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Sorge, dass jeder fünften Gastronomie das Aus droht

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In der Gastronomie und Hotellerie wächst die Angst vor der Insolvenz. Versprochene Corona-Hilfsgelder bleiben bisher weitgehend aus. Viele Gastronomen warten noch auf Geld, das bereits für die Novemberschließung versprochen war.

Das Mercure-Restaurant in Heilbronn bleibt komplett geschlossen. Das Vier-Sterne-Hotel empfängt ab dieser Woche aber wieder Geschäftsreisende, dennoch befindet sich der Großteil der Mitabeiter in Kurzarbeit.
Foto: Mario Berger
Das Mercure-Restaurant in Heilbronn bleibt komplett geschlossen. Das Vier-Sterne-Hotel empfängt ab dieser Woche aber wieder Geschäftsreisende, dennoch befindet sich der Großteil der Mitabeiter in Kurzarbeit. Foto: Mario Berger  Foto: Berger, Mario

Die Verzweiflung in der Gastronomie wächst. "Es geht wohl alles so weiter, bis Ende Februar auch die Letzten begriffen haben, dass wir uns den Lockdown nicht mehr leisten können", sagt Thomas Aurich frustriert. Er rechnet für 2021, dass in der Branche mindestens jeder Fünfte pleitegeht.

Stille Reserven sind aufgebraucht

Die Gastronomen verbittert nicht nur die fehlende Perspektive, sondern auch, dass die versprochenen Hilfsgelder nicht fließen. Viele warten noch auf Geld, das bereits für die Novemberschließung versprochen war, andere haben für den November zumindest eine Abschlagszahlung in Höhe von bis zu 50 Prozent der versprochenen Summe bekommen. Das Bundeswirtschaftsministerium hatte 75 Prozent des Umsatzes vom Vorjahr als Entschädigungssumme angekündigt. Wenig später kamen jedoch anderslautende Signale.


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Hoffnungsschimmer in der Gastronomie gegen den Corona-Blues


"Bei den Hilfeversprechen blicken selbst die Steuerberater nicht mehr durch", sagt Thomas Aurich. "Nun sollen nur noch die eine Entschädigung bekommen, die tatsächliche Verluste ausweisen können. Dabei sind bei den meisten Betrieben alle stillen Reserven aufgebraucht", betont der Heilbronner Dehoga-Chef.

Noch keinen Cent hat beispielsweise Tanja Calce, Chefin des Velo in Heilbronn, gesehen. "Uns steht das Wasser bis zu den Augenbrauen", versichert die Wirtin des veganen Restaurants. Die Rücklagen sind komplett aufgebraucht, mit der Miete ist sie zwei Monate im Rückstand und dieser Tage kam eine Forderung vom Finanzamt auf Einkommensteuerrückzahlung für das Jahr 2019. "Den Politikern muss doch klar sein, dass wir keine Reserven mehr haben. Wir haben alle Forderungen erfüllt und jetzt wird so dilettantisch vorgegangen", klagt sie. Wie lange sie noch durchhält? "Wenn nichts passiert, noch einen Monat", lautet die Antwort.

Verschobene Maßstäbe

Etwas besser sieht es bei der Heuchelberger Warte aus. "Wir halten schon noch etwas länger durch, weil wir in der Vergangenheit hervorragend wirtschaften konnten, aber es ist ein Drama", sagt Max Wieland, der das Wirtshaus auf dem Berg zusammen mit seinen Eltern Inge und Jürgen führt. Hilfsgelder hat der Familienbetrieb im Herbst allerdings auch noch nicht erhalten. Die Wielands schmerzt besonders, dass auch alle Hygienekonzepte, die im Sommer entwickelt wurden, nichts nützen. "Warum sollen wir eine Familie, die an einem abgetrennten Tisch sitzt, nicht bewirten dürfen?", klagt er.

Auch Michael Roger stört die Ungleichbehandlung. "Die Maßstäbe stimmen einfach nicht. Warum durften Betriebskantinen bis zu 700 Essen ausgeben und wir dürfen keine 40 Essen verkaufen", fragt der Inhaber des Flair-Hotels Landgasthof Roger in Löwenstein-Hößlinsülz. Inzwischen haben auch die Kantinen geschlossen.


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Weder draußen noch drinnen dürfen Gaststätten derzeit ihre Gäste bewirten. Seit November sind die Lokale allenfalls für einen Abholservice geöffnet. Für die Wirte wie für Einzelhändler und andere Branchen sind die Einnahmeausfälle immens.
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Auszahlung der Corona-Hilfe verzögert sich


Roger hat immerhin die Abschlagszahlung für den November erhalten. Nun hofft er auf eine baldige Perspektive: "Die größten Bauchschmerzen habe ich, weil wir nicht wissen, wann es weitergeht", betont Roger. Immerhin kann er dieser Tage wieder einige seiner 70 Hotelzimmer belegen. "Insgesamt zwölf Monteure und Geschäftsreisende haben sich angemeldet, die dürfen wir auch bewirten", freut er sich.

Viele Mitarbeiter in Kurzarbeit

Auch das Mercure-Hotel am Heilbronner Bollwerksturm bietet ab dieser Woche wieder Übernachtungen für Geschäftsreisende an. "Ich hoffe, dass ich mich vertue, aber mehr als eine Handvoll Gäste erwarte ich nicht", schätzt Geschäftsführer Michael Aritsch. Das Restaurant La Girafe bleibt weiterhin geschlossen. "Ein Abholservice wird der Qualität unseres Speiseangebots nicht gerecht", so der Mercure-Chef.

Auch das Vier-Sterne-Haus hat noch keinerlei staatliche Unterstützung erhalten. Der Großteil der Mitarbeiter ist in Kurzarbeit. "Uns wird schlicht und einfach die wirtschaftliche Existenzbasis weggenommen", klagt Aritsch. Dennoch lehnt er die Vorstellung, dass nur noch geimpfte Personen Gast sein dürfen, als "keine unbedingt wünschenswerte" ab.

Glücksritter sind unterwegs

Das Wirtschaftsministerium des Landes Baden-Württemberg hat auf Stimme-Anfrage versichert, dass die "Restzahlungen für die Novemberhilfen voraussichtlich am 10. Januar starten. Für die Dezemberhilfe können hierzu noch keine Angaben gemacht werden", betont ein Ministeriums-Sprecher. Die Hilfen sollen als einmalige Kostenpauschalen ausbezahlt werden. "Die Höhe der Novemberhilfe beziehungsweise Dezemberhilfe beträgt 75 Prozent des jeweiligen Vergleichsumsatzes und wird anteilig für jeden Tag im November beziehungsweise Dezember 2020 berechnet, an dem ein Unternehmen tatsächlich vom Corona-bedingten Lockdown betroffen war", so der Sprecher.

Thomas Aurich bleibt dennoch skeptisch, ob die befürchteten Insolvenzen verhindert werden können. Erste Investoren versuchten in der Region derzeit bereits, billig an attraktive Gastronomie- und Restaurantbetriebe zu kommen. "Die Glücksritter sind schon unterwegs, aber auch das gehört wohl zu jeder ernsten Krise dazu", betont der Heilbronner Dehoga-Vorsitzende.

 

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Kommentare

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Anthimos Tsikras am 12.01.2021 19:38 Uhr

Der Lockdown wird wohl bis Ostern gehen, zumindest gibt es hier schon die ersten Forderungen. Viel wird von Gastronomie und stationärem Handel danach nicht mehr übrig bleiben. Die Gastronomen, die dann noch da sind werden wahrscheinlich ein riesen Geschäft machen und es wird für Neulinge die Beste Zeit sein einzusteigen, da einfach ein Nachholbedarf bei der Bevölkerung besteht.
Ob das auch für den Handel gilt wage ich zu Bezweifeln, da jetzt viele die Vorteile des Onlinehandels kennenlernen durften und die Landbevölkerung mit ihren Autos von den Stadtverwaltungen ja nicht mehr gerne gesehen wird.

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