Forschung zu ME-CFS steckt noch in den Kinderschuhen
Die Deutsche Gesellschaft für ME/CFS setzt sich für Rechte und Bedürfnisse Betroffener ein. Dank der Bemühungen der Deutschen Gesellschaft für ME/CFS und der Betroffenen-Initiative Long Covid Deutschland ist die Krankheit zum ersten Mal Teil des Koalitionsvertrags einer Bundesregierung.

"Diese Krankheit ist in der Gesellschaft weitgehend unbekannt und leider auch bei Ärzten. Im Medizinstudium kommt sie nicht vor", sagt Wiebke Böckmann. Seit ihr Bruder vor zwei Jahren die Diagnose bekam, engagieren sich die 28-Jährige und ihre Schwester ehrenamtlich in der Deutschen Gesellschaft für ME/CFS. Bei dem Verein mit Sitz in Hamburg handelt es sich um eine 2016 gegründete Patientenorganisation, die für die Rechte und Bedürfnisse von ME/CFS-Kranken eintritt. "Unsere Hoffnung ist die Forschung, das treibt uns an." Doch die steckt noch in den Kinderschuhen.
Nur zwei Anlaufstellen
Zwei Professorinnen an der Charité in Berlin und an der Technischen Universität in München seien in Deutschland führend beim Thema ME/CFS. "Aber diese zwei Anlaufstellen sind völlig überrannt", sagt Wiebke Böckmann. Sie weiß auch von einem Virologen an der Uni Würzburg, der auf der Suche nach einem Biomarker sei, mit dem die Krankheit eindeutig diagnostiziert werden könnte. In den USA, Schweden, Kanada und Australien haben sich Wissenschaftler von Elite-Universitäten in der "Open Medicine Foundation" zusammengeschlossen, um dieser neuroimmunologischen Erkrankung, die auch in Folge von Corona als Long Covid auftreten kann, auf die Spur zu kommen.
Die im Oktober von vier Betroffenen gestartete Petition an den Deutschen Bundestag ziele darauf, "ME/CFS prominent auf den Tisch zu bekommen", sagt Wiebke Böckmann. 93.000 Stimmen seien ein Erfolg, "umso größer ist der Handlungsdruck für die Politik. Aber es müssen Taten folgen." Ein Schritt in die richtige Richtung ist aktuell getan: Dank der Bemühungen der Deutschen Gesellschaft für ME/CFS und der Betroffenen-Initiative Long Covid Deutschland ist die Krankheit zum ersten Mal Teil des Koalitionsvertrags einer Bundesregierung. In dem Papier von SPD, Grünen und FDP heißt es: "Zur weiteren Erforschung und Sicherstellung einer bedarfsgerechten Versorgung rund um die Langzeitfolgen von Covid-19 sowie für das chronische Fatigue-Syndrom (ME/CFS) schaffen wir ein deutschlandweites Netzwerk von Kompetenzzentren und interdisziplinären Ambulanzen."
Betroffene bekommen Hoffnung
Ein Hoffnungsschimmer auch für Wiebke Böckmanns Bruder. Er ist 31 Jahre alt, kann das Bett nicht mehr verlassen. Sein Crash kam vor zweieinhalb Jahren. Krank sei er aber Jahre vorher schon gewesen, nicht mehr leistungsfähig", erzählt Böckmann. Kein Arzt wusste Rat. Typisch für dieses Krankheitsbild, dessen Kernsymptom die "Post-Exertional Malaise" (PEM), eine massive Verschlechterung der Symptomatik nach kognitiver oder körperlicher Belastung ist. "Oft werden Fehldiagnosen gestellt, in die psychosomatische Richtung oder Depressionen, weil die Patienten oft noch jung sind, man ihnen die Krankheit nicht ansieht."
Ihr Hamburger Verein macht sich auch stark auch für die Anerkennung von ME/CFS als schwere, körperliche Erkrankung bei Kranken- und Rentenkasse. "Es ist ein Kampf mit dem System", sagt Böckmann: "Mit dieser Krankheit eine Pflegestufe zu bekommen, ist schwierig."