Frankenbahn stößt an Kapazitätsgrenzen
Schon jetzt gilt die Frankenbahn als überlastet. Durch wachsenden Güterverkehr un die bevorstehende ICE-Nutzung drohen die Schwierigkeiten verschärft zu werden. Mittlerweile wachsen die Anstrengungen in der Politik, der gebeutelten Strecke Abhilfe zu schaffen. Allein an der Bündelung mangelt es noch.

Mit den ICE-Stopps in Heilbronn zur Buga und im nächsten Jahr ist etwas in Bewegung gekommen. Bundes- und Landtagsabgeordnete aus dem Raum Heilbronn verstärken ihre Anstrengungen, Verbesserungen auf der Frankenbahnstrecke zu erreichen. Gleichzeitig werden Stimmen laut, die ein koordiniertes, konzertiertes Vorgehen, eine Bündelung der Kräfte fordern. Bisher beißen noch alle auf Granit.
Wenn der ICE kommt im nächsten Jahr, wird er wohl manches Mal auch unpünktlich sein. Wie könnte es anders sein auf einer Strecke, die an ihrer Kapazitätsgrenze angelangt ist. Ein Ausbau ist überfällig und notwendig. Das finden alle, die in der Region und im Land Verantwortung tragen.
Zusätzliche Belastung wird Frankenbahn an die Grenze bringen
Die Frankenbahn war schon bisher bekannt dafür, dass Züge ausgebremst werden, wenn kleine Verzögerungen zu Staus an einer der zahlreichen Engstellen führen. Im nächsten Jahr könnte es besonders eng werden, weil die Strecke zwischen Stuttgart und Mannheim gesperrt ist und deshalb nicht nur Personenzüge über die Frankenbahn umgeleitet werden. Dann fahren mindestens 30 Güterzüge zusätzlich pro Tag durch Heilbronn, schätzt der ökologisch ausgerichtete Verkehrsclub VCD. "Vielleicht wird die Bahn dann merken, dass ein Engpass da ist. Bisher kommt der durchgängige Ausbau der Frankenbahn nirgends vor", sagt Christof Krämer, Verkehrsexperte und stellvertretender Direktor beim Regionalverband Heilbronn-Franken.
Überholte Millionenbeträge, die schwer einzuordnen sind
Die bekannteste Engstelle ist der einspurige Abschnitt bei Möckmühl-Züttlingen, wo nach dem Zweiten Weltkrieg die zerstörte Jagstbrücke nur einspurig wieder ersetzt wurde. Die neue Brücke sollte 2004 einmal 21 Millionen Euro kosten, berichtet Krämer. Von über 30 Millionen ging man dann intern vor knapp zehn Jahren aus. Die weitere Ertüchtigung der Strecke dürfte einem Gutachten von 2009 zufolge mit weiteren 14 Millionen Euro zu Buche schlagen. Doch eine durchgängige Beseitigung der eingleisigen Engstellen sei gar nicht notwendig, heißt es dort.
"Es ist aber davon auszugehen, dass der Güterverkehr auf der Frankenbahn zwischenzeitlich zugenommen hat und die Gutachter diese Schlussfolgerung heute so nicht mehr treffen würden", erklärt Krämer. Im Raum stünde damit wohl ein hoher zweistelliger Millionenbetrag, der nur im Vergleich zu den vielen Hundert Millionen für den Ausbau der A6 überschaubar erscheint. Nebenbei lockerzumachen sind solche Beträge offenbar nicht.
Wieder schreiben Politiker Briefe
So überrascht es nicht, dass das Bundesverkehrsministerium auf die Bahn verweist. Und die Bahn? Der CDU-Bundestagsabgeordnete Alexander Throm hat sich mit dem ICE-Halt 2020 nicht zufriedengegeben und einen weiteren Brief geschrieben, den Ausbau der Frankenbahn angemahnt, um einen dauerhaften Fernverkehrsanschluss für Heilbronn zu ermöglichen.
In seiner Antwort betont der Konzernbevollmächtigte in Stuttgart, Thorsten Krenz, zwar, dass schon manche Maßnahme läuft. Was die Jagstbrücke bei Züttlingen angeht, so verweist er aber lapidar auf den Bundesverkehrswegeplan, wo die Maßnahme nicht aufgeführt sei. Und einen Fernverkehrsanschluss könne es erst ab 2028 geben. Vorher sei die Umsetzung eines Gesamtkonzepts nicht möglich. Denn bis dahin hat das Land den Verkehr auf der Strecke an die Bahn-Konkurrenten Abellio und GoAhead vergeben. Throm klagt: "Der grüne Verkehrsminister Winfried Hermann" habe mit seiner langfristigen Vergabe ein früheres Fernverkehrskonzept verhindert.
Juratovic warnt vor einem Schwarze-Peter-Spiel

"Das Schwarze-Peter-Spiel muss ein Ende haben", fordert der SPD-Bundestagsabgeordnete Josip Juratovic. "Der Bund stellt den Ländern mehr Mittel zum Infrastrukturausbau zur Verfügung. Jetzt gilt es, diese Mittel auch in den notwendigen Ausbau des Schienennetzes in unserer Region zu investieren. Die Strecke zwischen Möckmühl und Züttlingen braucht dringend einen zweigleisigen Ausbau."
Gemeinsam mit den SPD-Landtagsabgeordneten Reinhold Gall und Rainer Hinderer fordert er, dass Bund und Land hier an einem Strang ziehen. Gemeinsam schrieben sie entsprechende Briefe an den Bundes- und den Landesverkehrsminister.
Der ländliche Raum braucht ebenso die Fürsprecher wie die Großstadt Heilbronn
Nicht nur Heilbronn hat ein Interesse daran, dass die Bahn zu einer Alternative zum Auto wird. Für Menschen und Unternehmen zwischen Lauffen und Lauda-Königshofen ist eine funktionierende Verkehrsinfrastruktur entscheidend für die Zukunftsperspektiven - gerade im ländlichen Raum. Das vor anderthalb Jahren gegründete Mobi-Netzwerk Heilbronn-Franken mit Gewerkschaftsbund DGB und Verkehrsclub VCD an der Spitze fordert deshalb eine ganzheitliche Herangehensweise.
Erstens müsse die gesamte Region an einem Strang ziehen, und zweitens müsse man alle Mobilitätsformen berücksichtigen, die größten Anstrengungen benötige aber die Verbesserung beim Schienenverkehr. "Beim Regionalverband oder zumindest auf Ebene der Region Heilbronn-Franken muss der Verkehr geplant werden", sagt Silke Ortwein, Regionssekretärin des DGB. Hans-Martin Sauter vom VCD sagt: "Das Problem ist, dass zu kleinflächig gedacht wird." Er schätzt die Chancen für ein neues Gremium allerdings nicht allzu gut ein: "Die Landräte weigern sich, Verantwortung abzugeben."
Das geht unter anderem an die Adresse von Landrat Detlef Piepenburg. Was den Bahnverkehr angeht, so ist er auf der Ebene des Regionalverbands als Koordinator verantwortlich. Und gemeinsam mit den anderen Landräten ist er auch Mitglied der Zukunftskommission Frankenbahn, die vom Landesverkehrsminister Winfried Hermann ins Leben gerufen wurde.
Interessengemeinschaft Frankenbahn schon einmal gescheitert
Den Vorstoß, ihn als Sprecher einer Interessengemeinschaft zu installieren, gab es bereits Anfang 2017. Der damalige SPD-Fraktionschef im Regionalverband, Harald Friese, regte die Gründung solch einer IG Frankenbahn an, vergleichbar dem erfolgreichen Vorbild IG Schienenkorridor Stuttgart-Nürnberg. Landrat Detlef Piepenburg lehnte solch eine Bündelung der Kräfte damals allerdings ab. Als Verantwortlicher für das Thema im Rahmen des Pakts Zukunft fürchtete er zu viel Einmischung von außen. Der Heilbronner Stadtrat und Regionalverbandsmitglied Wolf Theilacker (Grüne) wirft die Frage nun ebenso wieder auf wie der VCD.
Auf die Frage, wie sich Piepenburg zu den Aussagen positioniert, antwortet Stellvertreter Lutz Mai: "Wir sind dem Minister sehr dankbar, dass er auf Initiative der Landräte Detlef Piepenburg, Achim Brötel (Neckar-Odenwald-Kreis, Anm. d. Red.) und Reinhard Frank (Main-Tauber-Kreis) die Zukunftskommission eingerichtet hat." Jetzt diese Kommission infrage zu stellen, wäre kontraproduktiv, sagt Mai. Weitere Aktivitäten würden nur zur Zersplitterung beitragen. Auf der Frankenbahn gehe es jetzt vor allem um viele kleine Maßnahmen, die bereits in Planung sind.
Piepenburg selbst äußert er sich nicht. Inzwischen ist er als Chef der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft (BWKG) stark gefordert, die Aufgaben im Landratsamt sind nicht weniger geworden. Lutz Mai versichert aber, dass diese Aufgaben den Einsatz für die Bahn nicht schmälern. Mai präsentiert statt dessen eine lange Liste von 18 Maßnahmen, die im Rahmen der Zukunftskommission Frankenbahn nun abgearbeitet werden sollen. "Dabei geht es teils auch nur um Zeitvorteile von 30 Sekunden", doch daran konsequent zu arbeiten, das sei das Entscheidende. "Zu oft wird das Thema auf die Jagstbrücke bei Züttlingen reduziert."
Bahn handelt bei Bedarf
"Natürlich stehen wir einem zweigleisigen Ausbau des Abschnitts Züttlingen-Möckmühl aufgeschlossen gegenüber, wenn zukünftig hierfür ein verkehrlicher Bedarf nachgewiesen werden sollte", schreibt der Konzernbevollmächtigte der Bahn AG für Baden-Württemberg, Thorsten Krenz, in seinem Antwortschreiben an den Bundestagsabgeordneten Alexander Throm (CDU). Er erläutert aber auch aktuelle und geplante Maßnahmen auf der Frankenbahnstrecke. Der Tunnel Wittighausen wurde bereits ertüchtigt, ebenso die Bahnhöfe Züttlingen und Möckmühl. An der Langsamfahrstelle in Neudenau könnte in zwei Jahren durch einen Kreisverkehr an der querenden Landesstraße Abhilfe geschaffen werden. 2022 soll die modernisierte Stellwerkstechnik zwischen Möckmühl und Eubigheim für reibungsarme Abläufe sorgen.
Doch es bleiben Baustellen. Für den Abschnitt zwischen Heilbronn und Bad Friedrichshall würden mehrere Machbarkeitsstudien laufen, so Krenz. Ausgang ungewiss.
Berlin kennt keine Frankenbahn
Für den ehemaligen SPD-Politiker Harald Friese bleibt das Thema Interessengemeinschaft Frankenbahn aktuell, auch wenn derzeit keine Initiative im Regionalverband mehr angedacht ist. "Inhaltlich ist es aber wichtig, dass man mit seinen Anliegen in Berlin durchdringt, das hat der gemeinsame Vorstoß zum Schleusenausbau gezeigt." Es sei das einzige Mal gewesen, dass die Europäische Metropolregion Stuttgart zusammengestanden habe - mit Erfolg. Dass der Regionalverband insbesondere von der CDU weiterhin nur als Planungsverband gesehen werde, sei ein grundsätzlicher Fehler. Von dort sollten auch politische Initiativen und Signale ausgehen können.
Außerdem plädiert Friese dafür, den Begriff Frankenbahn nach außen nicht allzu selbstverständlich zu verwenden. "In Berlin kennt man sie nicht. Da zuckt der Ministerialbeamte nur mit den Schultern." Stattdessen müsse man immer darauf hinweisen, dass diese Strecke von Zürich bis Würzburg Teil des Transeuropäischen Netzes (TEN) sei.
Termin zum Thema
Um Lösungsansätze für die Zukunft auszuloten, veranstaltet das Mobi-Netzwerk Heilbronn-Franken einen Zukunftsdialog mit Lokalpolitikern und Verkehrsexperten. Die Podiumsdiskussion findet am Donnerstag, 21. November, um 19.30 Uhr im Saal des Gewerkschaftshauses Heilbronn statt. Nach einer Einführung durch den VCD-Regionalchef Hans-Martin Sauter diskutieren Nico Morast (CDU), Rainer Hinderer (SPD), Nico Weinmann (FDP), Johannes Müllerschön (Linke), Wolf Theilacker (Grüne) und der Bahn-Experte Gerhard Schnaitmann über die Herausforderungen, vor denen die Region steht. Es soll unter anderem die Frage beantwortet werden, wie man Pendlern mit einer Verkehrsplanung "aus einem Guss" den Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel schmackhaft machen kann.
Kommentar "Verstummt"
Die Region kann sich glücklich schätzen, einen kompetenten und erfahrenen Mann wie Detlef Piepenburg in Verhandlungen mit Bahn, Land und Bund zu sehen. Doch in all dem Trubel um ICE-Halt und Frankenbahn-Ausbau ist von ihm wenig zu sehen und zu hören. Nachvollziehbar ist, dass man nicht heute konstruktiv mit einem Verkehrsminister zusammenarbeiten kann und ihn morgen öffentlichkeitswirksam kritisiert. Sacharbeit ist wichtig. Doch zu viel ist mit der ICE-Debatte in Bewegung geraten, als dass man die Chance zur Kommunikation ungenutzt verstreichen lassen darf. Indem Detlef Piepenburg verstummt, verpasst er die Gelegenheit, das bisher Erreichte als Erfolg zu verkaufen und sich als Sprecher der Region nach innen und außen zu positionieren.
Schlagworte wie "Verkehrswende" gilt es, mit Leben zu füllen. Engagierte sollten ermutigt, zu hohe Erwartungen gedämpft werden. Bürger müssen die bundesweit geführten Debatten in ihr Lebensumfeld übersetzt bekommen. Nimmt man die Idee einer Verkehrswende ernst, wird von jedem Pendler der Wille zur Veränderung abverlangt. Da sollte es selbstverständlich sein, dass Verwaltung und Politik diesen Prozess begleiten. Es braucht einen klaren Fahrplan, wann und wie der ÖPNV hier vor Ort verbessert wird.

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