Großer Andrang vor Corona-Abstrichstelle in Obereisesheim
Im Neckarsulmer Stadtteil Obereisesheim warten Patienten bis zu drei Stunden auf einen Corona-Abstrich. Um das Mobilnetz nicht zu überlasten, müssen sie ihre Telefone abschalten. Die Stimmung ist mitunter aufgeladen.

Sie stehen in der Schlange, weil sie aus einem Risikogebiet zurückkehren, weil sie Symptome einer Corona-Infektion zeigen oder weil sie ihr Arbeitgeber geschickt hat. In Neckarsulm-Obereisesheim ist die derzeit einzige terminfreie Corona-Teststelle eingerichtet und die ist am Montagmorgen regelrecht überrannt worden. Die Menschenschlange ist zu Spitzenzeiten etwa 100 Meter lang.
Seit 10 Uhr steht Salih Topcuoglu an. Der 28-jährige Heilbronner war mit seiner Freundin Gamze Kacmaz (25) in Italien im Urlaub. Sie sind Reiserückkehrer aus einem Risikogebiet und haben Halsschmerzen bekommen. "Mein Arzt hat mich hierhergeschickt", sagt Topcuoglu. Es sei die einzige Praxis, zu der man spontan und ohne Termin gehen könne. Drei Stunden habe er mit seiner Partnerin gewartet.
Es sei stellenweise vorgekommen, dass die Leute draußen die Nerven verloren hätten. "Natürlich regt es einen auf", sagt er. Seine Freundin Kacmaz ergänzt, ihr Hausarzt sei in Urlaub. Beim Vertretungsarzt in Flein benötige sie einen Termin. "Ich muss aber am Freitag ins Büro und brauche das Ergebnis."
Jemand aus der Klasse ist positiv
Marina Hieb aus Heilbronn ist Auszubildende. In ihrer Klasse sei jemand positiv getestet worden. "Ich dachte nicht, dass so viel los ist", sagt sie und geht ein Stück in der Schlange weiter. Die Info, dass in Obereisesheim abgestrichen wird, habe sie von jemandem aus der Klasse erhalten.

Dr. Tobias Neuwirth betreibt das Corona-Testzentrum seit August. Einen solchen Ansturm habe es seither nicht gegeben. "Damit haben wir nicht gerechnet." Bis zum Feierabend erwartet er er etwa 300 abgestrichenen Patienten. "Sie erhalten das Ergebnis im besten Fall bereits am selben Abend gegen 23 Uhr mitgeteilt." Die Auswertung eines Schnelltests, der nicht anerkannt sei weil ungenau, erhielten die Patienten sofort.
Die Aussicht auf ein schnelles Ergebnis hat auch Jessica Kuban aus Kirchardt nach Obereisesheim geführt. Die 17-Jährige arbeitet in einem Kindergarten. "Am Freitag habe ich mich schlecht gefühlt. Von der Kindergarten-Leitung hieß es, ich soll mich untersuchen lassen." Ihr Hausarzt habe ihr geraten, nach Obereisesheim zu fahren. Auch sie rechnet aufgrund des Aufkommens mit einer längeren Wartezeit.
Ordnungsamt greift ein

Wegen der vielen Menschen und weil die Parkplätze in Obereisesheim begrenzt sind, ist das Ordnungsamt der Stadt Neckarsulm vor Ort. "Um den Andrang der Testpersonen zu regulieren, den Verkehr zu regeln, den ruhenden Verkehr zu ordnen und die Zufahrt der Anliegergrundstücke zu gewährleisten", teilt Andreas Bracht, Pressesprecher der Stadt Neckarsulm mit.
Der große Andrang wird zu einer Belastungsprobe für das mobile Internet in Obereisesheim. Wie Neuwirth erklärt, werden die Patientendaten elektronisch erfasst. Die Patienten werden aufgefordert, ihre Mobiltelefone abzuschalten. Das macht auch Alper Günes aus Neckarsulm-Amorbach. Symptome seien bei ihm und seiner Frau am Wochenende aufgetreten. "Ich hatte Husten, Fieber und Gliederschmerzen", sagt der 34-Jährige. "Am Sonntag konnte ich nicht stehen. Es stellt sich ein blödes Gefühl ein." Die Situation vor Ort beschreibt er als ruhig und entspannt.
Das bestätigt auch Neuwirth. Die Lage habe sich gegen 13.30 Uhr gebessert. "Wir haben Gas gegeben und alles abgearbeitet." Man sei für weitere Patienten bereit und denke darüber nach, personell aufzustocken. Wenngleich Neuwirth klar zum Ausdruck bringt: "Eine zusätzliche Stelle, an der sich Patienten ohne Termin testen lassen können, würde uns entlasten."
Kapazität erhöhen
Nach Angaben von Dr. Martin Uellner, Ärztesprecher und Pandemiebeauftragter aus Heilbronn, habe das Land Baden-Württemberg keine weiteren Gebäude für Test- und Abstrichzentren im Landkreis Heilbronn zur Verfügung gestellt. Die Sulmtalhalle in Neckarsulm, die im April als Fieberambulanz diente, gibt es nicht mehr. "Wenn ich von den Kollegen Rückmeldung erhalte, rüsten wir die Abstrichstelle Theresienwiese auf. So ist es geplant." Tests im Zweischichtbetrieb seien dann denkbar.
Kommentar: Unterstützen
Es ist ein verstörendes Bild. Eine Menschenschlange mit einer Länge von gut und gern hundert Metern bildet sich vor einer Arztpraxis. Menschen warten darauf, auf das Coronavirus getestet zu werden. Darunter einige, die bereits Symptome einer Corona-Infektion zeigen. Dazu das nasskalte Wetter. Gleich mehrere ungünstige Faktoren sind für diesen Zustand verantwortlich. Diese Woche sind Herbstferien in Baden-Württemberg. Viele Arztpraxen sind geschlossen. Patienten müssen auf die wenigen geöffneten ausweichen. Dazu steigt die Zahl der mit dem Coronavirus infizierten Menschen in der Region rasant. Und, die Abstrichstelle in Neckarsulm-Obereisesheim ist die einzige, bei der Patienten ohne Termin einen Test machen können. Für die Abstrichstelle in der Eppinger Fieberambulanz in der Stadthalle und für das Testzentrum auf der Heilbronner Theresienwiese ist ein Termin notwendig.
Die Praxis in Obereisesheim arbeitet zum Wohl der Menschen, die sich testen lassen. Diese erhalten rasch Gewissheit. Die Mitarbeiter arbeiten außerdem zum Wohl der Region. Dabei benötigen sie Unterstützung. Weitere unkomplizierte Abstrichstellen ohne vorherige Terminvereinbarung müssen geöffnet werden. Dadurch wird das Testzentrum in Obereisesheim entlastet. Es können sich mehr Personen auf das Virus untersuchen lassen. Von weiteren Abstrichstellen profitieren auch die gesunden Bürger. Sie dämmen die Gefahr ein, dass Infizierte zum Coronavirus-Verteiler werden und weitere Menschen anstecken. Dass es sie nicht schon gibt, ist ein Versäumnis. Weitere Testzentren nicht einzurichten, ist fahrlässig.



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