Erhöhter Mindestlohn: Sorge um Lohnspirale wächst
Die Erhöhung des Mindestlohns sorgt in arbeitsintensiven Branchen für Kopfzerbrechen. Die Landwirtschaft befürchtet, dass Teile der Produktion ins Ausland verlagert werden. Die Gastronomen befürchten, dass die steigenden Betriebskosten nicht an den Gast weitergereicht werden können.

Die Erhöhung des Mindestlohns auf zwölf Euro sorgt in arbeitsintensiven Branchen für Verunsicherung. Agrarverbände befürchten, dass es durch die Erhöhung zu einem Aufschaukeln des Lohngefüges kommt. Sorgenfalten gibt es auch im Gesicht manches Gastronomen, wenngleich den Mitarbeitern mehr Geld in der Tasche gegönnt wird.
Thomas Heiland, Hauptgeschäftsführer des Gartenbauverbands Baden-Württemberg-Hessen, spricht von einer "deutlichen Mehrbelastung. Der Verband befürchtet, dass die Anhebung auf zwölf Euro zu einem Auseinanderbrechen des Lohngefüges kommt, da der Abstand zu den Einstiegsgehältern stark schrumpft.
So beträgt der tarifliche Ecklohn in Baden-Württemberg für einen ausgebildeten Gärtner nach zwei Jahren Betriebszugehörigkeit 13,45 Euro. Es stehe zu befürchten, dass es zu einer deutlichen Anhebung aller Lohngruppen kommt. Im Durchschnitt liege der Lohnaufwand im Gemüsebau bei 30 bis 40 Prozent der Produktionskosten. Bei manchen Betrieben mit Freiland-Kulturen, wie etwa Radieschen könne der Anteil auf 50 Prozent steigen, teilt Heiland mit. Der Verband vertritt in Baden-Württemberg und Hessen etwa 1000 Betriebe.
Wie knapp der Abstand zu tariflichen Einstiegslöhnen ist
Der Landesbauernverband blickt ebenfalls sorgenvoll auf den neuen Mindestlohn. Vizepräsident Hans-Benno Wichert erinnert daran, dass dieser zur Jahresmitte bereits von 9,82 Euro auf 10,45 Euro angehoben wurde. 2024 stehe eine weitere Erhöhung ins Haus. Das Einstiegsgehalt einer agrarisch ausgebildeten Fachkraft betrage 13,35 Euro. Da sei nicht mehr viel Abstand zum Mindestlohn.
Wie der Gemüseanbauverband befürchtet auch der Bauernverband den Beginn einer Lohnspirale. Als Folge stehe zu befürchten, dass Teile der Produktion ins Ausland abwandern. "Wir sehen das in Frankreich, wo höhere Mindestlöhne gelten. Seitdem sind die Sonderkulturen im Elsass stark ausgedünnt", so Wichert.
"Wir Landwirte bezahlen unseren Mitarbeitern gerne einen höheren Lohn, dieser muss aber vom Handel und den Verbrauchern mitgetragen werden", ist die Position von Markus Läpple. Der Ilsfelder ist Gemüse- und Weinbauer sowie im Vorstand des Bauernverbands Heilbronn-Ludwigsburg. In den vergangenen Monaten hätten Kunden auf höherwertige, regionale Frischware mit Kaufzurückhaltung reagiert. Der Handel erschwere den Absatz durch preisgünstigere Importware.
Was der Mindestlohn mit dem Landschaftsbild zu tun hat
Landwirt Läpple prognostiziert, dass steigende Löhne sogar Auswirkungen auf das Landschaftsbild in der Region haben. "Bei der aktuellen Erlös-Situation im Weinbau und den steigenden Lohnkosten wird es schwierig, Steillagen zu erhalten - mit der Folge, dass Terrassenweinberge verbuschen", befürchtet Läpple.
"Der Mindestlohn ist für unsere Leute mehr als gerechtfertigt", sagt Martin Kübler, Vorsitzender des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) im Stadt- und Landkreis Heilbronn. "Das haben unsere Mitarbeiter verdient. Ich gönne es ihnen total." Nur der Zeitpunkt sei der falsche. "In der Krise mit steigenden Kosten für Lebensmittel, Energie und Heizung ist der Mindestlohn ein Pfund, das noch obendrauf gepackt wird" - und das bei gleichzeitig sehr zurückhaltender Konsumlaune. So würden zum Beispiel Reservierungen für Weihnachtsfeiern sehr spärlich eingehen, bedauert Kübler.
Was eine Empfängerin des Mindestlohns zum Zuwachs sagt
Der Dehoga-Stadtverbandsvorsitzende Thomas Aurich betont, die meisten Beschäftigten in der Gastronomie seien bereits auf Zwölf-Euro-Niveau. "Der neue Mindestlohn trifft einen Teil, aber nicht die Masse." Thomas Aurich würde seinen Angestellten gerne mehr bezahlen, sagt er. Allerdings müssten dann die Gäste ebenfalls mehr auf den Tisch legen - "aber die stehen ja auch fürchterlich unter Druck." Der Mindestlohn sei nicht das, was seine Kollegen und ihn primär schmerze. "Was uns schmerzt, sind die Rückgänge insgesamt und die steigenden Kosten."
Ronja Schmidt, die in einem Heilbronner Restaurant arbeitet, ist eine derjenigen, deren Stundenlohn nun auf zwölf Euro gestiegen ist. "Ich freue mich definitiv", sagt die junge Frau, die gerade jetzt, da alles teurer wird, froh ist, zusätzlich zum Lohn ihr Trinkgeld zu haben. Mit Geld ausgeben hat sie extra bis Oktober gewartet, weil sie dann mehr im Portemonnaie hat.