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Eine Erlenbacher Firma lässt die Elbphilharmonie leuchten

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Wie aus dem Abo-Verkäufer Tillmann Raith aus Neckarsulm ein deutschlandweit erfolgreicher Energieunternehmer wurde.

Von Vanessa Müller und Christian Gleichauf
 Foto: dudlajzov/stock.adobe.com

Dunkelblauer Pulli, einen Schal umgeschlungen. Tillmann Raith schaut noch schnell bei den Mitarbeitern vorbei, die im Büro gegenüber sitzen. Kurz reden, nicken, ein paar Sprüche machen. Älter als 40 ist hier nur einer. Sein Vertriebschef, der im Flur mit den Journalisten plaudert.

Es gibt etwas zu berichten: Raiths Firma hat es in den vergangenen Jahren geschafft, zwei Großaufträge für Strom- und Gaslieferung an Land zu ziehen, die für Aufsehen sorgen: Die Elbphilharmonie und den Bundestag.

Raith hatte auch schon das Fernbusunternehmen DeinBus gekauft

Auch Raith ist mit 36 Jahren noch jung für all die unternehmerischen Erfahrungen, die er gesammelt hat. "Selfmade-Millionär" wurde er genannt, als er vor drei Jahren das insolvente Fernbusunternehmen DeinBus kaufte. Davor und danach hat es andere Geschäfte gegeben: Sportartikelversand, Telefonverträge, Musikdownloads - nicht alle hatten den besten Ruf.

Mehr zum Thema: Mit günstigem Gas von Irgendwo in den Bundestag 

"Ich habe mich seitdem weiterentwickelt", betont der Neckarsulmer, der mittlerweile am Besprechungstisch des kleinen, aber feinen Bürogebäudes in der Erlenbacher Georg-Ohm-Straße sitzt. Aufgeräumt bis leer wirkt es hier, wenige persönliche Andenken an vergangenen Zeiten hängen an der Wand, etwa ein Plakat für das Downloadportal Musicstar. Hier hat der Chef Hand angelegt. Auch die Halogen-Birnchen in den Lampen hat er gegen sparsame LEDs ausgetauscht. "So ein Faible von mir. Das Geld summiert sich", sagt Raith. Mit Strom kennt er sich mittlerweile aus.

Ausschreibung oder Lotterie?

2013 hat Raith das Unternehmen DEG Deutsche Energie gegründet. Das liefert jetzt jährlich 1,8 Millionen Kilowattstunden Strom an die Hamburger Elbphilharmonie - die damit so energiehungrig ist wie 500 Haushalte. 16 Millionen Kilowattstunden Gas liefert er an den Bundestag in Berlin. 52,2 Millionen sind es beim Norddeutschen Rundfunk. 49,7 beim Rundfunk Berlin-Brandenburg. Sie alle beziehen ihre Energie von Raith. Dazu kommen 250 Kommunen deutschlandweit. Und das als Branchenneuling.

Der Region verbunden: Deutsche-Energie-Geschäftsführer Tillmann Raith (l.) und Vertriebsleiter Olaf Ruppe. Foto: Christian Gleichauf
Der Region verbunden: Deutsche-Energie-Geschäftsführer Tillmann Raith (l.) und Vertriebsleiter Olaf Ruppe. Foto: Christian Gleichauf  Foto: Gleichauf, Christian

Die DEG habe die Auschreibungen "gewonnen", sagt Raith. Hört sich nach Lotterie an, dabei ist es eine einfache Entscheidungsgrundlage: Der Günstigste bekommt den Zuschlag. Ansonsten will Raith nicht viel über sein Erfolgsrezept verraten.

Über eine Tochterfirma in Österreich habe man direkten Zugang zur Energiebörse. Klein und wendig sei seine Firma - im Gegensatz zu behäbigen Stadtwerken. "Wir unterliegen zum Beispiel keinem Risikomanagementauflagen." Und Seriosität sei wichtig.

Image hatte gelitten

Einen guten Ruf musste Raith sich erst einmal erarbeiten. Es ist einiges passiert, seit er auf dem Schulhof Mobilfunkverträge an Klassenkameraden vermittelt hat. Das funktionierte später auch im großen Stil. Call-by-Call war das nächste Geschäftsmodell. Strom und Musik verkaufte er im Internet. "Das waren alles regulierte Märkte, da kenne ich mich aus", sagt Raith.

Die Zahl der Kunden wuchs rasant. "Ich habe damals Fehlentscheidungen getroffen, die Struktur der Firmen kam nicht hinterher", räumt er ein. Durcheinander, unzufriedene Kunden, negative Öffentlichkeit. Musicstar ging in die Insolvenz. Raiths Firma Envacom, die als Telekom-Anbieter Callando gestartet war und dann zum Stromhändler umgebaut wurde, konnte aber wohl gewinnbringend an den russischen Gasriesen Gazprom verkauft werden.

Das war vor sieben Jahren. Seitdem läuft vieles besser. 50 Millionen Euro Umsatz hatte Envacom damals, 500 Millionen wird seine Deutsche Energie in diesem Jahr erreichen. In den vergangenen drei Jahren habe sich der Umsatz jeweils verdoppelt. "Die jüngere Vergangenheit ab 2011 ist erfolgreich", so fasst es Raith zusammen.

Neues Geschäftsfeld ÖPNV

DeinBus ist ebenfalls nicht negativ aufgefallen. Obwohl das Fernbusgeschäft ein hart umkämpfter Markt ist. Auch hier lässt sich der 36-Jährige nicht in die Karten schauen. Er sagt aber: Profitabel arbeiten kann man derzeit nur im ÖPNV. Seit 10. Dezember betreibt er mit DeinBus den Nahverkehr in Friedberg bei Frankfurt. "Und wir sind bei zahlreichen anderen Ausschreibungen dabei."

Er habe dazugelernt, sagt Raith. Statt auf Masse setzt er jetzt auf das Business-to-Business-Geschäft. Das Unternehmen agiert hauptsächlich über Vertriebspartner. 15 Angestellte arbeiten in Erlenbach und weitere 15 in der Niederlassung in Wiesbaden. Die Abrechnung lässt Raith heute extern erledigen - von den Stadtwerken Schwäbisch Hall. "So können wir uns aufs Wesentliche konzentrieren."

Nützliche Kenntnisse

Für die guten persönlichen Beziehungen am Markt sorgt DEG-Verkaufsleiter Olaf Rupp (49), der bis 2014 beim Vergleichsportal Verivox tätig war. Dort hat er die Energieversorger betreut, ihnen dabei geholfen, die Plattform effektiv zu nutzen. "Verivox hat ja ein großes Interesse daran, dass Verbraucher ihren Stromvertrag kündigen und zu einem anderen Anbieter wechseln. Da verdienen die Plattformen immer mit", erzählt Rupp. Er weiß also, wie das Geschäft funktioniert, kennt die Fehler, die viele Firmen machen. Ein Wissen, das er bei Tillmann Raith gewinnbringend einsetzen kann.

In der Region geblieben sei er, weil "die Infrastruktur stimmt", sagt Raith. Und damit meint er nicht den Straßenverkehr, sondern das Finanzamt und das Hauptzollamt - mit denen lasse sich hier besser arbeiten als in Hessen. Mit seiner Frau ist er in seiner Heimatstadt Neckarsulm verwurzelt. Auch sein Schulfreund aus alten Tagen arbeitet noch bei ihm. Christian Schoch hat schon 1999 die Internetseiten für seinen Call-by-Call-Anbieter 01075 Telecom gebaut. Jetzt verantwortet er den technischen Bereich bei der DEG.

Pläne bei der IHK

Auch bei der IHK Heilbronn-Franken hat man Raith die Fehler der Vergangenheit wohl verziehen. Er ist in die Vollversammlung gewählt worden, keine Selbstverständlichkeit. Ausschussposten warten. Und auch Geld scheint weiterhin kein Problem zu sein. Mit einem sechsstelligen Betrag unterstützt die DEG die deutschen Volleyball-Nationalmannschaften der Damen und Herren, ein mittlerer fünfstelliger geht an die Neckarsulmer Sportunion. 2017 hat Raith eine Biogasanlage in Thüringen gekauft. Jetzt will er unter Umständen in das Geschäft mit E-Ladestationen einsteigen. "Ich habe kein fertiges Produkt in der Schublade. Aber es passt in unseren Bereich."

 
 
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