Fahren in Zukunft wieder Züge auf der Bottwartalbahn?
Das Verkehrsministerium hat untersucht, welche stillgelegten Bahnstrecken in Baden-Württemberg möglicherweise wieder in Betrieb genommen werden können. Drei Strecken aus der Region haben gute bis sehr gute Chancen auf eine Wiederbelebung.

Die stillgelegte Bottwartalbahn zwischen Marbach und Heilbronn birgt in der Region das größte Fahrgastpotenzial, um von den Kreisen und Kommunen mit finanzieller Unterstützung des Bundes und Landes reaktiviert zu werden. Es wird vom Verkehrsministerium als „sehr hoch“ bewertet, das am Dienstag die Ergebnisse einer vergleichenden Studie vorstellte, die insgesamt 42 nur zum Teil oder gar nicht mehr genutzte Strecken im Land analysiert hat.
Ebenfalls gute Chancen auf eine Wiederinbetriebnahme werden der Kochertalbahn zwischen Waldenburg und Künzelsau sowie der Zabergäubahn zwischen Lauffen und Zaberfeld eingeräumt. Das tägliche Fahrgastaufkommen wird bei beiden Strecken als „hoch“ bewertet.
Die Krebstbachtalbahn zwischen Neckarbischofsheim und Hüffenhardt/Bad Rappenau schneidet schlechter ab, ihr Potenzial liegt nur im mittleren Bereich. Die Nebenbahn Blaufelden-Langenburg landet abgeschlagen in der vierten Kategorie, in der nur eine gelegentliche oder touristische Nutzung geprüft werden könnte.
Offensive starten
„In vielen der stillgelegten Bahnstrecken steckt ein beträchtliches Potenzial. Das wollen wir heben“, sagt Verkehrsminister Winfried Hermann. Das Land wolle gemeinsam mit den Kommunen eine neue Reaktivierungsoffensive starten: in den Verdichtungsräumen, aber auch im ländlichen Raum.
Vier Kategorien
Insgesamt 42 stillgelegte Strecken im Land seien durch das vergleichende Gutachten auf ihr Fahrgastpotenzial untersucht worden, heißt es in der Mitteilung des Ministeriums. Auf Grundlage des zu erwartenden Fahrgastaufkommens wurden die Strecken in vier Kategorien eingeteilt: sehr hoch, hoch, mittel und gering.
Ein sehr hohes Potenzial von mehr als 1500 Fahrgästen pro Schultag sei auf zwölf der untersuchten Strecken zu erwarten, etwa auf der Bottwartalbahn zwischen Marbach und Heilbronn, auf der Echaztalbahn zwischen Reutlingen und Engstingen, auf der Markgröninger Bahn zwischen Ludwigsburg und Markgröningen und auf der Strecke Göppingen – Bad Boll – Kirchheim/Teck.
Hohes Fahrgastaufkommen
Ein hohes Fahrgastaufkommen von 750 bis 1500 Fahrgästen pro Schultag sei laut Verkehrsministerium auf zehn Strecken anzunehmen, darunter seien die Kochertalbahn zwischen Waldenburg und Künzelsau, die Zabergäubahn zwischen Lauffen und Zaberfeld, die Wehratalbahn zwischen Schopfheim und Bad Säckingen und die Ablachtalbahn zwischen Mengen und Stockach.
Mittleres Nachfragepotenzial
Bei weiteren zehn Strecken geht das Ministerium von einem mittleren Fahrgastaufkommen von 500 bis 750 Fahrgästen pro Schultag aus, darunter auf der Krebsbachtalbahn zwischen Neckarbischofsheim und Hüffenhardt/Bad Rappenau sowie auf der Kandertalbahn zwischen Haltingen und Kandern.
Durch „vertiefte Untersuchungen“ sei hier zu klären, „ob ein höheres Nachfragepotenzial möglich ist“. Dies könne durch eine Machbarkeitsstudie belegt werden.
Zu wenig Fahrgäste für tägliches Angebot
Für zehn Bahnstrecken mit weniger als 500 Fahrgästen je Schultag kommt das Gutachten zu dem Schluss, „dass für ein tägliches Angebot im Stundentakt nach den vorliegenden Kenntnissen nicht genügend Fahrgäste erwartet werden“. Hier könne im Einzelfall geprüft werden, ob die Strecken für ein „verringertes Angebot, zum Beispiel für den Freizeit- und Museumsbahnverkehr geeignet sind“.
Kosten für Bau und Betrieb können gefördert werden
Minister Hermann betont, die Rahmenbedingungen für neue Reaktivierungsvorhaben seien so günstig sind wie noch nie. Deshalb ermutigt er die kommunalen Entscheidungsträger, jetzt zügig konkrete Planungen voranzutreiben: „Der Bund fördert die Baukosten für Reaktivierungsvorhaben neuerdings mit bis zu 90 Prozent. Das Land beteiligt sich zudem an den verbleibenden Kosten, so dass im Ergebnis Streckenreaktivierungen mit bis zu 96 Prozent der Baukosten gefördert werden können.“
Und: „Damit die Vorhaben möglichst schnell durch die kommunalen Akteure geplant werden, wird das Land noch von diesem Jahr an bis Ende 2023 Machbarkeitsstudien zu Reaktivierungsvor haben mit 75 Prozent fördern. Wichtig ist, dass die Akteure vor Ort sich möglichst frühzeitig auf ein gemeinsames Vorgehen abstimmen und die Streckenreaktivierungen vorantreiben.“
Der Verkehrsminister kündigte ebenfalls an, dass das Land bei nachfragstarken Strecken grundsätzlich die Bestellung und die Kosten für den Betrieb der reaktivierten Bahnstrecken gemäß dem Landesstandard (mindestens Stundentakt, bei hoher Nachfrage mehr) übernehmen werde. Sollten mehr Züge als der Landesstandard gewünscht werden, müsste diese Aufstockung kommunal finanziert werden. Hermann: „Gerade auch um den ländlichen Raum zu stärken, übernimmt das Land bei Strecken mit einem Fahrgastpotenzial von mindestens 750 Fahrgästen je Schultag die Betriebskosten. Und bei Strecken mit einem mitt-leren Fahrgastpotenzial von 500 bis 750 Fahrgästen je Schultag bieten wir eine anteilige Finanzierung der Betriebskosten in Höhe von 60 Prozent an.“
Förderung in zeitlicher Reihenfolge der Inbetriebnahmen
Laut Verkehrsministerium würden die Mittel in zeitlicher Reihenfolge der Inbetriebnahmen vergeben, sofern ausreichend Mittel vorhanden seien. „Durch diese Regelung besteht ein hoher Anreiz, zügig die notwendigen Planungen schnell in Angriff zu nehmen.“ Minister Hermann motiviert die lokalen und regionalen Akteure, jetzt aktiv zu werden: „Die Reaktivierung von Schienenstrecken kann nur gemeinsam gelingen. Die Initiative muss von der kommunalen Ebene kommen. Als Land unterstützen wir die Projekte mit Rat und Tat und auch finanziell.“
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