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Fachleute fordern Comeback der Warnsirene

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Nach den Überschwemmungen im Westen Deutschlands ist die Diskussion entbrannt, ob die Bevölkerung rechtzeitig vor dem Unwetter gewarnt wurde. Der Bund kündigte eine Reform des Katastrophenschutzes an. Die Feuerwehr in der Region Heilbronn unterstützt die Forderung, das lange vernachlässigte Netz der Warnsirenen auszubauen.

Von Alexander Hettich, Michael Schwarz und dpa
Foto: dpa
Foto: dpa  Foto: Jens Büttner

Der Leiter des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK), Armin Schuster, hat den Katastrophenschutz gegen Kritik verteidigt. "Unsere Warninfrastruktur hat geklappt im Bund", betonte Schuster. 150 Warnmeldungen seien über das System geschickt worden - an Fernseh- und Rundfunkanstalten sowie an Warn-Apps. Er verwies darauf, dass die Warn-App Nina des BBK neun Millionen Nutzer habe. Wo die Menschen in den Hochwassergebieten durch Sirenen gewarnt worden seien und wo nicht, könne er im Moment nicht sagen. Der Behördenchef betonte, es brauche einen Warnmittel-Mix aus verschiedenen Methoden - rein digitale Warnungen seien nicht der richtige Weg. "Und deswegen wollen wir auch die gute alte Sirene zurückhaben." Mit einem Förderprogramm in Höhe von 90 Millionen Euro sollen gemeinsam mit den Bundesländern "an den richtigen Stellen" wieder Sirenen installiert werden.

 


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Warnung in der Region nicht mehr flächendeckend

Nach dem Ende des Kalten Krieges hatte der Bund sein Sirenennetz aufgegeben und den Kommunen angeboten, es weiterzubetreiben. Manche nahmen an, andere verzichteten. Im Landkreis Heilbronn gibt es 216 Standorte, in der Stadt sind es 90 und im Hohenlohekreis 68. Zwar hätten alle Kommunen im Stadt- und Landkreis Heilbronn die Sirenen übernommen, betont der Heilbronner Kreisbrandmeister Bernd Halter. "Die Warnung ist aber nicht mehr flächendeckend." Neue Sirenen seien nicht installiert worden, Baugebiete jüngeren Datums lägen nicht im Radius einer Sirene. "Einen Ausbau", so Halter, "würden wir begrüßen". Nötig sei auch ein regelmäßiger Probealarm, um die Bevölkerung mit den Signalen vertraut zu machen. Ein bundesweiter Warntag im vergangenen September verlief in Baden-Württemberg ernüchternd. Vielerorts blieben Sirenen anders als angekündigt stumm, Warnapps funktionierten nicht.

Die Kommunen im Südwesten seien selbst dafür verantwortlich, die Bevölkerung vor Katastrophen zu warnen, sagte ein Sprecher des Innenministeriums gegenüber unserer Zeitung. Welche Warnmittel sie für den Ereignisfall nutzten, würden Städte und Gemeinden "in eigener Zuständigkeit auf der Basis ihrer örtlichen Gegebenheiten und des Risikopotentials im Rahmen ihrer gemeindlichen Alarm- und Einsatzplanung" entscheiden, so der Sprecher weiter.

 


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Land setzt auf modulares Warnsystem

Generell setze Baden-Württemberg bei der Katastrophenwarnung auf das Modulare Warnsystem (MoWas). Über das System könnten alle Warnmittel gleichzeitig ausgelöst werden - also zum Beispiel die Warn-App Nina vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe. MoWas stehe auch Kommunen zur Verfügung. Neben MoWaS könnten von den Kommunen auch "örtliche Warnmittel" wie zum Beispiel Sirenen, Lautsprecherfahrzeuge oder regionale Warnsysteme genutzt werden. Weiter würden Rundfunk-, TV-, Zeitungs- und Onlineredaktionen per Pressemitteilung kontaktiert. Die erste Information über drohende Unwetter komme aber immer vom Deutschen Wetterdienst (DWD), so der Sprecher. Dieser sei direkt an MoWas angebunden. Auch das Lagezentrum im Stuttgarter Innenministerium würde durch den DWD informiert. Über das Lagenzentrum würden dann auch die Polizei- und Regierungspräsidien kontaktiert.

Insgesamt seien 2020 in Baden-Württemberg 189 Warnmeldungen über MoWas versendet worden, davon ein Großteil durch die kommunale Ebene, etwa bei Bränden, Bombenentschärfungen, Wettermeldungen und Trinkwasserverunreinigungen. Im laufenden Jahr wurden bis Mitte Juli 93 Warnmeldungen über MoWaS versendet, darunter acht Warnmeldungen zu Wettergefahren. Baden-Württemberg arbeite seit der Unwetterkatastrophe von Braunsbach (Kreis Schwäbisch Hall) im Mai 2016 daran, "sich bestmöglich auf extreme Unwetterereignisse vorzubereiten", erklärt Innenminister Thomas Strobl (CDU).

 

Bund will Reform des Katastrophenschutzes

Angesichts des Hochwassers im Westen Deutschlands soll die geplante Reform des Katastrophenschutzes schneller umgesetzt werden als bisher geplant. Die Kompetenzen und Ressourcen des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) müssten künftig auch in Friedenszeiten genutzt werden können, sagte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums am Montag in Berlin. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) und BBK-Präsident Armin Schuster hatten zuletzt Pläne für ein neues "Kompetenzzentrum" beim BBK vorgestellt, in dem alle im Katastrophen- und Bevölkerungsschutz relevanten Akteure von Bund und Ländern zusammenarbeiten sollen.

Seehofer: Kein Zweifel an föderaler Struktur

Daran, den Katastrophenschutz auch jenseits des Verteidigungsfalls generell dem Bund anzuvertrauen, wird bei dieser geplanten Reform allerdings nicht gedacht. Seehofer, der am Montag die von den Fluten betroffenen Regionen besuchte, ließ über seinen Sprecher verbreiten: "Ich möchte keinen Zweifel daran lassen, dass diese föderale Struktur beim Bevölkerungs- und Katastrophenschutz richtig ist, und zwar seit vielen Jahrzehnten. Wir sollten daran nicht rütteln. Zentralismus verbessert hier gar nichts." dpa

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Kommentare

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Holger Tuerm am 20.07.2021 12:40 Uhr

Was sollen denn das für Fachleute sein, die jetzt sagen, wir brauchen die Sirenen wieder? Das sind nur Schwätzer. Ein Fachmann hätte das vor Jahren beim Abbau der Sirenen gesagt. Mich erinnert das an einen Vorgang in Neuenstadt, wo Notbrunnen stillgelegt wurden, weil die Firma Förch einen Parkplatz im Wasserschutzgebiet bauen durfte. Wenn die Brunnen in Zukunft gebraucht würden, kommen dann auch die "Fachleute" aus ihren Löchern?

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