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Drogenschmuggel per Post ins Heilbronner Gefängnis

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Im Heilbronner Gefängnis gibt es abermals einen Fall von Drogenschmuggel. Die Methode ist clever: Rauschgift wird auf Briefpapier gesprüht und per Post an Häftlinge verschickt. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen mehrere Personen.

von Helmut Buchholz
Wenn der Briefträger die Drogen zustellt: Im Heilbronner Gefängnis sind Briefe aufgetaucht, die mit Drogen getränkt waren.
Foto: Dennis Mugler
Wenn der Briefträger die Drogen zustellt: Im Heilbronner Gefängnis sind Briefe aufgetaucht, die mit Drogen getränkt waren. Foto: Dennis Mugler  Foto: Mugler, Dennis

Kaum ist nach der Drogenschmuggel-Affäre etwas mehr Ruhe in die Heilbronner Justizvollzugsanstalt (JVA) eingekehrt, kommt ein neuer Fall ans Licht. So sollen Häftlinge ganz simpel per Post illegal an Rauschgift kommen. Das haben Recherchen der Stimme ergeben, die auf Hinweise aus Häftlingskreisen beruhen.

Demnach wird sogenanntes Spice, ein synthetisches Cannabinoid, auf kariertes Briefpapier aufgesprüht und dann per Postbrief von außen an Häftlinge geschickt - an allen Kontrollen vorbei. Für den Stoff gibt es offenbar sogar einen festen Preistarif: Eine Din-A-4-Seite kostet 500 Euro, ein Kästchen 83 Cent. Der Drogenpapierschnipsel wird in Tabak zerbröselt und damit dann ein Joint geformt.

Das Rauschgiftangebot ist immer noch groß

Den Häftlingshinweisen nach sollen außerdem nach wie vor weitere Drogen illegal hinter Gitter gelangen. Etwa bei Besuchen, die die Gefangenen von außen bekommen, und bei Arztbesuchen in der JVA von Gefangenen der Talheimer Außenstelle Hohrainhof. Das Rauschgiftangebot sei im Heilbronner Gefängnis weiterhin groß: Spice, Kokain, die Partydroge MDMA und Subutex. Der Schmuggel erfolge zwar anders als früher ohne aktive Mithilfe von Bediensteten. Allerdings gebe es, so berichten Häftlinge, eine Mentalität des Wegschauens, um sich Ärger zu ersparen. Wörtlich sagt ein Gefangener: "Jeder weiß es, keiner verhindert es."

Die Heilbronner Staatsanwaltschaft berichtet auf Stimme-Anfrage, dass sie zurzeit gegen zwei Insassen der JVA ermittelt, die Drogenbriefe erhalten und auch im Gefängnis weiterverkauft haben sollen. In einem weiteren Verfahren werde gegen einen ehemaligen Strafgefangenen aus gleichem Grund ermittelt, er sei zur Fahndung ausgeschrieben. In beiden Fällen seien die Ermittlungen von Mitarbeitern der JVA angestoßen worden, die "unmittelbar reagiert" hätten, berichtet die Sprecherin der Staatsanwaltschaft, Bettina Jörg. Die Behauptung "Jeder weiß es, keiner verhindert es", sei bei den Verfahren nicht zutreffend.

JVA-Chef Vesenmaier: "Das ist kein spezielles Heilbronner Problem"

JVA-Leiter Andreas Vesenmaier betont, nach der Schmuggel-Affäre seien zahlreiche Maßnahmen ergriffen worden. Dass Häftlinge Drogenbriefe bekommen, sei bekannt und auch kein spezielles Heilbronner Problem. Der erste Fall dieser Art sei in Heilbronn 2016 aufgetreten. In Verdachtsfällen würden solche Briefe "angehalten" und zur labortechnischen Untersuchung an die Uni Freiburg geschickt. "Selbstverständlich werden die Vorfälle zur Anzeige gebracht" und die Betreffenden mit Sicherungsmaßnahmen belegt, erklärt Vesenmaier. Es gebe zurzeit jedoch keine gesetzliche Handhabe, eingehende Briefe verdachtsunabhängig "anzuhalten" und nur eine Kopie an die Gefangenen auszuhändigen.

Die Gefangenen vom Hohrainhof würden vor Eintritt in die Haftanstalt durchsucht. "Das erwies sich bislang als wirksam", so Vesenmaier. Die JVA wolle die Abläufe aber nun noch mal überprüfen. Ein Sprecher des Landesjustizministeriums weist darauf hin, dass trotz aller Maßnahmen "das unerlaubte Einbringen von Gegenständen in die JVA nicht vollständig verhindert werden kann". Es gelte das Gebot des verfassungskonformen Vollzugs. Der Durchsuchung der Gefangenen seien Grenzen gesetzt. Der Transport in Körperöffnungen könne nie vollständig ausgeschlossen werden.

JVA-Leiter Vesenmaier betont, dass die Mitarbeiter alles in ihrer Macht stehende tun, um den Drogenschmuggel zu verhindern. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass Mitarbeiter "wegschauen, um sich Ärger zu ersparen".

Spürhund & Co.

Im Heilbronner Gefängnis wurde nach der Schmuggel-Affäre einiges unternommen, um den illegalen Drogentransport nach drinnen zu verhindern: Der Besuchsbereich wurde umgestaltet, um ihn besser kontrollieren zu können. Jeder Besuchsplatz soll künftig mit Kameras überwacht werden. Nach zahlreichen Schleuderwürfen über Gefängnismauern wurde der besonders anfällige Osthof für Hofgänge komplett gesperrt. Die Polizeihundestaffel Offenau kontrolliert regelmäßig hinter Gittern. Das Heilbronner Gefängnis soll sogar einen eigenen Drogenspürhund bekommen, der zurzeit ausgebildet wird. 

 

Kommentar "Daueraufgabe"

 

Den Drogenschmuggel in ein deutsches Gefängnis zu verhindern, ist gar nicht so einfach. Dem Sicherheitspersonal sind durch die Verfassung und das Gebot des menschenwürdigen Strafvollzugs Grenzen gesetzt. Dazu kommt, dass es hinter Gittern viele Rauschgiftabhängige gibt. Das Landesjustizministerium schätzt, dass der Anteil der Abhängigen drinnen zehn Mal so hoch ist wie draußen. Im Schnitt seien etwa ein Drittel der Männer und die Hälfte der Frauen im Vollzug süchtig.

Entsprechend groß ist der Suchtdruck, Wege zu finden, um an den Stoff zu kommen. Gefangene werden geradezu erstaunlich kreativ, um die Lücken im System zu nutzen. Das beweist zum Beispiel die Drogenfracht per Postbrief, wie jetzt im Heilbronner Gefängnis. Die Haftanstalten müssen schleunigst besser ausgestattet werden, etwa mit mobilen Detektionsgeräten, damit eine rasche und konsequente Sanktion möglich wird.

Es darf Häftlingen jedoch nicht so leicht gemacht werden, wie früher in der Justizvollzugsanstalt Heilbronn. Einiges hat sich nach der Schmuggel-Affäre in der Sicherheitsarchitektur und den internen Abläufen verändert. Doch soll keiner glauben, dass ein Gefängnis, in dem der Schlendrian so groß war wie in Heilbronn, von jetzt auf nachher vorbildlich oder gar ganz drogenfrei wird. Dies anzustreben, ist und bleibt eine Daueraufgabe.

Ihre Meinung? helmut.buchholz@stimme.de

 

 

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