Gedenkfeier in Heilbronn: Gegen das Schweigen an Tagen wie diesen
Die Stadt Heilbronn hat der Opfer der Reichspogromnacht gedacht. Bei der Feier bezeichnet Hauptredner Kilian Krauth es als Schande, dass Juden in Deutschland Angst haben müssen.

Die Stadt Heilbronn hat mit einer Feier am Max-Beermann-Platz der Opfer der Reichspogromnacht vom November 1938 gedacht. Und: Mit 350 Teilnehmern sind so viele Menschen an den Ort gekommen, in dessen Nachbarschaft vor 85 Jahren die Synagoge in Brand gesteckt wurde, wie schon lange nicht mehr. "Das ist in der heutigen Zeit so wichtig", sagte am Rande Avital Toren. Die große Resonanz wertet die Vorsteherin der jüdischen Gemeinde in Heilbronn zugleich als ein Zeichen der Solidarität an Israel. "Das ist ganz wichtig."
Einzelne israelische Flaggen waren zu sehen, auch Karin Mayenberger hatte eine dabei. An Gedenkveranstaltung zur Pogromnacht hatte sie schon in Vorjahren teilgenommen, in diesem Jahr aber erstmals mit einer Fahne - um Flagge zu zeigen, wie sie sagt. An diesem Abend gedenkt sie nicht nur der Opfer des NS-Regimes, sondern auch der Opfer der Hamas.
Gedenkfeier der Stadt Heilbronn ist ein Zeichen gegen Juden-Hass
Der Überfall der Terrororganisation auf Israel von Anfang Oktober und die offenen Anfeindungen gegenüber jüdischen Mitbürgern auch in Deutschland war eines der Kern-Themen der Gedenkveranstaltung. "Wehret den Anfängen", sagte Hauptredner Kilian Krauth. "Dass Juden in Deutschland heute wieder Angst haben müssen, dass sie öffentlich angefeindet und verhöhnt werden, von rechts von ganz links, von extremistischen Muslimen, von wem auch immer: Das ist eine Schande", sagte der Stimme-Redakteur. Danach gab es das erste Mal an diesem Abend lauten Applaus. Angst und Hass müsse alle erschüttern, sagte Kilian Krauth, die vom jüdischen und christlichen Menschenbild geprägt seien, an den Humanismus, die Vernunft, Aufklärung, Demokratie, Recht und Freiheit glaubten. "Wohin Spalterei, Ignoranz, Hass, Ausgrenzung, Menschenverachtung führen, sehen wir heute in der Ukraine, in Israel, im Gaza-Streifen."
Kilian Krauth sprach in seiner Rede über die Angst der jüdischen Mitbürger vor einem neuen Antisemitismus. Anfeindungen habe es schon vor den jüngsten Äußerungen bei propalästinensischen Demonstrationen, der heruntergerissenen Israel-Fahne am Rathaus, der entrissenen Israel-Flagge nach einer Kundgebung gegen Antisemitismus in Heilbronn gegeben. Krauth erinnerte an die Schändung der Chanukka-Leuchters an Weihnachten 2017. Der Stimme-Redakteur erinnerte zugleich an positive Zeichen im Heilbronner Alltag. Nach dem Hamas-Terror habe es eine Schweigeminute auf dem Kiliansplatz gegeben, vor einer Woche dann standen dort Menschen gegen Antisemitismus ein. Man müsse Flagge zeigen: "Heute, aber auch sonst im Alltag, im Beruf, im Verein, in der Kirche, dass wir nicht zuschauen, dass wir nicht daneben stehen, dass wir nicht schweigen."
Hauptredner Kilian Krauth fordert: Man solle nicht still sein
In seiner Rede betonte der Journalist und bekennende Christ, dass man die aus dem Judentum und Christentum gewachsenen Ideale leben und verteidigen müsse, sich engagiert und couragiert einsetze für ein "gutes Zusammenleben in unserer Stadt, in unserem Land, in unserer Demokratie." Sein Appell: "Seien wir uns der Mitverantwortung bewusst, seien wir wachsam, seien wir vorsichtig und vergessen wir nie, wie zerbrechlich das Glück ist, das Glück, in diesem Land zu leben, in dieser Region, in dieser Stadt." Seine beeindruckende Rede schloss er: "Bleiben Sie nicht still. Schweigen Sie nicht an Tagen und in Zeiten wie diesen."
Heilbronns Oberbürgermeister Harry Mergel ging ebenfalls auf den Hamas-Überfall ein, als 1400 Menschen ermordet und 240 Menschen als Geiseln genommen wurden. "Ihr Tod und Schicksal betrauern wir zutiefst." Dass in Deutschland Judenhass offen zutage trete, ist für Harry Mergel "beschämend, 78 Jahre nach der Schoah". Der OB sagte: "Keine jüdische Mitbürgerin, kein jüdischer Mitbürger soll in unserem Land, in unserer Stadt Angst haben müssen. Das ist unsere besondere Verantwortung und Verpflichtung."
Oberbürgermeister Harry Mergel spricht über Momente, in denen der gesellschaftliche Frieden in Gefahr ist
OB Mergel sagte, dass Menschen aus über 150 Nationen in Heilbronn lebten, sie hätten verschiedene Religionen und Weltanschauungen. "Unser friedliches Miteinander ist nur gesichert, solange wir uns alle auf die Grundwerte unserer Verfassung berufen, die Gesetze unseres Landes achten und uns gegenseitig mit Toleranz und Respekt begegnen." Er ergänzte: "Sobald auch nur einer dieser Bausteine grob missachtet und mit Füßen getreten wird und eine Gruppe gegen eine andere Gruppe agitiert, sind unser gesellschaftlicher Frieden und unser Zusammenhalt in Gefahr. Das dürfen wir nicht zulassen."