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Neue Lokal-Schließungen: Wirte sehen sich als Prügelknaben

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Die Gastronomie ist entsetzt über den neuerlichen Beschluss der Bund-Länder-Gespräche, wonach Lokale ab Montag den gesamten Monat geschlossen bleiben sollen.

"Die Gastronomie ist der Prügelknabe der Nation", beklagt der Heilbronner Unternehmer Thomas Aurich, der auch im Hotel- und Gaststättenverband Dehoga aktiv ist. Er verweist auf aktuelle Studien, denen zufolge der Anteil der Gastronomie am Infektionsgeschehen verschwindend gering sei. "Es hieß, die Maßnahmen müssen mit Zahlen untermauert sein, darauf habe ich vertraut." Aurich erwartet nun, dass die Stimmung kippt - auch bei jenen, die bisher alle Corona-Maßnahmen bereitwillig mitgetragen hätten. "Und es wird eine Klagewelle geben."

 


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Auch der Vertreter der Einzelhändler steht zur Gastronomie

Bund und Länder hatten sich am Mittwoch darauf geeinigt, dass Gastrobetriebe von Montag an und bis Ende November schließen müssen. Ausgenommen ist nur der Verkauf außer Haus. Thomas Gauss von der Heilbronner Stadtinitiative ist zwar erleichtert, dass dem Einzelhandel keine Schließung droht. "Es sollte aber das Verursacherprinzip gelten", springt der Einzelhändler den Gastro-Kollegen zur Seite. "Für eine Schließung von Speiselokalen sehe ich keinen Anlass."

Martin Frisch ist angefressen. "Wie mit uns umgegangen wird, das ist nicht mehr schön", sagt der Inhaber der Traube in Obersulm-Eichelberg. Von verschiedenen Seiten heiße es doch, "dass die Gastronomie nicht das Problem sei", und jetzt das. "Es sind Existenzen, die von solchen Entscheidungen abhängen", sagt Frisch, der auch schon gehört haben will, dass es sich bei dem Ganzen nur um einen "psychologischen Effekt" handeln soll. Die Bevölkerung soll auf Abstand gehen, "und wir müssen dafür herhalten". Sein Ärger ist verständlich. "Wir haben einen Haufen Reservierungen, die müssen wir jetzt alle stornieren."

 


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Groß ist die Enttäuschung auch bei Yvonne Walz, Geschäftsführerin des Hotels Württemberger Hof in Öhringen. „Jetzt müssen wir uns erst mal sammeln und dann überlegen, wie wir den November gestalten.“ Es gelte nun, die Mitarbeiter zu motivieren und trotz allem zu versuchen, positiv in die Zukunft zu schauen. „Was anderes bleibt uns nicht übrig.“ Hotels dürfen nur noch Gäste auf dienstlichen Reisen empfangen. Dass es ausgerechnet wieder die Gastronomie treffe, kann Yvonne Walz nicht verstehen. „Wir haben ein ausgefeiltes Hygienekonzept, die Mitarbeiter sind geschult und halten sich streng an die Auflagen, ebenso die Gäste.“ 

Auch Freizeiteinrichtungen sollen vorerst schließen. Im Erlebnispark Tripsdrill bei Cleebronn endet die Saison ohnehin an diesem Sonntag. Unklar blieb zunächst, ob das benachbarte Wildparadies mit seinen Tiergehegen ebenfalls betroffen sein wird.

Schulen bleiben offen: "Maßnahmen funktionieren"

Schulen und Kindergärten bleiben geöffnet. Davon zeigt sich Christoph Eberlein nicht überrascht. „Die Maßnahmen in Schulen scheinen ja zu funktionieren“, sagt der Vorsitzende des Heilbronner Gesamtelternbeirats. Wenn die Infektionszahlen weiter steigen, erwartet er trotzdem Einschnitte, etwa eine Rückkehr zum rollierenden Unterrichtssystem. 

OB erwartet unbürokratische Hilfen für Betriebe

„Die Eingriffe ins Privatleben und den Freizeitbereich sind zwar bitter“, sagte Heilbronns Oberbürgermeister Harry Mergel. Wesentliche volkswirtschaftliche Bereiche blieben aber intakt, Schulen und Kindergärten geöffnet. „Das ist gut so."

Der Bund hat neue Corona-Nothilfen für Betriebe angekündigt. „Ich gehe davon aus, dass die angekündigten staatlichen Hilfen für besonders hart betroffene Branchen, insbesondere die Gastronomie, rasch und unbürokratisch ankommen“, betonte Mergel.

 

Welche neuen Regelungen ab Montag gelten

KONTAKTBESCHRÄNKUNGEN
Der gemeinsame Aufenthalt in der Öffentlichkeit wird nur noch Angehörigen des eigenen und eines weiteren Hausstandes - insgesamt maximal zehn Personen - gestatten sein. Verstöße gegen diese Kontaktbeschränkungen sollen die Ordnungsbehörden sanktionieren. Darüber hinausgehende Gruppen feiernder Menschen auf öffentlichen Plätzen, in Wohnungen sowie privaten Einrichtungen gelten als inakzeptabel.

GASTRONOMIE Restaurants und Lokale, Bars, Clubs, Diskotheken, Kneipen und ähnliche Einrichtungen müssen zu bleiben. Davon ausgenommen ist die Lieferung und Abholung von Speisen für den Verzehr zu Hause sowie der Betrieb von Kantinen.

PRIVATE REISEN Die Bürgerinnen und Bürger werden aufgefordert, generell auf nicht notwendige private Reisen und Besuche - auch von Verwandten - zu verzichten. Das gilt auch im Inland und für überregionale touristische Tagesausflüge. Übernachtungsangebote im Inland soll es im November nur noch für notwendige und ausdrücklich nicht touristische Zwecke geben.

VERANSTALTUNGEN Veranstaltungen, die der Unterhaltung dienen, werden einen Monat lang untersagt. Profisportveranstaltungen dürfen nur ohne Zuschauer stattfinden.

FREIZEITEINRICHTUNGEN Theater, Opern- und Konzerthäuser, Museen, Messen, Kinos, Freizeitparks, Spielhallen, Spielbanken, Wettannahmestellen, Bordelle, Schwimm- und Spaßbäder, Saunen, Thermen, Fitnessstudios und ähnliche Einrichtungen werden geschlossen. Nicht erlaubt ist auch der Freizeit- und Amateursportbetrieb mit Ausnahme des Individualsports allein, zu zweit oder mit dem eigenen Hausstand auf und in allen öffentlichen und privaten Sportanlagen.

DIENSTLEISTUNGEN Schließen müssen auch Kosmetikstudios, Massagepraxen, Tattoo-Studios und ähnliche Betriebe. Medizinisch notwendige Behandlungen wie Physio-, Ergo- und Logotherapien sowie Fußpflege bleiben weiter möglich. Auch Friseursalons können öffnen.

HANDEL Der Groß- und Einzelhandel bleibt unter Auflagen zur Hygiene, zur Steuerung des Zutritts und zur Vermeidung von Warteschlangen insgesamt geöffnet - ein großer Unterschied zum umfassenden Lockdown im Frühjahr. In den Geschäften darf sich nicht mehr als ein Kunde pro zehn Quadratmetern Verkaufsfläche aufhalten.

SCHULEN UND KITAS Auch Schulen und Kindergärten bleiben offen - ein weiterer Unterschied zur Situation im Frühjahr.


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Kommentare

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Rüdiger Eisenbraun am 28.10.2020 20:11 Uhr

Sowohl das RKI als auch führende Virologen bescheinigen den Restaurants nur minimal zum Infektionsgeschehen beizutragen. Die Regierungschefs, die wieder einmal ohne Beteiligung der Parlamente, aktionistische Beschlüsse fassen, scheinen das zu ignorieren. Stattdessen müssen weitere 10 Mrd. EUR Steuergelder für die Stützung der unnötig an den Rand der Existenz gebrachten Gastronomie aufgewendet werden. Wichtiger scheint den Akteuren zu sein, Handlungsfähigkeit zu simulieren.
Man kann sich aufgrund der o.g. Expertenmeinungen jetzt schon ausrechnen, daß sich die Entwicklung der Infektionszahlen durch diese Maßnahme nicht sonderlich beeinflussen lässt.
Die Frage ist, ob diese dann in 4 Wochen tatsächlich zurückgenommen werden oder noch mehr ungeeignete und evtl. unverhältnismäßige Verbote erlassen werden. Man darf skeptisch sein.

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Michael Burkhardt am 28.10.2020 17:51 Uhr

Ich kann den Wirten nur Recht geben (und ich bin keiner) In den Restaurant ging es Corona konform zu und sie müssen nun dafür herhalten, dass man irgendetwas vorweisen will um nicht als untätig dazu stehen. Hier trifft es eindeutig die falschen.

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Peter Henschel am 28.10.2020 16:19 Uhr

Hier helfen nur noch entsprechende Eilanträge, da nachweislich die Verhältnismäßigkeit gem. Grundgesetz schon lange nicht mehr gewahrt ist!

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Rüdiger Peters am 29.10.2020 11:51 Uhr

@) Henschel
wir haben eine noch nie dagewesene Pandemie die entsprechende Handlungen bzw. Einschnitte in das Persönlichkeitsrecht rechtfertigen. Man kann auch sagen wir haben einen Notstand und da müssen die Grundrechte hintenanstehen.
Ich finde eine schnelles Handeln der Regierung für erforderlich,und wichtig, man kennt ja die endlosen Diskussionen und Debatten in den Parlamenten, wo sich bestimmte Parteien nur profilieren wollen,
Eine Regierung muss handlungsfähig sein und gewisse Entscheidungskompetenz haben und nicht von Parlamenten in diesen Dingen abhängig sein.
Man muss konsequent Ansammlungen und Zusammentreffen verhindern, trotz Hygienkonzepte .z.B. In der Gastronomie sind dort Menschenansammlungen/Treffen ohne Mundschutz gegeben denen man entgegentreten muss auch wenn es den Wirten nicht gefallen sollte,
Ich habe mit den Einschränkungen keine Probleme, halte sie für dringend notwendig und angemessen. Man kann doch mal -auch wenn es eine längere Zeit noch andauern sollte- Verzicht üben.

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Peter Herzog am 29.10.2020 16:42 Uhr

Wo das Leben anderer gefährdet ist kann man nicht auf seine Grundrechte pochen, diese haben gegenüber dem höherwertigem Gut daher zurückzutreten. Dies haben Richter abzuwägen.

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