Erhält die Bottwartalbahn zum Jubiläum eine neue Chance?
Vor 125 Jahren rollte das Bähnle zum ersten Mal über die Schienen. Eine mögliche Reaktivierung der Bottwartalbahn ist aktuell Gegenstand von Untersuchungen. Auch potenzielle Fahrgäste weiterer stillgelegter Trassen in der Region hoffen.

Der Entenmörder: So hat man die Bottwartalbahn früher genannt. "Weil sie immer mal wieder eine Ente erwischt hat", weiß der Beilsteiner Michael Wolfruhm (73). Er erinnert sich noch dunkel an das Bähnchen, das vor 125 Jahren zum ersten Mal die Gleise sah. "Man erzählt sich im Besen von der Bahn, und da will jeder der letzte Lockführer gewesen sein", sagt Wolfruhm und schmunzelt.
Ingrid Schiller ergänzt, was sie noch über den Entenmörder weiß: "Er fuhr so nah an der Bottwar entlang, an Wohnhäusern und blühenden Apfelbäumen vorbei. Die Bewohner mussten ihre Wäsche reinholen, wenn die Bahn kam." Schiller ist vor 30 Jahren nach Beilstein gezogen und wohnt jetzt dort, wo damals der Lokschuppen stand. Früher habe man dort um 3 Uhr morgens die Lokomotive, die gebraucht wurde, aufgetankt. Angeblich habe man gewusst, ob der Lokführer schlecht gelaunt war, wenn er besonders laut zu Gange war. Noch heute hängen historische Bilder bei Schiller im Flur.
1894 im Mai hatte alles angefangen

Am 9. Mai 1894 wurde die Strecke zwischen Marbach und Beilstein eingeweiht. Wolfgang Berner vom Historischen Verein Bottwartal kennt eine Anekdote: "Als der erste Zug nach Beilstein fuhr, waren die Bahnhöfe so überfüllt, dass nur der Ministerpräsident zur Begrüßung aussteigen konnte. Alle anderen mussten im Zug bleiben. Zu Pfingsten hatte man nicht genügend Personenwagen. Man musste auf Güterwagen ausweichen." Die Wagen seien bequem und hübsch ausgestattet gewesen, erzählt Berner. Viele nutzten die Bahn, die zunächst nur durch das Bottwartal, später auch durch das Schozachtal fuhr.
Sie beförderte nicht nur Personen, sondern auch Güter. "Die Strecke war eine Besonderheit. Es wurden Postkarten gedruckt", sagt Hans-Joachim Knupfer vom Historischen Verein Bottwartal über die damalige Popularität der Schmalspurbahn. Schon von Beginn an sei klar gewesen, dass der Zug bis nach Heilbronn fahren soll. Die Trassenführung war damit aber nicht geklärt.
Endstation war ab 1. Dezember 1900 Heilbronn Süd, wo Zuckerfabrik und Knorr sich angesiedelt hatten. "Dahin mussten die Arbeiter aus dem Schozachtal", weiß Berner.
Versuche, die Strecke zu modernisieren

In den 50er Jahren habe man versucht, die Bottwartalbahn zu modernisieren, um den Berufsverkehr auf der Schiene zu halten. "Parallel wurden schon erste Buslinien eingerichtet nach Feuerbach oder Kornwestheim." Darunter litten die Fahrgastzahlen der Bahn. Hinzu kam: "Man konnte nichts mehr investieren."
Statt auf die Schmalspurbahn konzentrierten sich die Regierung und die Bundesbahn auf die großen, breiten Hauptstrecken, sagt Berner. Die Bottwartalbahn war unwirtschaftlich. Das bedeutete das Aus. Ein allerletztes Mal fuhr der Zug am 16. Januar 1969.
In diesem Zustand ist die Trasse heute
Die Bottwartalbahn zu reaktivieren, ist nicht einfach. Sie ist damals entwidmet worden. Kommunen verpflichteten sich zwar dazu, die Trasse frei zu halten, doch das gelang nicht überall. Eine Wiederbelebung bedeutet also einen Neubau, was wiederum mit jahrelanger Planung einhergeht. Zudem sind an vielen Stellen, wo früher Schienen verliefen, Straßen gebaut worden.
Das Verkehrsministerium untersucht derzeit 41 mögliche Reaktivierungsstrecken in ganz Baden-Württemberg, darunter auch die Strecke Marbach-Heilbronn. "Viele der zwischen 1960 und 1990 stillgelegten Strecken haben auch heute noch ein hohes Fahrgastpotenzial. Das wollen wir dort wieder heben, wo eine Reaktivierung noch möglich ist", teilte Verkehrsminister Winfried Hermann erst kürzlich mit.
Um die Mittel für die Wiederinbetriebnahmen optimal einzusetzen, hat das Land eine vergleichende Machbarkeitsuntersuchung in Auftrag gegeben. Das Ergebnis soll Anfang 2020 vorliegen. Etwa 15 Strecken werden im Anschluss näher untersucht: Hier soll der zu erwartende Investitionsaufwand bei einer Reaktivierung geschätzt und das Fahrgastpotential untersucht werden, heißt es auf Anfrage vom Verkehrsministerium. "Das Ergebnis wird Ende 2020 vorliegen", sagt Sprecher Edgar Neumann.
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