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Chronologie: Heiße Ware in der JVA-Post

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Die Drogenschmuggel-Affäre im Heilbronner Gefängnis ist um ein Kapitel reicher. Kompakt im Zeitstrahl nachzulesen: Von korrupten Vollzugsbediensteten, rechtsradikalen Whatsapp-Nachrichten und einem Novum in der Justizgeschichte.

von Helmut Buchholz und Sebastian Kohler
 

März 2018


Ermittlungen nehmen Fahrt auf

 Foto: Veigel, Andreas

Ein Häftling meldet sich in der Redaktion der Heilbronner Stimme. Er behauptet, ein Justizvollzugsbeamter des Heilbronner Gefängnisses sei korrupt und würde für Schmiergeld Handys und Drogen hinter Gitter schmuggeln.

Zudem erhebt der Gefangene schwere Vorwürfe gegen die Anstaltsleitung: Sie wisse von den kriminellen Machenschaften, würde aber nichts unternehmen.

Die Stimme informiert die Polizei, die Ermittlungen aufnimmt. Die Fahnder hören unter anderem ein Handy im Gefängnis ab, das dort illegal hineingeschmuggelt wurde.

 

12. Juli 2018


Der Schmugglerring fliegt auf

In der Heilbronner JVA klicken die Handschellen. Der Vollzugsbeamte Sandy H. wird nach Dienstantritt festgenommen und kommt in U-Haft.

Die Ermittler finden beim 37-Jährigen einen präparierten Tetrapack. In ihm wollte Sandy H. Subutex-Tabletten, ein Heroin-Ersatzstoff, sowie zwei Gramm Heroin und 22 Gramm Haschisch hinter Gitter schmuggeln. Laut Staatsanwaltschaft genug Stoff für 3800 Konsumeinheiten.

Zusätzlich werden sechs weitere Heilbronner JVA-Bedienstete suspendiert. Die Staatsanwaltschaft ermittelt außerdem gegen mehrere Häftlinge, ehemalige Haftinsassen und Personen aus ihrem Umfeld. Vier von ihnen kommen in U-Haft

 

August 2018


Der Druck nimmt zu

 Foto: Mugler, Dennis

Die Affäre weitet sich aus, der Heilbronner Gefängnisleiter gerät unter Druck. Er werden Vorwürfe laut, er habe den Fall unter den Teppich kehren wollen. Die Stimme-Redaktion recherchiert und veröffentlicht, dass es sich bei einem Zellenbrand im April 2018 in Wirklichkeit um einen Ausbruchversuch eines gefährlichen Häftlings handelte.

Auch bei dem Ausbruch eines Mörders bei einem „Ausflug“ im Dezember 2017 an den Bodensee werden der Anstaltsleitung Versäumnisse vorgeworfen. Die Staatsanwaltschaft nimmt Vorermittlungen gegen den Heilbronner Gefängnisleiter auf. Das Justizministerium ordnet befristete Taschenkontrollen bei den JVA-Bediensteten an. Ein Novum in der Justizgeschichte Baden-Württembergs.

 

Oktober 2018


Der JVA-Leiter verliert seinen Job

 Foto: Schmidt, Christoph (dpa)

Der Druck auf die Gefängnisleitung wird zu groß, das Justizministerium zieht personelle Konsequenzen. Mehrere Politiker, darunter auch Parteifreunde des CDU-Justizministers Guido Wolf (im Bild), hatten die Ablösung des JVA-Chefs gefordert.

Dieser stimmt seiner Versetzung ans Justizkrankenhaus Hohenasperg (Landkreis Ludwigsburg) zu. Er wird dort Leiter des Vollzugs, ohne Besoldungsnachteile. Eine Rückkehr ist ausgeschlossen. Die vakante Chefstelle in Heilbronn übernimmt interimsweise der Leiter des Gefängnisses in Schwäbisch Hall. Das Justizministerium startet die Suche nach einem neuen JVA-Chef.

 

Dezember 2018


Weitere Bedienstete werden suspendiert

Die Ermittlungen der Polizei gegen JVA-Bedienstete weiten sich aus. Drei weitere Beschäftigte werden vom Dienst suspendiert. Der Vorwurf lautet Volksverhetzung und Verwendung verfassungsfeindlicher Kennzeichen. Die JVA-Beschäftigten sollen per Whatsapp Hitlerbildchen und Hakenkreuze verschickt haben.

 

Februar 2019


Die Prozesse beginnen

 Foto: Veigel, Andreas

Vor dem Heilbronner Landgericht beginnen die Prozesse gegen den Vollzugsbeamten Sandy H. sowie gegen fünf Angeklagte (ehemalige Häftlinge und ihre Komplizen), die den 37-Jährigen bestochen haben sollen.

Als Begründung für seine Bestechlichkeit und den Schmuggel gibt er unter anderem seine teure Scheidung an. Auch die fünf Angeklagten legen teilweise Geständnisse ab. Anfang März fällt ein erstes Urteil: Sandy H. wird zu drei Jahren Haft wegen Bestechlichkeit und Drogendelikten verurteilt. 

 

März 2019


Weitreichende Ermittlungen der Staatsanwaltschaft

 Foto: Berger, Mario

Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft in der Schmuggel-Affäre richten sich mittlerweile gegen 90 Personen. Die Verfahren gegen sieben JVA-Bedienstete, die einen Kern des Tatkomplexes bildeten, sind abgeschlossen. Die Beschäftigten wurden wegen Bestechlichkeit und Drogendelikten verurteilt und/oder sanktioniert.

Die Heilbronner JVA-Chefstelle soll im Frühjahr neu besetzt werden. Das Justizministerium hat einige Konsequenzen aus dem Fall gezogen. Es kündigt an, die Gefängnisse landesweit personell zu verstärken, die Kontrollen zu intensivieren und technisch aufzurüsten.

Um etwas gegen die Verunsicherung unter den Mitarbeitern der Heilbronner JVA zu unternehmen, wird ein externer Coach engagiert.

 

März 2019


Die Urteile am Landgericht

 Foto: Mugler, Dennis

Anfang März verurteilt das Heilbronner Landgericht den Vollzugsbeamten Sandy H. zu drei Jahren Haft wegen Bestechlichkeit und Drogendelikten. Ende März folgt das Urteil gegen seine „Bestecher“: Das Landgericht verhängt Haftstrafen zwischen fünf Jahren sowie acht Jahren und neun Monate gegen fünf Angeklagte. Dabei handelt es sich um drei Häftlinge und zwei Komplizen außerhalb der Gefängnismauern.

 

März/April 2019


Neuer Chef, Sicherheitsvorkehrungen werden verschärft

 Foto: Berger, Mario

Der neue Leiter der Justizvollzugsanstalt (JVA), Andreas Vesenmaier, tritt den Führungsposten in der  Heilbronner Steinstraße an.  Er will  verloren gegangenes Vertrauen zurückgewinnen, setzt auf mehr Kommunikation mit den Bediensteten.  Im Heilbronner Gefängnis ändert sich einiges, damit Drogenschmuggel künftig verhindert wird.

Der Besuchsraum für Häftlinge wird umgestaltet, damit er besser kontrolliert werden kann. Alle Besuchsplätze sollen künftig kameraüberwacht sein. Der Osthof der JVA wird komplett gesperrt, um Mauerwürfe von draußen nach drinnen zu verhindern. Auch das  war einer der Wege, auf denen Drogen illegal hinter Gitter kamen.  Es wird ein Drogenspürhund ausgebildet, der speziell in der JVA zum Einsatz kommen soll.

 

September 2019


Der Drogenschmuggel geht weiter: Schon wieder ein Prozess

Eine vierköpfige Drogenbande, davon zwei Heilbronner Häftlinge, stehen vor dem Heilbronner Landgericht. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen vor, zwischen November 2018 und März 2019 Rauschgift hinter Gitter geschmuggelt zu haben – diesmal ohne aktive Mithilfe von Bediensteten. Die Häftlinge sollen die Drogen auch innerhalb der JVA verkauft haben. Die heiße Ware kam per Schleuderwürfe über Gefängnismauern und bei  Besuchen, die die Gefangenen  bekamen, nach drinnen.

 

Oktober 2019


Drogen kommen per Post ins Gefängnis

 Foto: Mugler, Dennis

Recherchen der Heilbronner Stimme ergeben, dass nach wie vor Drogen auch auf sehr kuriosen Wegen illegal ins Heilbronner Gefängnis gelangen, nämlich per Post. So wird Spice, ein synthetisches Cannabinoid, auf Briefpapier aufgesprüht, das dann getarnt als Brief an einen Häftling ins Innere der Justizvollzugsanstalt gelangt. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen mehrere Personen.

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Im Heilbronner Gefängnis gibt es abermals einen Fall von Drogenschmuggel. Die Methode ist clever: Rauschgift wird auf Briefpapier gesprüht und per Post an Häftlinge verschickt. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen mehrere Personen (Premium) 

 

 

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