Eine halbe Tonne Fett als Schmiermitel für die A6-Brücke bei Heilbronn
A6-Ausbau: Die 48.000 Tonnen schwere Vorlandbrücke über das Neckartal kommt beim Querverschub etwas langsamer voran als geplant. Auch der Freitag wird noch für den schubweisen Spezialtransport mit Hydraulikhilfe benötigt, ehe die Endlage erreicht ist.

Es ist ein Gewimmel und Gewusel in orangefarbenen Overalls auf der A6-Vorlandbrücke zwischen Heilbronn und Neckarsulm: Als der komplizierteste Teil des gesamten A6-Ausbauprojekts auf sechs Fahrspuren am Donnerstag mit dem Querverschub des nördlichen Brückenteils über das Neckartal anläuft, sind die Arbeiter auf den Querachsen in luftiger Höhe die Hauptdarsteller.
Damit der Koloss, die rund 820 Meter lange nördliche Vorlandbrücke aus Stahlbeton mit seinen 48 460 Tonnen Gewicht, schubweise an seine Endposition an den südlichen Brückenteil verschoben werden kann, ist viel Handarbeit nötig.
Auf elf Querachsen auf hohen Pfeilern wird das Brückenteil mit Hydraulikhilfe und Stahlseilen bewegt. Neun Vermesser sind zudem im Einsatz, um Abweichungen vom Plan zu erkennen. Damit die Brücke auf den Achsen gut vorangleitet, müssen immer wieder Teflonplatten als Unterlage ausgelegt werden. Mit Teflonfett pinseln Arbeiter die Platten zudem ein - eine optimale Gleithilfe für das mächtige Bauwerk.
Präzision geht vor Schnelligkeit
Um sieben Uhr morgens haben die Autobahnbauer das komplexe Projekt gestartet, nach Angaben von ViA6West-Geschäftsführer Simon Dony einer der größten Querverschübe eines Bauwerks weltweit. Am Computer werden die sogenannten Litzenheber gesteuert, damit der Zug überall zeitgleich ansetzt. Stahlseile ziehen die lange Brücke dann schubweise ein Stück vorwärts, im Schneckentempo, mehr als 1,5 Meter pro Stunde ist nicht drin. Mit dem Auge könne man die Bewegung dann sehen, wenn man einen Punkt fixiert, erklärt Projektleiter Axel Gatz. Rund 500 Kilogramm Teflonfett hat er für das Prozedere eingekauft, das ursprünglich auf zwölf Stunden angesetzt war.
Sorge vor verkeilten Elementen
Es geht etwas langsamer voran als gedacht. Auf rund fünf Meter schätzt Gatz gegen 12.15 Uhr den bisherigen Querverschub. Fünf von insgesamt 21,74 Metern, die das Brückenteil verschoben werden muss. "Es ist kein Wettrennen", betont der Projektchef. Wichtig sei, dass man ans Ziel komme. Auch ViA6West-Sprecher Michael Endres verdeutlich, dass man den Freitag noch als Puffertag eingeplant habe. Präzision und Sicherheit gingen vor. Es sei ein sehr hoher Aufwand, wenn man bei verkeilten Teilen die Brücke mit Spezialspreizern anheben müsste.
Im Festzelt hatte die Leiterin der Niederlassung Südwest der Autobahn GmbH des Bundes, Christine Baur-Fewson, von einer "ingenieurtechnischen Meisterleistung" gesprochen. Im Gesamtprojekt sei man bisher im Kosten- und Zeitplan. August oder September nennt sie als Freigabetermin der gesamten A6-Strecke zwischen Walldorfer und Weinsberger Kreuz, wenn der Ausbau wie bisher weitergehe.
110 mächtige Betonpfeiler werden wieder abgebrochen
Nötig ist der Querverschub, weil der nördliche Brückenteil mit der Fahrbahn Richtung Mannheim zunächst direkt neben der alten Autobahnbrücke entstand. Als er fertig war, konnte er den Verkehr aufnehmen, die alte A6-Brücke abgerissen und an der Stelle zunächst das südliche Brückenteil (Fahrbahn nach Nürnberg) gebaut werden. Jetzt muss die nördliche Brücke an den Südteil herangeschoben werden. Wie das beauftragte Planungsbüro K+S Ingenieur Consult aus Nürnberg mitteilt, mussten für den Querverschub 154 mächtige Stahlbetonpfeiler errichtet werden. 110 werden wieder abgebrochen, auf 44 wird die Brücke am Ende liegen.
Auch die Sendung mit der Maus macht einen Film über das besondere Technikprojekt
Besondere Randnotiz: Sogar das bekannte Fernsehformat "Die Sendung mit der Maus" hat sich für den A6-Querverschub interessiert und ist mit einem TV-Team angerückt. Kein Wunder, geht es ja um fast das fünffache Gewicht des Pariser Eiffelturms, das da bewegt wird. Kindgerecht soll das komplexe Projekt aufbereitet werden. Der Sendetermin steht noch nicht fest.
Voraussichtlich am 14. Februar ist die zweite Etappe beim Brückenverschub eingeplant. Dann wird die zweite Brückenhälfte der nördlichen Fahrbahn, die Stahlbrücke über den Neckar, mit der gleichen Technik nach Süden verschoben. Es wird wohl etwas einfacher werden: Dieses Brückenteil ist "nur" 510 Meter lang und wiegt rund 20.000 Tonnen.
Die Hälfte der Wegstrecke ist nach rund acht Stunden geschafft
Das Ausbauprojekt soll auch den Anliegerkommunen eine spürbare Verbesserung bringen. Wenn die sechs Spuren überall frei sind, geht Verkehrs-Staatssekretärin Elke Zimmer davon, dass es deutlich weniger Staus und weniger Ausweichverkehr durch umliegende Orte geben wird. Es stärke die Verkehrssicherheit. Die in den 1960 Jahren gebaute alte A6 sei vom stark angestiegenen Verkehr überlastet gewesen. Rund 30 Prozent machen schwere Lastwagen aus.
Das Mammutprojekt ist als öffentlich-privates Gemeinschaftsprojekt initiiert. Auftraggeber ist der Bund, die Bau-Arge ViA6West erledigt Detailplanung und Bauarbeiten. Als ein Beispiel für zügig umgesetzte Baumaßnahmen, das Schule machen sollte, wertet Hochtief-Geschäftsführer Alexander Hofmann den Verbund.
Kurz vor 17 Uhr Uhr sind die Arbeiter beim Brücken-Querverschub noch im Einsatz: Die Hälfte der Strecke, rund elf Meter, sind geschafft. "Wir werden am Freitag weitermachen", sagt ViA6West-Sprecher Michael Endres auf Anfrage. Die Mannschaft habe gut gearbeitet.
Fakten zum Projekt
Auf rund 25 Kilometer Länge wird die A6 auf sechs Spuren seit dem Frühjahr 2017 ausgebaut. Damit wird der komplette Abschnitt zwischen Walldorfer und Weinsberger Kreuz (47 Kilometer Länge) sechsspurig.
Neben dem Ausbau der Fahrspuren mussten 36 Brückenbauwerke erneuert werden. Das größte ist der Neckartalübergang mit 1,3 Kilometer Länge. Es ist die längste Autobahnbrücke in Baden-Württemberg.
Auf 19 Kilometer wird lärmmindernder offenporiger Asphalt aufgebracht. In besonderen Lagen entstanden große Lärmschutzwälle und -wände sowie Regenrückhaltebecken.
Mit im Schnitt 100.000 Fahrzeugen in 24 Stunden gehört die A6 zu den am stärksten befahrenen Fernstraßen in Europa. Ursprünglich war zum Beispiel die Neckartalbrücke beim Bau in den 1960er Jahren für 60 000 Fahrzeuge am Tag ausgelegt.
Das Projekt wurde als Öffentlich-Private-Partnerschaft (ÖPP) initiiert. Auftraggeber ist der Bund, Ausführender ist das Baukonsortium ViA6West (Firmen Hochtief und Bunte). Die Autobahn GmbH des Bundes überwacht das Bauprojekt (vorher das Regierungspräsidium Stuttgart).
An Baukosten sind rund 600 Millionen Euro veranschlagt. Bisher hieß es, man sei im Kostenplan. Im Sommer 2022 soll alles fertig sein. Weitere 700 Millionen Euro sind für Betrieb und Unterhaltung des Autobahnabschnitts bis Ende 2046 veranschlagt. So lange (30 Jahre) läuft der Vertrag zwischen Bund und ViA6West.
Zeitraffervideo im Internet
ViA6West setzt beim Querverschub der Brücke eine Zeitrafferkamera ein. Hier ist der Link dazu.
Animation zum Ersatzneubau des Neckartalübergangs