Experte kritisiert Heilbronner E-Scooter-Strategie
Heilbronn verschärft die Regeln für Leih-Elektroroller. Der einzig verbliebene Anbieter Tier muss unter anderem für jeden Scooter eine Gebühr zahlen. Das kritisiert Semih Severengiz, Professor an der Hochschule Bochum, im Gespräch mit der Stimme als "völlig falschen Ansatz".
Leisten Elektro-Stehroller einen Beitrag zur Mobilitätswende? Experte Semih Severengiz bescheinigt der Branche große Fortschritte in Sachen Nachhaltigkeit und kritisiert die Scooter-Strategie der Stadt Heilbronn: Miete von den Anbietern zu verlangen, sei "der völlig falsche Ansatz", sagt der Leiter des Labors für Nachhaltigkeit in der Technik an der Hochschule Bochum.
Schlechte Öko-Bilanz, Wegwerfartikel: Die Vorbehalte gegen E-Scooter sind nach wie vor groß. "Das hat sich sehr positiv entwickelt", sagt hingegen Semih Severengiz, der für die Hochschule Bochum und die Deutsche Energie-Agentur eine Studie über "Potenziale von E-Scootern für eine nachhaltigere, urbane Mobilität" mitverfasst hat. Noch 2021 kam etwa das Umweltbundesamt zu dem Schluss, dass die elektrischen Tretroller "zurzeit" kein Gewinn für die Umwelt seien.
Experte sieht Fortschritte bei der Ökobilanz
"Die Treibhausbilanz von E-Scootern ist völlig unbedenklich", sagt der Bochumer Forscher. Die Geräte seien deutlich ausgereifter als in der Anfangsphase vor wenigen Jahren. Akkus seien meist austauschbar, die Roller hätten eine Lebensdauer von drei bis fünf Jahren - nicht wenige Monate, wie Kritiker immer wieder monierten. Eine Pflicht zum Ökostrom-Tanken in die Verträge zu schreiben, wie es neuerdings auch Heilbronn tut, hält Severengiz für sinnvoll.
Dass die Stadt vom einzig verbliebenen Verleiher Tier 12,50 Euro pro Scooter und Jahr für die Nutzung des öffentlichen Raumes verlangt, hält er für falsch. "Die Anbieter müssen wirtschaftlich arbeiten können." Wenn sie einen Beitrag zur Anbindung der Außenbezirke der Städte leisten, gehört das Angebot seiner Ansicht nach eher subventioniert. Geparkte Autos würden sehr viel mehr Platz wegnehmen, das sei immer noch zum Teil kostenlos oder sehr günstig.
Potenzial bei der Nutzung von E-Rollern ist groß
Wie eine Befragung des ADAC zeigt, werden die Stehroller häufig als Spaßmobile genutzt. Wenn jemand den Scooter nimmt, statt zu Fuß zu gehen oder Rad zu fahren, ist aus Klimaschutz-Sicht nichts gewonnen. "Es gibt aber eine kritische Masse der Substitution von Pkw-Verkehr", stellt Forscher Severengiz fest. Noch sei der Beitrag gering, das Potenzial aber groß.
Ein ganz anderes Thema ist die Sicherheit, immer wieder gibt es Unfälle mit den Scootern. "Da sind die Kommunen in der Pflicht, die Infrastruktur zu ertüchtigen", sieht der Hochschulprofessor Mängel im Wegenetz.