Weinmann ist überzeugt: "Ich bin überzeugt: Wenn die Politik sich handlungsfähig zeigt und Verbesserungen spürbar vor Ort ankommen, lässt auch die Zustimmung für radikales Gedankengut nach."
Grüne: Für die Demokratie einstehen und diese verteidigen
"Wir brauchen eine laute Mehrheit, die für unsere Demokratie einsteht und sie verteidigt", betont Isabell Steidel (Grüne) mit Blick auf die Anti-rechts-Demos. Dass die Bedrohung real sei, "realer und gefährlicher als sie viele davor eingeschätzt haben", habe die Correctiv-Recherche eindrücklich aufgedeckt. "Wenn wir nicht jetzt alle demokratischen Mittel nutzen, um unsere Demokratie zu verteidigen, wann dann?", meint Steidel. Die AfD und die junge Alternative, ihre Jugendorganisation, seien in vielen Bundesländern bereits als "gesichert rechtsextrem" eingestuft. Doch ein Parteiverbot sei mit sehr hohen Hürden verbunden, weiß Steidel. Es dürften hier "keine falschen Erwartungen einer ad-hoc-Entscheidung geweckt werden".
FWV: "Gegen braune Hetzer Stellung beziehen"
Auch die Freien Wähler unterstützen die Demonstrationen "uneingeschränkt", betont Herbert Burkhardt. Er nennt es "gut, dass die Gesellschaft endlich gegen die braunen Hetzer Stellung bezieht". Auch er sei dabei. Der FWV-Sprecher nennt es "schade, dass so viele ehrbare Bürger diese Partei wählen wollen, nach all dem, was wir über die AfD wissen". Wenn drei Landesverbände als "gesichert verfassungsfeindlich" eingestuft seien, könne man diese Partei nicht wählen. Burkhardt appelliert "an die Vernunft der Wähler, bei durchaus berechtigter Kritik am Agieren und Erscheinungsbild der Ampel, demokratisch zu wählen". Von einem Parteiverbotsverfahren halte er derzeit nichts. "AfD, braune Hetze und Nazis müssen politisch bekämpft werden."
UfHN: Nicht die ganze Partei in Sippenhaft nehmen
Demonstration sind legitim, stellt Malte Hoch (UfHN) fest. Die AfD sei im Grundsatz eine demokratische Partei. Die drei als rechtsextrem eingestuften Landesverbände müssten überprüft werden, dafür könne man aber nicht die ganze Partei in Sippenhaft nehmen. Die aktuelle Debatte "beschert der AfD die Aufmerksamkeit, die sie nicht verdient", meint Höch. Sie sei "weder Märtyrer noch Partei des kleinen Mannes und schon gar nicht das richtige Ohr an den Nöten und Interessen der Bürger". Im Grunde sei sie "nur so stark, weil die etablierten Parteien zu schwach sind, die auf dem Tisch liegenden Themen lösungsorientiert zu bespielen". Malte Höch ist gegen ein Verbot. "Denn die Botschaft wäre, es wird verboten, was man selbst nicht will, und wo man anderer Meinung ist."
Pro: AfD als Gradmesser für Unzufriedenheit vieler Bürger
"Es ist das Recht eines jeden Bürgers, für seine Meinung auf die Straße zu gehen und für sie zu demonstrieren", gibt Alfred Dagenbach (Pro) zu verstehen, der früher der AfD-Fraktion angehörte. Die AfD nennt er einen "Gradmesser der Unzufriedenheit über die Politik der herrschenden Klasse". Ein Verbot wäre "ein völlig untaugliches Mittel", schon die Diskussion darüber bewirke das Gegenteil der beabsichtigten Wirkung. Man habe wohl, so Dagenbach, "aus dem NPD-Verbotsverfahren nichts gelernt."
Linke: Parteienverbot hilft nicht weiter
Was mit dem Treffen bei Potsdam bekannt wurde, erinnert Konrad Wanner (Linke) "an die dunkelsten Zeiten des letzten Jahrhunderts". Es würden Sündenböcke für gesellschaftliche Fehlentwicklungen aufgebaut. Die AfD gehöre zu den "Kräften, welche die Hetze gegen Migranten, Andersgläubige, Menschen mit anderer sexueller Orientierung und anderen politischen Standpunkten in die Parlamente" trage. Laut Wanner habe sie im Heilbronner Gemeinderat "ihre Rolle gespielt". Als Stichpunkte nennt er: Gelder für Flüchtlinge streichen, Frauen in traditionelle Rollen zurückdrängen, Maßnahmen gegen den Klimawandel und eine Verkehrswende bekämpfen, Sozialwohnungen ablehnen. Ein Parteienverbot sei "nicht falsch", helfe aber aktuell nicht viel.
Die Heilbronner Demonstration gegen Rechts beginnt am Dienstag, 23. Januar, 18 Uhr, beim Platz Am Bollwerksturm und führt über Neckarmeile, Kaiserstraße, Allee und Wollhaus, wo ein Zwischenstopp mit Reden angesagt ist, über die östliche Allee zum Platz vor dem Kongress- und Konzertzentrum Harmonie, wo die Abschlusskundgebung mit Reden stattfindet.