Gericht soll über Impfung einer 13-Jährigen entscheiden
Eine Mutter in Brackenheim möchte, dass die 13 Jahre alte Tochter geimpft wird. Der Vater ist strikt dagegen. Der Streit kommt nun vor das Familiengericht. Ein Verfahren wegen der Impfung von Kindern gab es aber auch schon vor Corona.
Ihre Tochter sitze zwischen den Stühlen, sagt Elisabeth Müller. Die Mutter ist für die Corona-Impfung der 13-Jährigen, der Vater ist dagegen. Nun soll das Amtsgericht Heilbronn entscheiden. Es handelt sich nach ihren Erkenntnissen um einen Einzelfall, sagt Familienrichterin Susanne Rumler. Es sei schon Jahre her, dass die Impfung eines Kindes das Gericht beschäftigt habe. Zum konkreten Fall äußert sich Rumler nicht.
Elisabeth Müller (Name geändert) lebt mit den Kindern in Brackenheim. Die Ehe ist zerbrochen. Die Eltern haben das gemeinsame Sorgerecht. Müller ist ausgebildete Krankenschwester und geimpft. Ihr zufolge haben sie und die 13-Jährige den Piks von der Empfehlung der Ständigen Impfkommission (Stiko) abhängig gemacht.
Keine Einigung in Sicht
Auf eine Anfrage dieser Zeitung antwortet der Vater in einer E-Mail, er sehe keinerlei Handlungsbedarf, Kinder impfen zu lassen. Er hängt zahlreiche Links zu Youtube-Videos, Fernsebeiträgen und allerlei Publikationen an. Er komme zu dem Schluss, dass die Pandemie medial und politisch vorangetrieben werde, obwohl die Daten- und Faktenlage ein anderes Bild ergäben.
Dass sie und ihr Ex-Mann sich einigen, hält Müller für aussichtslos. Sie wendet sich ans Jugendamt des Landkreises Heilbronn. "Dort hat man versucht, mir die Impfung auszureden", sagt Müller. Kinder hätten doch nur milde Verläufe, habe die Sachbearbeiterin gesagt. Von der Empfehlung der Stiko halte sie nichts. Müller könne sich ans Familiengericht wenden.
Lea Mosthaf, Sprecherin der Kreisbehörde, macht zum Fall keine Angaben. Der Impfstreit in der Brackenheimer Familie sei nicht der einzige. "Es gibt Eltern, die aufgrund solcher Konflikte eine Beratung suchen. Bisher gibt es allerdings nur einzelne Anfragen dazu."
Schwierige Situation für die Tochter
Das Jugendamt unterstützt Eltern, eine einvernehmliche Lösung zu erarbeiten, sagt Mosthaf. "Häufig wird empfohlen, den bisher für das Kind zuständigen Arzt gemeinsam aufzusuchen, um eine ärztliche Einschätzung einzuholen." Die Mitarbeiter könnten einen Konflikt aber nicht befrieden, wenn Elternteile eine feste Haltung zu einem Thema eingenommen haben und deswegen eine gemeinsame Lösung unmöglich ist. Einen Antrag beim Familiengericht zu stellen, sei meistens die letzte Möglichkeit zur Lösung des Konflikts.
Laut Elisabeth Müller ist die Situation für ihre Tochter belastend. "Es ist mies, sie muss gegen ihren Vater gerichtlich vorgehen. Aber sie war einverstanden." Das habe vermutlich damit zu tun, dass Mitschüler geimpft seien und die Tochter Einschränkungen befürchtet. Müller räumt ein, dass die Haltung der 13-Jährigen nach zwei Wochen Ferien mit dem Vater ins Wanken geraten sei. "Jetzt hat sie Bedenken."
Richterin Rumler zufolge gleicht das Vorgehen des Gerichts in einem derartigen Fall anderen Sorgerechtsverfahren. "Es wird eine Stellungnahme vom Jugendamt eingeholt. Vater, Mutter und Kind werden angehört." Je älter ein Kind sei, desto eher zähle dessen Wille. So werde ein Zwölfjähriger sicher nicht gegen seinen Willen vom Gericht zu einer Impfung gezwungen, meint Rumler. Bei jüngeren Kindern könne ein Verfahrensbeistand bestellt werden, der ausschließlich die Interessen des Kindes vertreten soll.
Bundesgerichtshof urteilt 2017
Streit ums Impfen gibt es nicht erst seit Corona. Rumler verweist auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) im Jahr 2017. Damals ging es um eine Standard-Schutzimpfung eines knapp fünf Jahre alten Mädchens. Die Mutter lehnte die Impfung ab. Das Mädchen lebte bei ihr. Der Vater klagte.
Bei einem gemeinsamen Sorgerecht darf der Elternteil, bei dem das Kind lebt, alle Angelegenheiten des alltäglichen Lebens ohne Rücksprache mit dem anderen Elternteil entscheiden, urteilte der BGH 2017. Das betreffe zum Beispiel U-Untersuchungen oder Zahnarztkontrollen, erläutert Rumler. "Standard- oder Routine-Impfungen gehören da aber nicht dazu." Da müssen sich die Eltern einig sein. Der BGH entschied damals: Im Streitfall geht das alleinige Entscheidungsrecht über die Schutzimpfung auf den Elternteil über, welcher der Empfehlung der Stiko folgt.
Aktuelles Urteil zur Corona-Impfung
Die Ständige Impfkommission sagt, dass für Zwölf- bis 17-Jährige die Vorteile einer Impfung zum Schutz vor Corona die Risiken von Nebenwirkungen überwiegen. Wenn sich sorgeberechtigte Eltern deshalb in die Haare bekommen, stellt ein Beschluss des Oberlandesgerichts (OLG) Frankfurt vom 24. August klar: Bei Uneinigkeit über die Impfung eines Kindes gibt die Stiko-Empfehlung den Ausschlag. Geklagt hatte der Vater eines 15-Jährigen, der sich gegen Corona impfen lassen wollte. Die Mutter hatte ihr Einverständnis verweigert. Sie unterlag vor Gericht. Das OLG folgte in seiner Entscheidung einem Urteil des Bundesgerichtshofs im Jahr 2017.